Stuttgart (jur). Mit der Verurteilung eines ambulanten Pflegedienstbetreibers wegen Abrechnungsbetrugs bei einigen Versicherten ist die Pflegekasse berechtigt, die in anderen Fällen erbrachten Pflegeleistungen genau zu überprüfen. Damit die monatlichen Abrechnungen vergütet werden können, muss der Pflegedienstbetreiber den „vollen Beweis“ für die erbrachte Pflege erbringen und dabei auch angeben, welche Pflegekraft mit welcher Qualifikation die Pflege wann und bei wem erbracht hat, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Montag, 25. April 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 4 P 4005/18).
Allein die Vorlage der in Baden-Württemberg bei der Pflege angefertigten üblichen Durchführungskontrollblätter mit Namenskürzel der Pflegekraft reichten nicht. Im konkreten Fall hat damit ein ambulanter Pflegedienst keinen Anspruch auf eine Pflegevergütung in Höhe von 56.000 Euro. Der Inhaber des Pflegedienstes, ein ausgebildeter Krankenpfleger, hatte ambulante Pflegeleistungen für Versicherte in deren Haushalt, in Wohngemeinschaften oder in sogenannten Pflegefamilien erbracht.
Doch bei der Pflegeabrechnung schummelte der Pflegedienstbetreiber. So wurden teils Pflegeleistungen abgerechnet, die gar nicht von qualifizierten Pflegekräften erbracht wurden, teils wurden überhaupt keine pflegerischen Leistungen durchgeführt. Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) fanden bei Hausbesuchen vielmehr verwahrloste Wohnungen vor. Die Pflegedokumentation war lückenhaft.
Die Pflegekassen kündigten im Juli 2011 wegen „gröblicher Verletzung gesetzlicher und vertraglicher Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen und den Kostenträgern“ den Versorgungsvertrag fristlos.
Der Pflegedienst-Inhaber wurde schließlich vom Amtsgericht Konstanz nach einem Geständnis in 81 Fällen wegen Abrechnungsbetrugs zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
Er verlangte jedoch noch die Vergütung der nach seinen Angaben ordnungsgemäß geleisteten Pflege, die er 2010 und 2011 erbracht habe und die nicht vom Strafverfahren erfasst war. Insgesamt ging es um 56.000 Euro. Der MDK habe diese Pflege nicht beanstandet. Patienten, Angehörige oder Hausärzte könnten bezeugen, dass die Pflege auch wirklich erbracht wurde.
Doch der Pflegedienstbetreiber habe auf die Vergütung keinen Anspruch, so das LSG in seinem Urteil vom 25. März 2022. Da der Pflegedienstbetreiber wegen Abrechnungsbetrugs verurteilt wurde, sei das Vertrauensverhältnis „massiv und nachhaltig erschüttert“. Daher dürfe die Pflegekasse besonders strenge Nachweise für die erbrachte Pflege verlangen. Denn das Strafurteil sei auch für Leistungen gegenüber anderen Versicherten bedeutend. Der Kläger habe nachträglich sein Geständnis als „Nötigung“ bezeichnet. Dies lasse auf eine fehlende Unrechtseinsicht schließen.
Daher reiche es bei der Vorlage der monatlichen Abrechnung an die Pflegeversicherung nicht aus, dass lediglich die üblichen Durchführungskontrollblätter beigefügt werden. In diesen werden die Pflegeleistungen, Zeit und Datum sowie ein Kürzel der Pflegekraft aufgeführt. Vielmehr sei es erforderlich, dass im „vollen Beweis“ dargelegt wird, wer, wann, warum und von wem gepflegt wurde. Hierzu sei die Unterschrift der Pflegekraft und ihre Qualifikation anzugeben. Dem sei der Kläger nicht nachgekommen, so dass kein Vergütungsanspruch bestehe.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock