Bonn (jur). Das Mitbestimmungsrecht eines Betriebsrats bei Einstellungen und Versetzungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern kann auch in einem überwiegend karitativ tätigen Unternehmen nicht pauschal verweigert werden. Zwar greift die Mitbestimmung nicht bei Mitarbeitern, die als „Tendenzträger“ gelten, so das Arbeitsgericht Bonn in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 5. Januar 2023 fest (Az.: 3 BV 96/22). Tendenzträger seien aber nur Mitarbeiter, die den karitativen Zweck des Unternehmens eigenverantwortlich umsetzen.
Im konkreten Fall ging es um einen Träger von ambulanten Teil- und vollstationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. In dem überwiegend karitativ tätigen Unternehmen arbeiteten auch rund 130 Kita- und Schulassistenten. Als fachliche beziehungsweise reguläre Integrationsassistenten unterstützen sie behinderte Kinder in Kita und Schule.
Wer für diese Kinder- und Jugendhilfemaßnahmen eingestellt oder dorthin versetzt wird, entschied der Arbeitgeber allein und damit ohne Beteiligung des Betriebsrats.
Der Betriebsrat sah sich dadurch in seinen Mitbestimmungsrechten verletzt. Der Arbeitgeber hätte ihn bei der Einstellung und Versetzung der Kita- und Schulassistenten beteiligen müssen. Er legte eine Liste von knapp 60 namentlich genannten Beschäftigten vor, bei denen er eine Verletzung der Mitbestimmungspflicht geltend machte.
Der Arbeitgeber meinte, dass dem Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht zustehe. Wegen der überwiegend karitativen Aufgabe des Unternehmens sei von einem „Tendenzbetrieb“ auszugehen. Die Mitbestimmungspflicht nach dem Betriebsverfassungsgesetz gelte dann nicht bei Arbeitnehmern, die als „Tendenzträger“ den karitativen Zweck des Unternehmens eigenverantwortlich umsetzen. Dies sei bei den Kita- und Schulassistenten der Fall.
Dem widersprach jedoch das Arbeitsgericht. Die Kita- und Schulassistenten seien keine „Tendenzträger“. Hierfür müssten sie eigenverantwortlich und selbstständig den karitativen Zweck des Unternehmens erfüllen.
Hier könnten sie aber nicht „im Wesentlichen frei über die Aufgabenerledigungen entscheiden“, sondern seien bei der Umsetzung der von der Arbeitgeberin verfolgten Tendenz weisungsgebunden. So könnten die Beschäftigten nur in enger Abstimmung mit den jeweiligen Gesamt-, Hilfe- und Teilhabeplänen sowie mit den jeweiligen Lehrern die Hilfemaßnahmen für die betreuten Kinder umsetzen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock