Erfurt. Eine arbeitsvertragliche Klausel, wonach auch Überstunden mit Lohn oder Gehalt abgegolten sind, kann für den Arbeitgeber auch nach hinten losgehen. Denn laut einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) in Erfurt vom 4. Mai 2022 (Az.: 5 AZR 474/21) kann die Klausel auch so verstanden werden, der Arbeitgeber von Überstunden ausgeht und diese bei Bedarf auch erwartet. Sollte die Regelung im konkreten Fall unwirksam sein, kann sie die Aussichten des Arbeitnehmers auf Überstundenvergütung verbessern.
Der Kläger war gelernter Automobilkaufmann. Er arbeitete als kaufmännischer Angestellter in einem brandenburgischen Unternehmen, das Gartengeräte und -maschinen verkauft, vermietet, wartet und repariert. Vertraglich vereinbart war, 40 Stunden pro Woche zu arbeiten, wobei laut Arbeitsvertrag Überstunden pauschal abgegolten wurden.
Das Arbeitsverhältnis endete im November 2018 nach eigener Kündigung des Kaufmanns. Aus seiner zweieinhalb Jahren dauernden Arbeitszeit forderte er danach für 252 Überstunden eine nachträgliche Vergütung, insgesamt 4.479 Euro. Er habe oft Vertretungen übernehmen sowie häufige Termine außerhalb seiner regulären Arbeitszeit übernehmen müssen.
Von der Arbeitgeberin wurde dies abgelehnt, da er als Angestellter in einer leitenden Funktion keine Überstundenvergütung geltend machen könne. Zudem seien die Überstunden laut Arbeitsvertrag pauschal abgegolten gewesen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BAG hat in derartigen Fällen der Arbeitnehmer die von ihm behaupteten Überstunden substanziiert nachzuweisen. Eine über die regulären Arbeitszeiten hinausgehende Tätigkeit reicht dabei nicht aus. Der Arbeitnehmer muss auch nachweisen, dass die Überstunden vom Arbeitgeber angeordnet oder zumindest geduldet wurden oder zur Erbringung der übertragenen Arbeit notwendig waren.
Der Arbeitgeber ist erst nach einem entsprechenden Vortrag an der Reihe und kann dem dann gegebenenfalls widersprechen. Mit dieser „abgestuften Darlegungs- und Beweislast“ will das oberste Arbeitsgericht den oft vorhandenen Beweisproblemen der Arbeitnehmer Rechnung tragen.
Vor den Arbeitsgerichten war die Hauptdebatte zwischen beiden Seiten vorrangig darin, welche Seite hierbei die Oberhand behält. Das BAG verwies den Rechtsstreit im Ergebnis daher zur erneuten Prüfung an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) zurück.
Das BAG verwies zur Begründung unter anderem darauf, dass vom LAG die arbeitsvertragliche Überstundenregelungen nicht berücksichtigt worden sei. Diese sei zwar viel zu pauschal und damit unwirksam. Sie deute aber dennoch darauf hin, die Arbeitgeberin mit Überstunden gerechnet und bei Bedarf auch erwartet habe. Im Erfurter Urteil heißt es, dass die Klausel damit geeignet war, „beim Kläger den Eindruck zu erwecken, die Beklagte billige grundsätzlich die Leistung von Überstunden bei einer Position wie derjenigen, die der Kläger innehatte“, heißt es hierzu in dem Erfurter Urteil.
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