Sozialrecht

Muss Jobcenter Stromkosten für Hartz IV-Empfänger übernehmen?

21.11.2013
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Zuletzt bearbeitet am: 15.03.2024

Hartz IV-Empfänger können unter Umständen verlangen, dass ihnen das Jobcenter zwecks Vermeidung einer Stromsperre ein Darlehen gewährt. Das gilt aber nicht bei offensichtlicher Verschwendung.

Eine sechsköpfige Familie bezog Hartz IV. Sie konnte ihre Stromkosten nicht bezahlen. Nachdem der Stromversorger erneut wegen der hohen Zahlungsrückstände den Strom gesperrt hatte, wendete sie sich an das zuständige Jobcenter. Dort beantragte die Familie, dass das Amt ihnen ein Darlehen gewährt. Doch das Jobcenter lehnte dies ab mit der Begründung, dass die Zahlungsrückstände erneut aufgetreten sind und die Ursache ein deutlich überhöhter Verbrauch von Strom sei.

Die Familie wollte sich das nicht gefallen lassen und zog vors Sozialgericht. Es wollte das Jobcenter durch Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Übernahme der angelaufenen Stromschulden im Weg eines Darlehens zwingen.

Doch das Sozialgericht Koblenz lehnte dies mit Entscheidung vom 05.09.2013 (Az. S 14 AS 724/13) ab.

Hierzu führte das Gericht zunächst einmal aus, dass Hartz IV-Empfänger normalerweise ihre Stromkosten selbst bezahlen müssen. Denn sie seien vom Regelsatz abgegolten. Trotzdem können die Jobcenter unter bestimmten Umständen zur Gewährung eines Darlehens verpflichtet sein, um eine Stromsperre zu verhindern oder aufzuheben. Hierzu bedarf es jedoch einer Abwägung der Umstände des Einzelfalles. Besonders negativ fiel hier ins Gewicht, dass die Familie nach den Feststellungen des Gerichtes trotz einer wiederholten Stromsperre ihren übermäßigen Stromverbrauch nicht reduziert hatte. Sie soll in einem Zeitraum von fünfeinhalb Monaten 8.493,00 kw/h Strom verbraucht haben. Aus diesem Grunde wollte der Stromversorger einen Abschlag in Höhe von 444,- € im Monat haben.

Wer als Hartz IV-Empfänger von einer Stromsperre bedroht ist, sollte sich unverzüglich mit seinem Jobcenter in Verbindung setzen. Diese dürfen die Gewährung eines Darlehens nicht einfach ohne Angabe von triftigen Gründen vermeiden. Aus diesem Grunde hat in einem anderen Fall das Landessozialgericht NRW ein Jobcenter zur Gewährung eines Darlehens per einstweiliger Anordnung verpflichtet (Beschluss vom 13.05.2013, Az.: L 2 AS 313/13 B ER). Sie sollten allerdings einen verschwenderischen Umgang mit Strom vermeiden. Für einen hohen Stromverbrauch sollten handfeste Gründe angeführt werden können. Unter Umständen kann der Stromversorger durch einstweilige Anordnung zur Weiterbelieferung mit Strom verpflichtet werden.

Quelle: Fachanwalt.de

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