Arbeitsrecht

Mutterschutz nach Fehlgeburt: Frauen scheitern mit Verfassungsbeschwerde

Zuletzt bearbeitet am: 24.10.2024

Mit einem aktuellen Beschluss vom 21. August 2024 hat die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde mehrerer Frauen, die Mutterschutz nach Fehlgeburt forderten, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Frauen hatten eine Fehlgeburt zwischen der 12. und der 24. Schwangerschaftswoche erlitten und forderten den gleichen Mutterschutz, der Frauen nach einer Entbindung gewährt wird. 

Hintergrund der Verfassungsbeschwerde bzgl. Mutterschutz nach Fehlgeburt

Die Beschwerdeführerinnen, angestellte oder verbeamtete Frauen, hatten eine Fehlgeburt nach der 12., aber vor der 24. Schwangerschaftswoche. Sie verlangten daraufhin die gleichen mutterschutzrechtlichen Regelungen, die für Frauen nach einer Entbindung gelten. Diese beinhalten Schutzfristen, während derer Frauen nicht beschäftigt werden dürfen und einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld haben. Bisher sieht das Mutterschutzgesetz diesen Schutz jedoch nur für Frauen vor, die ein Kind nach der 24. Schwangerschaftswoche oder mit einem Gewicht von mehr als 500 Gramm zur Welt bringen. Das Bundesarbeitsgericht hatte bisher im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs "Entbindung" auf die Regelungen der Personenstandsverordnung Bezug genommen, wonach eine Fehlgeburt nicht als "Entbindung" im Sinne des Gesetzes gilt.

Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Annahme der Verfassungsbeschwerde ab, weil die gesetzliche Einreichungsfrist nicht eingehalten wurde und der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt war. Die Beschwerdeführerinnen hätten zunächst den Rechtsweg vor den Sozial- oder Arbeitsgerichten ausschöpfen müssen, bevor sie Verfassungsbeschwerde einlegen konnten. Darüber hinaus wurde betont, dass die Frauen ihre Ansprüche auf Mutterschaftsgeld und Beschäftigungsverbote auch vor den Fachgerichten hätten geltend machen können.

Das Gericht stellte zudem klar, dass der Begriff "Entbindung" im Zusammenhang mit den gesetzlichen Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes bisher nicht durch den Gesetzgeber konkretisiert wurde. Vielmehr wurde der Begriff auf Grundlage der Personenstandsverordnung interpretiert, was im Zusammenhang mit den mutterschutzrechtlichen Schutzfristen jedoch nicht immer als sachgerecht angesehen wurde. Diese unklare Rechtslage trägt zu der aktuellen Situation bei, in der Frauen nach einer Fehlgeburt keinen Mutterschutz beanspruchen können, sofern bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) sieht Schutzfristen für Frauen nach einer "Entbindung" vor. Nach der bisherigen Rechtsprechung wird jedoch eine Fehlgeburt vor der 24. Schwangerschaftswoche oder bei einem Geburtsgewicht unter 500 Gramm nicht als "Entbindung" gewertet. Diese Auslegung führt dazu, dass Frauen, die eine Fehlgeburt in dieser Zeitspanne erleiden, von den mutterschutzrechtlichen Regelungen ausgeschlossen sind. Die Beschwerdeführerinnen argumentierten, dass diese Regelung eine Ungleichbehandlung darstelle und somit verfassungswidrig sei.

Mutterschutz nach Fehlgeburt: Expertenmeinungen und gesellschaftliche Diskussion

In der Gesellschaft und unter Fachleuten wird der aktuelle Beschluss des Bundesverfassungsgerichts kritisch betrachtet. Viele Stimmen fordern eine Reform des Mutterschutzgesetzes, um Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, besser zu unterstützen. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass das Gesetz derzeit nicht ausreichend die psychischen und physischen Belastungen berücksichtigt, die mit einer Fehlgeburt einhergehen. 

Fachanwalt.de-Tipp: Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, sollten sich im Falle einer Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt oder einer Ärztin eine entsprechende Bescheinigung ausstellen lassen. Diese Bescheinigung ermöglicht es, zumindest eine gewisse Zeit der Erholung ohne Arbeitsverpflichtung zu gewähren. Zudem kann es sinnvoll sein, sich rechtlichen Rat einzuholen, um alle möglichen Ansprüche, beispielsweise auf Mutterschaftsgeld oder Zuschüsse, zu prüfen und gegebenenfalls durchzusetzen.

Zusammenfassung

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde mehrerer Frauen nach einer Fehlgeburt abgelehnt, da sie nicht fristgerecht eingereicht und damit der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt wurde. Damit bleibt der aktuelle rechtliche Rahmen des Mutterschutzgesetzes unverändert. Es bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber zukünftig auf die gesellschaftlichen Forderungen nach einer Anpassung der Regelungen reagieren wird.

Symbolgrafik:© U. J. Alexander - stock.adobe.com

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