Transportrecht und Speditionsrecht

Neue Urteile des Landgerichts Frankfurt im Reiserecht: Minderung, Schadensersatz und Verkehrssicherungspflicht.

Zuletzt bearbeitet am: 02.09.2024

Das Landgericht Frankfurt am Main hat in jüngster Zeit mehrere wegweisende Urteile im Reiserecht gefällt, die für Reisende und Reiseveranstalter von großer Bedeutung sind. Die Entscheidungen betreffen eine Vielzahl von Problemen, von unvorhergesehenen Änderungen im Reiseverlauf bis hin zu Fehlinformationen durch Fluggesellschaften und Sicherheitsfragen in Hotels. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Urteile und deren Konsequenzen.

1. Schiffsreise in Schottland: Anspruch auf Reisepreisminderung bei Wegfall wesentlicher Programmpunkte

In einem aufsehenerregenden Fall (Az.: 2-24 O 564/23) entschied die Reiserechtskammer des Landgerichts Frankfurt am Main zugunsten eines Ehepaars, das eine elftägige Schiffsreise „Das Herz der schottischen Highlands“ für rund 13.000 Euro gebucht hatte. Aufgrund von Reparaturen an der Gairlochy-Swing-Brücke konnte der Kaledonische Kanal nicht befahren werden, was dazu führte, dass das Schiff im Hafen von Corpach verbleiben musste und geplante Besichtigungen ausfielen. Das Ehepaar forderte eine Minderung des Reisepreises, da wesentliche Programmpunkte und der Erlebniswert der Reise erheblich beeinträchtigt waren.

Die Reiserechtskammer gewährte eine Minderung von 25 % des Gesamtreisepreises, etwa 3.300 Euro, mit der Begründung, dass zwei Drittel der Schiffstage nicht den Charakter einer Schiffsreise hatten, sondern das Schiff lediglich als „schwimmendes Hotel“ diente. Gemäß § 651m BGB ist für eine Reisepreisminderung kein Verschulden des Reiseveranstalters erforderlich. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

2. Fehlinformation durch Flug-Hotline: Erstattung der Ersatztickets trotz organisierter Ersatzflüge

Ein weiterer Fall betraf drei Personen, die für August 2022 Flüge von Shiraz nach Doha und weiter nach Frankfurt gebucht hatten (Az.: 2-24 O 82/23). Als sie am Flughafen ankamen, mussten sie erfahren, dass der Flug bereits fünf Tage zuvor annulliert worden war. Die Fluggesellschaft hatte zwar Ersatzflüge organisiert, jedoch informierte eine Callcenter-Mitarbeiterin die Reisenden fälschlicherweise, dass keine Ersatzflüge verfügbar seien und sie sich selbst um die Rückkehr kümmern müssten.

Das Landgericht Frankfurt am Main entschied, dass die Fluggesellschaft die Kosten für die Ersatztickets in Höhe von knapp 15.000 Euro erstatten muss. Die fehlerhafte Auskunft der Callcenter-Mitarbeiterin sei der Fluggesellschaft zuzurechnen. Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig; es wurde Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingelegt (Az.: 16 U 89/24).

3. Verkehrssicherungspflicht in ägyptischem Hotel: Kein Anspruch auf Schmerzensgeld

In einem Fall, in dem eine Reisende in einem Hotel in Hurghada stürzte und einen dreifachen Sprunggelenkbruch erlitt, entschied die Reiserechtskammer, dass weder der Hotelbetreiber noch der Reiseveranstalter ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben (Az.: 2-24 O 162/20). Die Klägerin verlangte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 Euro, da sie aufgrund der hellen Fliesen und spärlichen Beleuchtung eine Stufe übersehen hatte.

Das Gericht wies die Klage ab, da in Ägypten keine spezifischen Bauvorschriften oder Sicherheitsstandards für solche Fälle existieren und das Hotel seit 2007 eine Betriebslizenz besitzt, die auch die Innenausstattung umfasst. Die Entscheidung ist rechtskräftig, und die Parteien einigten sich in einem Berufungsverfahren auf einen Vergleich (Az.: 16 U 21/23).

4. Toilettenpausen auf Busreise nach Polen: Keine Pflichtverletzung des Reiseveranstalters

Ein Kläger, der eine Busreise nach Polen gebucht hatte, klagte auf Erstattung von Kosten und Schmerzensgeld, da er während der Fahrt unter quälendem Harndrang gelitten habe und anschließend gesundheitliche Probleme auftraten (Az.: 2-24 O 62/21). Der Bus geriet in Staus, und es gab längere Zeit keine Toilettenpause. Der Kläger wurde in einem deutschen Krankenhaus behandelt und verlangte eine Erstattung der Reisekosten sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 3.000 Euro.

Die Reiserechtskammer wies die Klage ab, da sie nach Zeugenaussagen nicht überzeugt war, dass es tatsächlich vier Stunden bis zur Öffnung der Bustoilette gedauert hatte. Zudem habe der Kläger sein Unwohlsein nicht dem Busfahrer mitgeteilt, und die Staus seien als allgemeines Lebensrisiko einer Busfahrt zu betrachten. Das Urteil ist rechtskräftig, jedoch wurde auch hier Berufung eingelegt (Az.: 16 U 120/23).

Anwaltstipp: Prüfen Sie Ihre Rechte bei Reisemängeln gründlich

Reisende sollten sich bei Problemen während einer Reise stets ihrer Rechte bewusst sein und diese auch geltend machen. Es ist wichtig, die Umstände der Reise genau zu dokumentieren und bei Mängeln unverzüglich den Reiseveranstalter oder Anbieter zu kontaktieren. Anwälte raten, sich nicht nur auf telefonische Auskünfte zu verlassen, sondern diese immer schriftlich bestätigen zu lassen. In Fällen von Reisepreisminderung oder Schadensersatzansprüchen kann eine rechtzeitige und korrekte Vorgehensweise entscheidend sein.

(se)

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Transportrecht und Speditionsrecht Bei Flugverspätung keine Kostenerstattung für „Aperol Spritz“

Hannover (jur). Fluggäste können sich bei einer Verspätung des Fliegers nicht auf Kosten der Fluggesellschaft mit alkoholhaltigen Getränken „erfrischen“. Im Falle einer Annullierung oder großen Verspätung können Reisende zwar „Mahlzeiten und Erfrischungen in angemessenem Verhältnis zur Wartezeit“ von dem Luftfahrtunternehmen erwarten, nicht aber alkoholhaltige Getränke wie „Aperol Spritz“, entschied das Amtsgericht Hannover in einem am Freitag, 14. April 2023 bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: 513 C 8538/22).  Die Kläger hatten einen Hinflug von Hannover über London nach Miami und einen Rückflug von Miami über New York und London nach ... weiter lesen

Transportrecht und Speditionsrecht Die Vorverlegung des Rückflugs um 10 Stunden kann den Reiseveranstalter zum Schadensersatz verpflichten

Der Lebensgefährte der Klägerin buchte im Februar 2009 für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 369 € pro Person mit einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40 Uhr. In ihren in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen behielt sich die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, und wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, die auf Leistungsstörungen beruhen, ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag ... weiter lesen

Transportrecht und Speditionsrecht Kündigung eines Reisevertrages wegen Aschewolke

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Reisevertrag über eine Kreuzfahrt wegen höherer Gewalt gekündigt werden darf, wenn die Flugverbindungen zum Ausgangspunkt der Kreuzfahrt wegen eines behördlich angeordneten Flugverbots ausgefallen sind.   Der Kläger buchte über ein Reisebüro der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Karibikkreuzfahrt, die von der am Verfahren beteiligten Streithelferin veranstaltet wurde und am 19. April 2010 in Fort Lauderdale/USA beginnen sollte. Die Hin- und Rückflüge sowie weitere Leistungen buchte er ... weiter lesen

Transportrecht und Speditionsrecht Reiseveranstalter dürfen Flugzeiten nicht einseitig ändern

Düsseldorf/Hannover (jur). Reiseveranstalter dürfen die zugesagten Flugzeiten nicht ohne wichtigen Grund einseitig ändern. Das haben die Landgerichte Düsseldorf (Az.: 12 O 223/11 und 12 O 224/11) und Hannover (Az.: 18 O 79/11) entschieden, wie am Donnerstag, 9. August 2012, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Berlin mitteilte. Die Urteile sind allerdings noch nicht rechtskräftig. Nach den vom vzbv auch im Volltext veröffentlichten Urteilen kippte das Landgericht Düsseldorf mit Urteilen vom 4. Juli 2012 Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Veranstalter Schauinsland-Reisen und Alltours. Das Landgericht Hannover ... weiter lesen

Ihre Spezialisten