Inhaltsverzeichnis
- 1. Schiffsreise in Schottland: Anspruch auf Reisepreisminderung bei Wegfall wesentlicher Programmpunkte
- 2. Fehlinformation durch Flug-Hotline: Erstattung der Ersatztickets trotz organisierter Ersatzflüge
- 3. Verkehrssicherungspflicht in ägyptischem Hotel: Kein Anspruch auf Schmerzensgeld
- 4. Toilettenpausen auf Busreise nach Polen: Keine Pflichtverletzung des Reiseveranstalters
- Anwaltstipp: Prüfen Sie Ihre Rechte bei Reisemängeln gründlich
Das Landgericht Frankfurt am Main hat in jüngster Zeit mehrere wegweisende Urteile im Reiserecht gefällt, die für Reisende und Reiseveranstalter von großer Bedeutung sind. Die Entscheidungen betreffen eine Vielzahl von Problemen, von unvorhergesehenen Änderungen im Reiseverlauf bis hin zu Fehlinformationen durch Fluggesellschaften und Sicherheitsfragen in Hotels. Im Folgenden geben wir einen Überblick über die wichtigsten Urteile und deren Konsequenzen.
1. Schiffsreise in Schottland: Anspruch auf Reisepreisminderung bei Wegfall wesentlicher Programmpunkte
In einem aufsehenerregenden Fall (Az.: 2-24 O 564/23) entschied die Reiserechtskammer des Landgerichts Frankfurt am Main zugunsten eines Ehepaars, das eine elftägige Schiffsreise „Das Herz der schottischen Highlands“ für rund 13.000 Euro gebucht hatte. Aufgrund von Reparaturen an der Gairlochy-Swing-Brücke konnte der Kaledonische Kanal nicht befahren werden, was dazu führte, dass das Schiff im Hafen von Corpach verbleiben musste und geplante Besichtigungen ausfielen. Das Ehepaar forderte eine Minderung des Reisepreises, da wesentliche Programmpunkte und der Erlebniswert der Reise erheblich beeinträchtigt waren.
Die Reiserechtskammer gewährte eine Minderung von 25 % des Gesamtreisepreises, etwa 3.300 Euro, mit der Begründung, dass zwei Drittel der Schiffstage nicht den Charakter einer Schiffsreise hatten, sondern das Schiff lediglich als „schwimmendes Hotel“ diente. Gemäß § 651m BGB ist für eine Reisepreisminderung kein Verschulden des Reiseveranstalters erforderlich. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
2. Fehlinformation durch Flug-Hotline: Erstattung der Ersatztickets trotz organisierter Ersatzflüge
Ein weiterer Fall betraf drei Personen, die für August 2022 Flüge von Shiraz nach Doha und weiter nach Frankfurt gebucht hatten (Az.: 2-24 O 82/23). Als sie am Flughafen ankamen, mussten sie erfahren, dass der Flug bereits fünf Tage zuvor annulliert worden war. Die Fluggesellschaft hatte zwar Ersatzflüge organisiert, jedoch informierte eine Callcenter-Mitarbeiterin die Reisenden fälschlicherweise, dass keine Ersatzflüge verfügbar seien und sie sich selbst um die Rückkehr kümmern müssten.
Das Landgericht Frankfurt am Main entschied, dass die Fluggesellschaft die Kosten für die Ersatztickets in Höhe von knapp 15.000 Euro erstatten muss. Die fehlerhafte Auskunft der Callcenter-Mitarbeiterin sei der Fluggesellschaft zuzurechnen. Das Urteil ist derzeit noch nicht rechtskräftig; es wurde Berufung beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main eingelegt (Az.: 16 U 89/24).
3. Verkehrssicherungspflicht in ägyptischem Hotel: Kein Anspruch auf Schmerzensgeld
In einem Fall, in dem eine Reisende in einem Hotel in Hurghada stürzte und einen dreifachen Sprunggelenkbruch erlitt, entschied die Reiserechtskammer, dass weder der Hotelbetreiber noch der Reiseveranstalter ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt haben (Az.: 2-24 O 162/20). Die Klägerin verlangte Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 30.000 Euro, da sie aufgrund der hellen Fliesen und spärlichen Beleuchtung eine Stufe übersehen hatte.
Das Gericht wies die Klage ab, da in Ägypten keine spezifischen Bauvorschriften oder Sicherheitsstandards für solche Fälle existieren und das Hotel seit 2007 eine Betriebslizenz besitzt, die auch die Innenausstattung umfasst. Die Entscheidung ist rechtskräftig, und die Parteien einigten sich in einem Berufungsverfahren auf einen Vergleich (Az.: 16 U 21/23).
4. Toilettenpausen auf Busreise nach Polen: Keine Pflichtverletzung des Reiseveranstalters
Ein Kläger, der eine Busreise nach Polen gebucht hatte, klagte auf Erstattung von Kosten und Schmerzensgeld, da er während der Fahrt unter quälendem Harndrang gelitten habe und anschließend gesundheitliche Probleme auftraten (Az.: 2-24 O 62/21). Der Bus geriet in Staus, und es gab längere Zeit keine Toilettenpause. Der Kläger wurde in einem deutschen Krankenhaus behandelt und verlangte eine Erstattung der Reisekosten sowie ein Schmerzensgeld von mindestens 3.000 Euro.
Die Reiserechtskammer wies die Klage ab, da sie nach Zeugenaussagen nicht überzeugt war, dass es tatsächlich vier Stunden bis zur Öffnung der Bustoilette gedauert hatte. Zudem habe der Kläger sein Unwohlsein nicht dem Busfahrer mitgeteilt, und die Staus seien als allgemeines Lebensrisiko einer Busfahrt zu betrachten. Das Urteil ist rechtskräftig, jedoch wurde auch hier Berufung eingelegt (Az.: 16 U 120/23).
Anwaltstipp: Prüfen Sie Ihre Rechte bei Reisemängeln gründlich
Reisende sollten sich bei Problemen während einer Reise stets ihrer Rechte bewusst sein und diese auch geltend machen. Es ist wichtig, die Umstände der Reise genau zu dokumentieren und bei Mängeln unverzüglich den Reiseveranstalter oder Anbieter zu kontaktieren. Anwälte raten, sich nicht nur auf telefonische Auskünfte zu verlassen, sondern diese immer schriftlich bestätigen zu lassen. In Fällen von Reisepreisminderung oder Schadensersatzansprüchen kann eine rechtzeitige und korrekte Vorgehensweise entscheidend sein.
(se)