Erfurt. Ab dem ersten Krankheitstag kann der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats ein ärztliches Attest von einzelnen Mitarbeitern verlangen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem am Samstag, 25. Februar 2023 veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 ABR 5/22) entschieden, dass noch keine mitbestimmungspflichtige Regelhaftigkeit zur Attestauflage vorliegt, wenn der Arbeitgeber in einigen Fällen in seiner Anordnung dieselbe Formulierung verwendet. Die Richter in Erfurt haben damit ihre bisherige Rechtsprechung bekräftigt.
Arbeitnehmer, die länger als drei Tage arbeitsunfähig erkrankt sind, sind nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verpflichtet, ihrem Arbeitgeber eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit vorzulegen. Arbeitgeber können aber auch die vorzeitige Vorlage von Nachweisen verlangen.
Der hier vorliegende Rechtsstreit betrifft ein Unternehmen, das krankenhausnahe Dienstleistungen erbringt und 1.175 Mitarbeiter beschäftigt. Seit 2018 hat der Arbeitgeber über einen Zeitraum von fast drei Jahren insgesamt von 17 Mitarbeitern, die häufig unter kurzfristigen Erkrankungen litten, vom ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit an ärztliche Atteste verlangt. Dabei hatte die schriftliche Anordnung denselben Wortlaut.
Der Betriebsrat verlangte die Unterlassung der Anordung.
Der Betriebsrat sah sich dadurch in seinem Mitbestimmungsrecht verletzt und verlangte die Unterlassung dieser Anordnung, da es sich hier um eine Maßnahme handele, die die Arbeitnehmer in ihrem Ordnungsverhalten betreffe. Mit der gleichlautenden Anordnung zur Vorlage eines ärztlichen Attestes habe der Arbeitgeber eine für alle im Betrieb geltende Regel aufgestellt. Das heißt, es gebe „kollektiven Bezug“, durch den ein Mitbestimmungsrecht begründet sei.
Das BAG hat den Betriebsrat mit seinem Beschluss vom 15. November 2022 jedoch abgewiesen. Die Richter in Erfurt entschieden, dass das Verlangen des Arbeitgebers von einem Nachweis zur Arbeitsunfähigkeit in einer bestimmten Form und ggf. auch in einer bestimmten Frist zwar grundsätzlich das Ordnungsverlangen der Arbeitnehmer betreffe, nicht aber das - mitbestimmungsfreie - Arbeitsverhalten.
Zur Mitbestimmung des Betriebsrates müssen die Anordungen "regelhaft" erfolgen.
Die entsprechenden Weisungen vom Arbeitgeber müssten allerdings auch „regelhaft“ erfolgen. Der Arbeitgeber könne im Einzelfall bereits vor dem vierten Krankheitstag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlangen. Hierfür bedürfen es keines sachlichen Grundes.
Es liege hier jedoch durch die gleichlautende Anordnung des Arbeitgebers jedoch noch keine Regelhaftigkeit vor, die dann zu einer Mitbestimmungspflicht beim Betriebsrat führe.
Denn der Arbeitgeber, der mehr als 1.000 Beschäftigte hat, habe in knapp drei Jahren nur 17 Mitarbeitern gegenüber entsprechende Anordnungen erteilt. Schon diese sehr geringe Zahl deute darauf hin, dass hier nur konkrete Einzelfallentscheidungen vorgelegen haben, die nicht einer bestimmten Regelhaftigkeit gefolgt sind, führten die Richter in ihrem Beschluss weiter aus. Die „Attestauflagen“ seien immer in Abstimmung mit dem jeweiligen Fachvorgesetzten sowie dem Personalleiter erfolgt. Dies sei ein weiterer Hinweis auf die Entscheidungen im Einzelfall.
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