Sozialrecht

Nur „zusätzliche“ Nachtzuschläge sind von Sozialbeiträgen befreit

Zuletzt bearbeitet am: 27.07.2024

Kassel (jur). Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit sind nur dann von Sozialbeiträgen befreit, wenn sie klar auf den Grundlohn bezogen berechnet sind. Das hat am Mittwoch, 7. Mai 2014, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel klargestellt (Az.: B 12 R 18/11 R). Danach werden Sozialbeiträge fällig, wenn der Arbeitnehmer durch Verrechnung mit einem variablen Grundlohn in der Summe immer Anspruch auf denselben Stundensatz hat.

Eine entsprechende Buchhaltungs-Software wird nach Angaben ihres Herstellers bundesweit von weit über 300 Arbeitgebern genutzt, insbesondere in der Gastronomie. Der gleichbleibende Gesamtlohn soll vermeiden, dass Arbeitnehmer wegen der besseren Bezahlung in die Sonntags- und Nachtstunden drängen.

Konkret verdiente ein Koch in München 2003 einen „Grundlohn“ von sieben Euro. Dieser wurde aber immer so aufgestockt, dass er zusammen mit den sogenannten SFN-Zuschlägen für Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeit stets 7,47 Euro pro Stunde ausbezahlt bekam. Nur bei besonders vielen SFN-Schichten zahlten sich diese extra aus und führten zu zusätzlichem Lohn oder Ausgleich durch freie Tage.

Nach einer Betriebsprüfung hat die Rentenversicherung dieses Vorgehen beanstandet. Die Zuschläge würden nicht wie vom Gesetz verlangt „zusätzlich“ gezahlt, nur dann seien sie aber in der Sozialversicherung beitragsfrei. Ihr Zweck, einen Ausgleich für ungünstig gelegene Arbeitszeiten zu schaffen, werde unterlaufen.

Letztendlich verlangten die Sozialversicherungsträger von der Gaststätte Beiträge für den vollen ausgezahlten Stundensatz von 7,47 Euro, ohne zu berücksichtigen, dass mit diesem Betrag auch beitragsfreie SFN-Zuschläge abgegolten sein sollten. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München hat dies bestätigt.

Wie nun das BSG entschied, trägt das LSG-Urteil jedenfalls im Ergebnis dann, wenn der Koch tatsächlich einen festen und einklagbaren Anspruch auf einen Stundenlohn von 7,47 Euro hatte, unabhängig davon, wie viele Stunden auf Sonn- und Feiertage oder auf die Nacht entfallen. Denn dann würden die Zuschläge nicht, wie vom Gesetz verlangt, „zusätzlich zu dem laufenden Arbeitslohn“ gezahlt. Dies soll nun das LSG nochmals prüfen.

Insgesamt zeigten sich die Kasseler Richter unzufrieden mit den Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz. Sie bekräftigten daher, dass die Sozialbeiträge immer in zwei Stufen zu ermitteln seien. Zunächst sei zu klären, welchen Grundlohn der Arbeitnehmer bekommen hat und gegebenenfalls auch, ob er nach Gesetz, Tarif oder auch dem Arbeitsvertrag höhere Lohnansprüche hatte. Nach dem sozialrechtlichen „Entstehungsprinzip“ sei letztlich der rechtliche Lohnanspruch entscheidend, auch wenn dieser nicht voll ausbezahlt wurde.

Erst in der zweiten Stufe könnten dann auf den Lohn oder Lohnanspruch die Sozialbeiträge berechnet werden. Erst dann stelle sich daher auch die Frage, in welchem Umfang Zuschläge von der Beitragsbemessung ausgenommen sind. Dies sei nur bei SFN-Zuschlägen der Fall, die von der Lohnsteuer befreit sind und „zusätzlich“ ausbezahlt wurden.

Im Fall eines Autohofs in Baden-Württemberg hatte 2010 der Bundesfinanzhof (BFH) in München die umstrittene Lohnbuchhaltungs-Sofware steuerrechtlich als „eine zulässige Gestaltungsform in Ausnutzung der rechtlichen Möglichkeiten“ gewertet; die Grenze zum Gestaltungsmissbrauch sei noch nicht überschritten (Urteil vom 17. Juni 2010, Az.: VI R 50/09).

Auch wenn man von einem gewissen „Gleichklang“ von Sozial- und Steuerrecht ausgehe, müssten dem die Sozialgerichte nicht zwingend folgen, betonte hierzu das BSG. Denn Steuern und Sozialbeiträge würden nach verschiedenen rechtlichen Grundsätzen erhoben.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik: © Gina Sanders - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht Sozialgericht Aachen: Reha-Karre für soziale Teilhabe

Das Sozialgericht Aachen entschied unter dem Aktenzeichen S 19 SO 112/23 , dass eine schwerbehinderte Frau Anspruch auf eine "Reha-Karre" hat. Das Urteil betont die Bedeutung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Teilhabe an Freizeitaktivitäten gefordert Die 36-jährige Klägerin, die an spastischer Tetraparese und Tetraplegie leidet, klagte vor dem Sozialgericht Aachen auf die Bewilligung einer "Reha-Karre", einem speziellen Fahrradanhänger für behinderte Erwachsene. Ihre Familie und Freunde unternehmen regelmäßig Fahrradausflüge, an denen die Klägerin ohne diese spezielle Vorrichtung nicht teilnehmen kann. Die Mutter der Klägerin ... weiter lesen

Sozialrecht Bundessozialgericht: Arbeitsunfall trotz privater Fahrt möglich

Das Bundessozialgericht (Az. B 2 U 15/22 R ) hat entschieden, dass ein Arbeitsunfall vorliegen kann, wenn nach einem privaten Ausflug Arbeitsschlüssel abgeholt werden. Unfall nach privatem Ausflug auf dem Weg zur Arbeit Die Klägerin hatte nach einem privaten Wochenendausflug einen Unfall, als sie auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung war. In der Wohnung befanden sich Arbeitsschlüssel und Unterlagen, die sie vor Arbeitsantritt bei der Eröffnung eines Gemeindezentrums benötigte. Auf diesem Weg verunglückte sie mit ihrem Auto schwer, nur wenige Kilometer von ihrem Wohnort entfernt. Zuvor war sie für ein Wochenende privat unterwegs und wollte die ... weiter lesen

Sozialrecht Verwaltungsgericht Berlin erkennt tödlichen Wespenstich als Dienstunfall an

Ein Lehrer starb nach einem Wespenstich bei einer dienstlichen Veranstaltung. Das Verwaltungsgericht Berlin entschied, dass dies als Dienstunfall gilt (Az.: VG 7 K 394/23 ) . Tödlicher Wespenstich bei Lehrertreffen: Senatsverwaltung verweigert Anerkennung als Dienstunfall Der verstorbene Lehrer, der als Beamter in Berlin tätig war, nahm an einem Arbeitstreffen in einem Ruder-Club teil. Es handelte sich um den letzten Tag der Sommerferien und das Treffen diente zur Vorbereitung des neuen Schuljahres. Der Lehrer wies seine Kollegen darauf hin, dass er gegen Wespenstiche allergisch sei und ausgerechnet an diesem Tag sein Notfallmedikament nicht dabei habe. Kurz nach ... weiter lesen

Sozialrecht BSG-Urteil: Pflegebedürftige Heimbewohner erhalten Anspruch auf kostenlosen ÖPNV

Das Bundessozialgericht (Az.: B 9 SO 14/23 R ) hat entschieden, dass Heimbewohner, die Hilfe zur Pflege beziehen und schwerbehindert sind, Anspruch auf unentgeltliche Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) haben. Schwerbehinderte Heimbewohnerin fordert Erstattung von ÖPNV-Kosten Die Klägerin, eine schwerbehinderte Bewohnerin eines Pflegeheims, erfüllte aufgrund ihrer Mobilitätseinschränkungen und dem Merkzeichen G die Voraussetzungen für die kostenfreie Nutzung des ÖPNV. Obwohl sie über eigenes Einkommen verfügte, reichte dieses nach Abzug der Heimkosten nicht aus, um ihren Lebensunterhalt vollständig zu sichern.Der Sozialhilfeträger übernahm ... weiter lesen

Ihre Spezialisten