Arbeitsrecht

Öffentliche Dienststellen müssen vor Mobbing schützen

Zuletzt bearbeitet am: 30.03.2023

Leipzig (jur). Kommunen und andere öffentliche Dienststellen müssen gegen Mobbing vorgehen. Tun sie dies nicht, können Beamte Anspruch auf Schadenersatz haben, urteilte am Dienstag, 28. März 2023, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 2 C 6.2). Maßgeblich ist danach eine Gesamtschau der Geschehnisse. 

Die Klägerin arbeitete seit 2007 als Stadtverwaltungsoberrätin im höheren Dienst der Stadt Naumburg (Saale) in Sachsen-Anhalt. Dort leitete sie den Fachbereich „Bürgerdienste, Recht und Ordnung“. Der im Mai 2014 wiedergewählte Oberbürgermeister verfügte im Juli 2014 eine Neuorganisation der Verwaltung. Dabei wurden die früher vier Fachbereiche in nunmehr drei Fachbereichen zusammengefasst. 

Im Zuge dieser Neuorganisation musste die Klägerin ihren Posten als Fachbereichsleiterin aufgeben und wurde auf die neu gebildete „Stabsstelle Recht‘ umgesetzt. Nach einem später ergangenen und rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts Halle entsprach dies nicht mehr dem Niveau und der Verantwortung ihrer früheren Arbeit. Zudem war ihr zunächst ein Dienstzimmer im Dachgeschoss eines Seitentrakts zugewiesen worden. Wegen arbeitsschutzrechtlicher Bedenken gegen die dorthin führende „steile Treppe“ bekam sie später aber ein anderes Zimmer. 

Weil die Klägerin nach ihrer Umsetzung länger krank war, gab der Personalrat der Stadtverwaltung im Dezember 2015 eine Pressemitteilung heraus und warf der Klägerin vor, sie habe sich „über Monate bei voller Besoldung als Chefjuristin der Verwaltung in ‚Krankheit‘“ geflüchtet. 

All dies wertete die Klägerin als Mobbing und verlangt Schadenersatz. Der Oberbürgermeister habe ihr gegenüber auch eingeräumt, im Rahmen seines Wahlkampfs im Frühjahr 2014 das Vertrauen in sie verloren zu haben. 

Ihre Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht Halle Erfolg, das Oberverwaltungsgericht (OVG) Magdeburg wies sie jedoch ab. Das Bundesverwaltungsgericht hob dieses Urteil nun auf und verwies den Streit zur erneuten Prüfung an das OVG zurück. 

Zur Begründung erklärten die Leipziger Richter, es gehöre zur Fürsorgepflicht öffentlicher Dienstherren, Beamte gegen systematisches Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren zu schützen. Das gelte insbesondere bei solchem Verhalten durch Vorgesetzte. 

Hier sei das OVG von einem fehlerhaften rechtlichen Maßstab des Begriffs „Mobbing“ ausgegangen und habe zu sehr auf die einzelnen Ereignisse abgestellt. Die Besonderheit des Mobbings liege aber gerade darin, „dass die Zusammenschau mehrerer Einzelakte zur Annahme einer Fürsorgepflichtverletzung führen kann, auch wenn die jeweiligen Einzelmaßnahmen für sich betrachtet nicht zu beanstanden oder jedenfalls nicht von ausreichender Intensität sind“. Diese notwendige „Gesamtschau“ habe das OVG unterlassen. 

Zudem habe das OVG fehlerhaft nicht geprüft, ob der Oberbürgermeister von der Pressemitteilung des Betriebsrats wusste. Auch die gesundheitlichen Auswirkungen der amtsunangemessenen Beschäftigung der Klägerin seien offengeblieben, weil das OVG aufgrund fehlerhafter Maßstäbe hierzu kein Sachverständigengutachten eingeholt habe. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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