Erfurt (jur). Eine mündliche Gerichtsverhandlung in einem Arbeitsrechtsstreit muss für die Öffentlichkeit auch wirklich zugänglich sein. Es ist nicht zulässig, wenn wegen der Corona-Pandemie die erlaubte Personenzahl im Gerichtssaal so stark verringert wird, dass nur noch die Verfahrensbeteiligten, nicht aber beliebige Zuhörerinnen und Zuhörer Zugang finden, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Samstag, 12. März 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 2 AZN 629/21). Zur Kontrolle der Justiz und zur Verfahrensfairness könne bei einer mündlichen Verhandlung im arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes verzichtet werden.
Konkret ging es um eine mündliche Verhandlung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Hamburg am 31. Mai 2021. Nach Absprache mit den Gesundheitsbehörden hatte die Gerichtsverwaltung wegen der Corona-Pandemie die zulässige Personenzahl im Gerichtssaal stark reduziert. Neben den drei Richtern waren zusätzlich höchstens sieben weitere Personen im Saal erlaubt.
Die zur Verfügung stehenden Plätze wurden daraufhin vollständig von den Verfahrensbeteiligten in Anspruch genommen. Die Öffentlichkeit erhielt damit keinen Zugang zur Gerichtsverhandlung.
Doch dieses Vorgehen war nicht zulässig, entschied das BAG am 2. März 2022 und verwies den Rechtsstreit mit seinem Streitwert von über 323.000 Euro an das LAG zurück. Werde im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine mündliche Verhandlung angesetzt, könne auf die Einhaltung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht verzichtet werden. Danach müsse jedermann grundsätzlich „nach Maßgabe des tatsächlich verfügbaren Raums“ der Zutritt zur Verhandlung ermöglicht werden.
Die Öffentlichkeit könne aber nicht so viele Plätze beanspruchen, wie Interessenten kommen. Auch dürfe die Zuhörerzahl im Zuge der Pandemiebekämpfung reduziert werden. Es müssten aber beliebige Zuhörer Platz finden können. Auch ein einziger Platz sei zu wenig und führe zu einem faktischen Ausschluss der Öffentlichkeit. Hier habe aber selbst ein einziger Zuhörer keinen Zutritt erhalten können.
Der Grundsatz der öffentlichen mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme diene der öffentlichen Kontrolle und solle eine „Geheimjustiz“ verhindern, betonte das BAG. Auf diese Weise sollen „sachfremde, ‚das Licht der Öffentlichkeit scheuende‘ Umstände“ „keinen Einfluss auf das Gericht und dessen Urteil gewinnen können“. So werde nicht nur eine Kontrolle, sondern auch eine Verfahrensfairness gewährleistet.
Wegen der hier vorliegenden Missachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes liege ein absoluter Revisionsgrund vor, so dass das Verfahren neu verhandelt werden müsse.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock