Leipzig. Selbst bei geöffneten Fenstern bleibt eine nichtöffentliche Gerichtsverhandlung nichtöffentlich. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 7. Februar 2023 entschieden hat, wird durch das Lüften grundsätzlich kein Verfahrensmangel begründet (Az.: 2 WD 20.21).
Der streitige Fall betraf einen Soldaten, dem seine Bezüge gekürzt werden sollten, weil er eine Soldatin unter seinem Kommando verbal sexuell belästigt haben soll. Darüber verhandelte das Truppendienstgericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit und hob die Bezügekürzung auf.
Die Wehrdisziplinaranwaltschaft legte gegen die Entscheidung Berufung ein. Abgesehen von den inhaltlichen Rügen behauptete sie auch, dass die Hauptverhandlung nicht durchweg nichtöffentlich gewesen sei. Nachdem aufgrund der Covid-19-Pandemie die Verhandlung für eine Lüftungspause unterbrochen wurde, wurde die Verhandlung dann bei offenen Fenstern fortgesetzt, bis der Verteidiger darauf aufmerksam gemacht habe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein Teil der Hauptverhandlung draußen mitverfolgt worden sei.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nun hierzu erklärt, dass es dahinstehen könne, ob Passanten einen Teil der Verhandlung mitverfolgen konnten oder ob sie dieser auch gefolgt sind. " Denn darin läge kein schwerer Verfahrensfehler, auf den das Urteil des Truppendienstgerichts beruhen könnte."
Die Richter in Leipzig erklärten zur Begründung, dass bei Verfahren vor den Wehrdienstgerichten die Nichtöffentlichkeit dem Schutz der Beschuldigten sowie den dienstlichen Belangen diene. Die Interessen des Soldaten oder das Ansehen der Bundeswehr könnten zwar durch zufälliges Bekanntwerden von einzelnen Ausschnitten des Prozessgeschehens beeinträchtigt werden.
„Damit ist aber regelmäßig keine Beeinträchtigung der Rechtmäßigkeit der Beweisaufnahme oder der richterlichen Entscheidungsfindung verbunden“, heißt es im Urteil vom 10. November 2022, das jetzt schriftlich veröffentlicht wurde. Die Tatsache, dass das Fenster vorübergehend offen war, könne nicht mehr geändert werden, eine Wiederholung des Verfahrens führe nur zu weiteren Verfahrensverzögerungen.
Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe (BGH) habe schon in den Jahren 1969 und 1989 entschieden, dass eine Verletzung der Vorschriften über den Ausschluss der Öffentlichkeit allenfalls ein "relativer Revisionsgrund" sei und nicht automatisch zu einer Aufhebung des Urteils führe (Urteil vom 17. Februar 1989, Az.: 2 StR 402/88).
Inhaltlich stellte das Bundesverwaltungsgericht jedoch fest, dass zumindest drei von den sieben vorgeworfenen anzüglichen Bemerkungen bewiesen seien. Dies Bemerkungen seien auch als sexuelle Belästigung einzustufen. Der Soldat habe damit gegen seine „Kameradschaftspflicht“ verstoßen. Außerdem habe er seine „Zurückhaltungspflicht“ als Vorgesetzter verletzt. Daher sei in diesem Fall eine Kürzung der Dienstbezüge um fünf Prozent für ein Jahr angemessen.
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