In einem wegweisenden Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) am 21. Dezember 2023 entschieden, dass die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes nicht zur Nichtigkeit eines Testaments führt. Dieses Urteil (Aktenzeichen 21 W 91/23) könnte bedeutende Implikationen für die Rechtspraxis im Erbrecht haben, insbesondere in Fällen, in denen medizinische Fachkräfte von ihren Patienten bedacht werden.
Hintergrund des Falles
Die Erblasserin hatte in ihrem letzten Testament aus dem Jahr 2021 ihren behandelnden Arzt als Miterben benannt. Dies führte zu einem Rechtsstreit, da ein anderer Miterbe das Testament aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen § 32 der Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (BO-Ä) anfocht. Diese Vorschrift untersagt Ärzten, Vorteile von Patienten anzunehmen, die die ärztliche Entscheidungsunabhängigkeit beeinflussen könnten. Das Nachlassgericht Kassel hatte in erster Instanz am 24. Mai 2023 unter dem Aktenzeichen 790 VI 3008/22 S beide Erbscheinsanträge abgelehnt, da es das Testament in Bezug auf die Erbeinsetzung des Arztes für teilnichtig erklärte.
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts
Das OLG Frankfurt kam zu dem Schluss, dass ein Verstoß des Arztes gegen § 32 BO-Ä nicht automatisch die Nichtigkeit der Erbeinsetzung nach sich zieht. Das Gericht betonte, dass die Regelung der Landesärztekammer sich primär an den Arzt richtet und keine Testierverbote für die Erblasser beinhaltet. Die Richter argumentierten weiter, dass eine solche Auslegung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 des Grundgesetzes geschützte Testierfreiheit darstellen würde. Das Gericht sah auch keine Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin, wodurch die Wirksamkeit des Testaments bestätigt wurde.
Mögliche Auswirkungen und weiterführende rechtliche Schritte
Dieses Urteil des OLG könnte richtungsweisend für ähnliche Fälle sein, in denen medizinisches Personal in Testamenten von Patienten bedacht wird. Da diese Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde, hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen. Dies gibt den Beteiligten die Möglichkeit, die Entscheidung auf einer höheren rechtlichen Ebene überprüfen zu lassen, was weitere Klarheit in der Auslegung solcher Sachverhalte bringen könnte.
Anwaltstipp
In Anbetracht dieser Entscheidung sollten Ärzte und andere medizinische Fachkräfte, die in Testamenten ihrer Patienten bedacht werden, sich rechtlich umfassend beraten lassen, insbesondere im Hinblick auf die berufsrechtlichen Vorschriften. Für Erblasser bedeutet das Urteil, dass sie ihre Testierfreiheit weitgehend behalten, allerdings sollten sie darauf achten, dass ihre Testamente nicht den Anschein von Beeinflussung oder Druck erwecken, um spätere rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden. Rechtsanwälte sollten in solchen Fällen eine sorgfältige Prüfung der Umstände der Testamentserrichtung empfehlen und gegebenenfalls die Testierfähigkeit durch unabhängige Gutachten bestätigen lassen.
(se)