Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat am 8. Juli 2024 entschieden, dass kein hinreichender Tatverdacht gegen Mitglieder einer WhatsApp-Gruppe vorliegt, die in dieser Gruppe verbotene Inhalte geteilt haben sollen. Das Gericht bestätigte die Entscheidung des Landgerichts, die Eröffnung des Hauptverfahrens abzulehnen, da das Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“ nicht erfüllt sei. Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (OLG Frankfurt a.M. v. 8.7.2024 - 1 Ws 171/23; 1 Ws 174-178/23).
Sachverhalt und Ermittlungen
Den Angeschuldigten, darunter fünf Polizeibeamte, wurde vorgeworfen, in der Zeit von Herbst 2014 bis Herbst 2018 in verschiedenen Chatgruppen Bild- und Videodateien mit verbotenen Inhalten verbreitet zu haben. Diese Inhalte sollen überwiegend Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen sowie volksverhetzende Inhalte enthalten haben. Der Fall konzentrierte sich insbesondere auf die WhatsApp-Gruppe „Itiotentreff“, in der innerhalb eines Jahres über 1.600 Nachrichten ausgetauscht worden waren.
Das Landgericht (LG) lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, wogegen die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegte. Diese hatte vor dem OLG jedoch keinen Erfolg. Das OLG entschied, dass die Entscheidung des Landgerichts nicht zu beanstanden sei, da kein hinreichender Tatverdacht bestehe.
Keine Strafbarkeit durch „Verbreiten“
Das OLG stellte klar, dass das Tatbestandsmerkmal des „Verbreitens“ bei den angeklagten Äußerungsdelikten nicht erfüllt sei. Das „Verbreiten“ setzt voraus, dass Inhalte in einer Weise weitergegeben werden, die sie einem größeren, unbestimmten Personenkreis zugänglich macht. In diesem Fall wurden die Inhalte jedoch in private, geschlossene Chatgruppen mit einem überschaubaren Personenkreis eingestellt, deren Mitglieder eng miteinander verbunden waren.
Ein „Verbreiten“ liegt weder in der Form der Mengen- noch der Kettenverbreitung vor. Es gab keine konkrete, durch tatsächliche Anhaltspunkte belegbare Gefahr, dass die Inhalte an eine unbestimmte Anzahl von Personen weitergegeben werden könnten und die Täter dies billigend in Kauf nahmen. Die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit fordert konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Empfänger den Inhalt weitergibt und der Übergeber dies billigend in Kauf nimmt. Daran mangelte es im vorliegenden Fall.
Dienstrechtliche Konsequenzen
Obwohl die strafrechtliche Verfolgung aufgrund des fehlenden Tatbestandsmerkmals des „Verbreitens“ nicht weiterverfolgt wird, äußerte das OLG erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue der im Polizeidienst tätigen Angeschuldigten. Die geteilten Inhalte, die menschenverachtend, rechtsextrem, gewaltverherrlichend, antisemitisch, ableistisch und rassistisch waren, erforderten dienstrechtliche Konsequenzen.
Den Angeschuldigten war bewusst, dass eine Weiterleitung der Inhalte insbesondere der nationalsozialistischen und ausländerfeindlichen Art dienstrechtliche Konsequenzen haben könnte. Der Zweck der Gruppe, der auch durch den Namen „Itiotentreff“ nahegelegt wurde, war es, durch das Einstellen schockierender Inhalte die Mitglieder der Gruppe zu belustigen.
Anwaltstipp
Die Entscheidung des OLG Frankfurt verdeutlicht die hohe Bedeutung der Abgrenzung zwischen privater und öffentlicher Kommunikation in strafrechtlicher Hinsicht. In privaten, geschlossenen Gruppen ist das „Verbreiten“ von strafrechtlich relevanten Inhalten nicht ohne weiteres gegeben. Wer jedoch in solchen Gruppen verbotene Inhalte teilt, sollte sich der möglichen dienstrechtlichen Konsequenzen bewusst sein. Es empfiehlt sich daher, stets vorsichtig mit der Verbreitung sensibler Inhalte umzugehen und die rechtlichen Grenzen zu beachten.
(WhatsApp-Symbolfoto)
(se)