Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 31.07.2024 (Az. 20 UF 85/24) die alleinige Entscheidungsbefugnis der Mutter über die kinder- und jugendpsychiatrische Behandlung ihres gemeinsamen Kindes bestätigt. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Medikation mit Methylphenidat als Maßnahme im Rahmen der Gesundheitssorge gemäß § 1628 BGB von erheblicher Bedeutung für das Kindeswohl ist. Der Beschluss unterstreicht die Notwendigkeit einer kontinuierlichen und einheitlichen Entscheidung im Interesse des Kindes, insbesondere bei Streitigkeiten zwischen den Eltern über die gesundheitliche Behandlung.
Uneinigkeit der Eltern über ADHS-Behandlung führt zu gerichtlicher Entscheidung
Die Eltern des Kindes A. konnten sich nicht über die psychiatrische Behandlung ihres Kindes einigen. Während die Mutter eine Weiterbehandlung und Höherdosierung der Medikation mit Methylphenidat bei ADHS befürwortete, bestand der Vater auf einer konservativen Dosierung und einer sukzessiven Zustimmung für die Behandlung. Das Amtsgericht Bruchsal hatte der Mutter bereits zuvor das alleinige Entscheidungsrecht übertragen, was das OLG Karlsruhe nun bestätigte. Nach § 1628 BGB kann das Familiengericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen, wenn sich die Eltern nicht einigen können und die Angelegenheit für das Kind von erheblicher Bedeutung ist.
Kontinuierliche Behandlung im Fokus des Kindeswohls
Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass die Durchführung einer kinder- und jugendpsychiatrischen Behandlung, insbesondere die Frage nach dem "Ob und Wie" der Medikation mit Methylphenidat, eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Bereich der Gesundheitssorge gemäß § 1628 Satz 1 BGB darstellt. Eine solche Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes, da sowohl die Chancen als auch die Risiken und möglichen Nebenwirkungen einer Medikation sorgfältig abgewogen werden müssen. Die Entscheidung des Gerichts zielte darauf ab, eine kontinuierliche fachärztliche Betreuung zu gewährleisten, was im Interesse des Kindeswohls als besser angesehen wurde.
Vater verzögert Behandlung und kritisiert Ärzte
Das Verhalten des Vaters während des Verfahrens wurde vom Gericht als hinderlich für eine kontinuierliche und effektive Behandlung des Kindes bewertet. Trotz mehrfacher fachärztlicher Empfehlungen zeigte sich der Vater ambivalent und verzögerte durch sein Verhalten die Behandlung des Kindes. Insbesondere die sukzessive Zustimmung zur Medikation alle drei Monate und die Infragestellung der ärztlichen Diagnosen führten letztlich dazu, dass die behandelnde Fachärztin die Behandlung abbrach. Das OLG Karlsruhe sah hierin einen erheblichen Nachteil für das Kindeswohl und bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts, der Mutter die alleinige Entscheidungsbefugnis zu übertragen.
Rechtliche Grundlage und Maßstab: Das Kindeswohl
Die rechtliche Grundlage der Entscheidung des OLG Karlsruhe liegt in § 1628 BGB, wonach das Familiengericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis übertragen kann, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge nicht einigen können. Maßgeblich für die Entscheidung war § 1697 a BGB, der das Kindeswohl in den Vordergrund stellt. Das Gericht betonte, dass das Kindeswohl nur dann gewahrt sei, wenn die medizinische Behandlung in der Hand des Elternteils liegt, der die notwendige Kontinuität und Kooperation mit den behandelnden Ärzten gewährleisten kann.
Anwaltstipp:
In Fällen, in denen Uneinigkeit zwischen den Eltern über wesentliche Entscheidungen zur Gesundheitssorge des Kindes besteht, empfiehlt es sich, frühzeitig eine gerichtliche Klärung herbeizuführen. Dabei sollte stets das Kindeswohl im Mittelpunkt stehen. Ein professioneller Rechtsbeistand wie ein Fachanwalt für Familienrecht kann helfen, die besten Interessen des Kindes zu vertreten und die gesetzlichen Möglichkeiten gemäß §§ 1628, 1687 BGB optimal auszuschöpfen.
(se)