Die Reisezeit ist im vollen Gange, doch viele Urlauber fragen sich, ob sie ihre gebuchte Reise tatsächlich antreten müssen oder ob sie die Reise ohne Stornierungskosten absagen können.
Was gilt es hier grundlegend zu beachten?
Die rechtliche Ausgangslage lässt sich wie folgt skizzieren:
Ein entschädigungsfreier Rücktritt ist nicht in allen Fällen möglich. Um von einer Pauschalreise vor Reisebeginn zurücktreten zu können, müssen die besonderen Voraussetzungen des § 651 h Abs. 3 BGB vorliegen. Dazu gehört, dass am Bestimmungsort oder in dessen unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.
Was bedeutet das aber jetzt für die Corona-Pandemie?
Es ist hierbei davon auszugehen, dass es sich bei der gegenwärtigen Corona-Pandemie unzweifelhaft um unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände handelt.
Weiterhin ist es gut zu wissen, dass zu den Bestimmungsorten neben dem Reiseziel auch die Orte gehören, die während der An- und Abreise im Rahmen der gebuchten Reiseleistungen zum Bestimmungsort notwendigerweise durchquert werden müssen. Ist es bereits bei der Anreise im Urlaubsgebiet zu einem Corona-Ausbruch gekommen oder erfolgt ein solcher Ausbruch etwa im Falle einer Kreuzfahrt erst bei dem Erreichen einzelner Zwischenstopps, so erfüllt dies jedenfalls das Kriterium der unmittelbaren Nähe zu dem Reiseziel.
Etwas schwieriger stellt sich die Frage dar, wann eine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt.
Ob eine erhebliche Beeinträchtigung bei der Durchführung der Reise oder der Beförderung der Personen im Sinne der oben genannten Vorschrift vorliegt ist stets anhand einer Gesamtwürdigung des Einzelfalls aus der Sicht eines objektiven Durchnittsreisenden zu beurteilen. Hier ist also der konkrete Einzelfall zu beurteilen.
Ganz grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesamtreise in der Regel vorliegt, wenn eine einzelne Reiseleistung, etwas der Flug oder die Bereitstellung der gebuchten Unterkunft überhaupt nicht erbracht wird. Auch das Ausfallen wichtiger Highlights bei einer Rundreise/Kreuzfahrt können eine erhebliche Beeinträchtigung sein.
Einreiseverbote und Quarantänemaßnahmen des Ziellandes oder Deutschlands bei der Rückkehr, Ausgangssperren, das Schließen von Restaurants, Hotels und Attraktionen, die Teil der Reiseleistung waren, sprechen für eine erhebliche Beeinträchtigung der geplanten Reiseleistungen.
Die Beeinträchtigung kann auch das persönliche Infektionsrisiko des Reisenden im Umfeld des Reisegebiets betreffen, wenn dort z.B. eine wesentlich höhere Infektionsrate als in Deutschland vorliegt.
Eine erhebliche Beeinträchtigung der Gesamtreise liegt zumeist nicht bereits bei fehlendem all-inklusiv Buffet, fehlender Animation oder dem Tragen eines Mundschutzes vor. Hier kommt lediglich eine Preisminderung in Betracht.
Sollten die Voraussetzungen für einen Reiserücktritt nach den beschriebenen Maßstäben vorliegen, so gilt, dass die Rücktrittserklärung jederzeit zwischen Vertragsschluss und Reisebeginn abgegeben werden kann. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass erhebliche Beeinträchtigung zum Zeitpunkt des Rücktritts mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 25 % vorliegen muss.
Nach erklärtem Rücktritt ist der Reisepreis unverzüglich, also spätestens 14 Tage nach dem Rücktritt, zu erstatten. Der Erstattungsanspruch ist im Übrigen bei späterer Insolvenz des Reiseveranstalters durch den Sicherungsschein der Reise abgesichert.
Fazit:
In der gegenwärtigen Urlaubssaison hat sich bereits gezeigt, dass die Corona-Pandemie erhebliche Auswirkungen auf die zuvor angebotenen Reiseleistungen hat. Die Reisenden müssen nicht alle Beeinträchtigungen hinnehmen, sondern können sich bei erheblichen Einschränkungen kostenlos von Vertrag lösen.
Die Einzelfallbetrachtung erschwert allerdings die Beurteilung, wann eine erhebliche Beeinträchtigung tatsächlich vorliegt und so sind unzählige gerichtliche Auseinandersetzungen mit Reisedienstleistern zu erwarten.
Es ist daher ratsam vor dem Reiserücktritt die tatsächlichen Gegebenheiten rechtlich überprüfen zu lassen und Beweise (Reisewarnungen, Medienberichterstattung, Mitteilungen durch den Reiseveranstalter selbst etc.) rechtzeitig zu sichern.
Dr. Sonja Knop
Rechtsanwältin der Kanzlei Könemann, Fachanwältin für Insolvenzrecht