Manche Jugendlichen möchten sich gerne ein Piercing oder Tattoo stechen lassen. Wie sieht hier die Rechtslage aus?
Inwieweit sich Jugendliche piercen oder tätowieren lassen dürfen, ergibt sich in Deutschland nicht aus dem Jugendschutzgesetz. Es gibt hierzu auch keine speziellen Regelungen für professionelle Piercer oder Tätowierer. Gleichwohl muss jeder, der ein Piercing oder Tattoo bei einem Jugendlichen sticht unter Umständen mit juristischen Konsequenzen rechnen.
Strafrechtliche Einwilligung
Dies ergibt sich daraus, dass das Piercen und Tätowieren zumindest den Straftatbestand der Körperverletzung gem. § 223 StGB erfüllen. Darüber hinaus kommt auch der Straftatbestand der gefährlichen Körperverletzung des § 224 StGB infrage. Dies setzt voraus, dass es sich bei den verwendeten Instrumenten um ein gefährliches Werkzeug handelt. Dieses zeichnet sich dadurch aus, dass es schwere Verletzungen hervorrufen kann. Dies erscheint vor dem Hintergrund fraglich, dass der Bundesgerichtshof bei dem Skalpell in der Hand eines Arztes entschieden hat, dass es sich um kein gefährliches Werkzeug handelt (BGH, Urteil vom 22.02.1978 – 2 StR 372/77).
Eine Bestrafung erfolgt allerdings nicht, wenn eine wirksame Einwilligung im Sinne von § 228 StGB erfolgt ist. Problematisch ist allerdings, ab wann ein Jugendlicher eine wirksame Einwilligung überhaupt erteilen kann. Hierzu muss er als einwilligungsfähig anzusehen sein. Die Rechtsprechung stellt bei Minderjährigen darauf ab, ob sie aufgrund ihres individuellen Entwicklungsstandes in der Lage sind, die Bedeutung und Tragweite des damit verbundenen Eingriffs zu erkennen. Dies ergibt sich aus einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.02.1959 – 5 StR 533/58 in der es um die Frage ging, inwieweit ein Chirurg den Wurmfortsatz bei einem 17-jährigen Patienten ohne Einwilligung durch die Eltern entfernen durfte.
Allerdings haben sich Strafgerichte bislang nicht mit der Frage der Einwilligungsfähigkeit beim Piercen und Tätowieren beschäftigt. Die Eingriffe zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie nicht medizinisch indiziert sind. Gleichwohl sind sie von erheblicher Tragweite, da sich gestochene Piercings/Tattoos schnell entzünden können und die damit verbundenen Folgen nur schwer beseitigen lassen. Dies spricht dafür, dass an die Entwicklung des Jugendlichen eher hohe Anforderungen zu stellen sind.
Dies ergibt sich ebenfalls aus einer Entscheidung des Amtsgerichtes München, die im zivilrechtlichen Bereich ergangen ist. In dieser ging es darum, dass eine 17-jährige sich ein koptisches Kreuz ohne Einwilligung ihrer Eltern stechen ließ. Im Nachhinein verlangte sie unter anderem Schmerzensgeld. Das AG München wies die Klage jedoch mit Urteil vom 17.03.2011 – 213 C 917/11 unter anderem unter dem Gesichtspunkt ab, dass eine wirksame Einwilligung vorlag. Hierbei kommt es im deliktischen Bereich auf die natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit und nicht auf die Geschäftsfähigkeit an. Diese sah das Gericht hier als gegeben an, weil sie in drei Monaten 18 Jahre alt wurde und bereits einer Erwerbstätigkeit nachging. In juristischen Kommentaren wird die Frage, wann Minderjährige in das Piercen und Tätowieren einwilligen können, unterschiedlich gesehen. Beispielsweise geht der Leipziger Kommentar davon aus, dass aufgrund der fehlenden medizinischen Indikation bei Minderjährigen die strafrechtliche Einsichtsfähigkeit normalerweise fehlt (Leipziger Kommentar zu § 228 StGB, 12. Auflage, Rdn. 27).
Mangels gegenteiliger Entscheidungen gehen daher Tätowierer und Piercer auch bei der Einwilligung durch einen älteren Jugendlichen das Risiko einer strafrechtlichen Verurteilung ein. Inwieweit die Genehmigung durch die Eltern bei solchen Eingriffen reicht, ist noch nicht genau geklärt.
Zivilrechtliche Einwilligung
Darüber hinaus geht der Tätowierer und Piercer das Risiko ein, dass er das bezahlte Honorar zurück bezahlen muss nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Dies kommt dann in Betracht, wenn bei Jugendlichen mangels Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter kein Vertrag zustande gekommen ist. Anders ist das nach § 110 BGB, wenn Jugendliche als beschränkt Geschäftsfähige ihr Taschengeld zu diesem Zweck bez. generell zur freien Verfügung gestellt worden ist. Da dies Piercer/Tätowierer kaum beurteilen können, gehen sie auch insoweit ein rechtliches Risiko ein.
Fazit:
Auf der rechtlich sicheren Seite sind Piercer/Tätowierer nur, wenn sie keine Jugendlichen, sondern nur Erwachsenen behandeln. Allerdings müssen sie beachten, dass sie diese hinreichend über die Art und Tragweite dieses Eingriffs nebst etwaigen Risiken aufgeklärt haben.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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