Arbeitsrecht

Prozessbeschäftigung und Weiterbeschäftigung im Rahmen einer Kündigungsschutzklage

Zuletzt bearbeitet am: 15.02.2024

Wenn Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erheben, kommt womöglich eine Prozessbeschäftigung bzw. eine Weiterbeschäftigung infrage. In diesem Ratgeber erfahren Sie hierzu Näheres.

Wenn Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber eine Kündigung erhalten, möchten das viele Mitarbeiter nicht hinnehmen. Das gilt vor allem dann, wenn sie an ihrem Arbeitsplatz viel Einsatz gezeigt haben und sich gegenüber den Kollegen ungerechtfertigt behandelt fühlen. Darüber hinaus haben sie häufig auch existenzielle Sorgen, auch wenn ihnen Arbeitslosengeld zusteht. Aus diesem Grunde erheben sie eine Kündigungsschutzklage. Die Frage ist dann, inwieweit sie bis zur abschließenden Klärung durch die Gerichte, ob die Kündigung rechtmäßig gewesen ist, weiterhin an ihrem Arbeitsplatz erscheinen. Manche Arbeitgeber legen darauf großen Wert. Andere wollen dies hingegen nicht, obwohl der Mitarbeiter gerne weiterhin seiner Arbeit nachgehen möchte.

Prozessbeschäftigung durch Arbeitgeber: Weigerung kann Konsequenzen haben

Sofern Arbeitgeber wollen, dass der Mitarbeiter weiter zur Arbeitsstelle kommt, bieten sie ihm normalerweise eine sogenannte Prozessbeschäftigung an. Hierfür spricht aus Sicht des Arbeitgebers, dass er nicht für viele Monate oder sogar Jahren den Lohn nachzahlen muss, wenn die Kündigung sich als rechtswidrig herausstellt. Hierbei handelt es sich aus rechtlicher Sicht um einen weiteren Arbeitsvertrag. Die Besonderheit besteht allerdings darin, dass er auf die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens abgeschlossen wird. Dies wird dann problematisch, wenn der Mitarbeiter aufgrund der Kündigung nicht mehr seiner Arbeit nachgehen möchte. Hier geht der Arbeitnehmer das Risiko ein, dass er nur allenfalls einen Teil des weiteren Lohns erhält, wenn sich die Kündigung später vor Gericht als unwirksam herausstellt. Denn der Arbeitgeber muss diesen nur dann nachträglich entrichten bis zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Urteils zugunsten des Arbeitnehmers, wenn er in Annahmeverzug gerät. Das ist fraglich, wenn der Arbeitnehmer eine ihm zumutbare Arbeit verweigert. Dies gilt besonders dann, wenn der Arbeitgeber eine betriebsbedingte oder personenbedingte Kündigung ausgesprochen hat. Hier muss der Arbeitnehmer damit rechnen, dass der Arbeitgeber das fiktive Einkommen abziehen darf. Inwieweit eine bestimmte Arbeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung zumutbar ist, darüber wird häufig vor Gericht gestritten. 

So war es etwa in einem Fall, in dem eine Marketingmanagerin zunächst zu einem Bruttolohn von 3.500 Euro tätig gewesen ist. Nachdem der Arbeitgeber sie betriebsbedingt gekündigt hatte, erhob sie Kündigungsschutzklage. Während eines Gütetermins rügte sie, dass der Arbeitgeber ihr statt der betriebsbedingten Kündigung eine Änderungskündigung hätte anbieten können mit Weiterbeschäftigung als Servicekraft. Diese Stelle hatte der Arbeitgeber zwischenzeitlich inseriert, ohne sie darüber zu informieren. Der Arbeitgeber bot ihr daraufhin diese Tätigkeit im Rahmen einer Prozessbeschäftigung an Zum Lohn für rund 2.000 Euro brutto. Die Mitarbeiterin weigerte sich jedoch mit dem Argument, dass diese Tätigkeit ihr nicht zumutbar sei.

Hierzu entschied das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 19.01.2022 - 5 AZR 346/21, dass der Arbeitgeber hier nicht in Annahmeverzug geraten ist und daher der Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers um den Verdienst zu kürzen ist, den sie als Servicekraft hätte erzielen können. Die Richter begründeten das damit, dass sie durch ihre Weigerung treuwidrig gehandelt hat. Ihr Verstoß gegen Treu und Glaube ergibt sich insbesondere daraus, dass sie sich durch ihr eigenes Verhalten in Widerspruch gesetzt hat. 

In einem anderen Fall stellte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 08.09.2021 - 5 AZR 205/21 klar, dass im Rahmen einer Prozessbeschäftigung für den Arbeitnehmer auch eine Tätigkeit zumutbar ist, die hinsichtlich der Tätigkeitsbeschreibung ungefähr 80% der vor den Kündigung ausgeübten Tätigkeit entspricht. 

Arbeitnehmer dürfen auch eine Prozessbeschäftigung, die geringfügig schlechter vergütet wird, nicht einfach ablehnen. Inwieweit sie das dürfen, ist eine Frage des Einzelfalls. 

Kann der Arbeitnehmer Weiterbeschäftigung verlangen?

Häufig ist der Arbeitgeber nach dem Ausspruch einer Kündigung nicht mehr an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Hier hat der Arbeitnehmer jedoch unter Umständen einen Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

Anspruch auf Weiterbeschäftigung wegen Widerspruchs durch den Betriebsrat

Ein Anspruch des Mitarbeiters auf Weiterbeschäftigung bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung besteht normalerweise dann, wenn der Betriebsrat der Kündigung fristgemäß und ordnungsgemäß widersprochen hat und der Mitarbeiter sich hiergegen durch Erhebung der Kündigungsschutzklage gewehrt hat. Dies ergibt sich aus § 102 Abs. 5 BetrVG. In dieser Situation können Sie normalerweise von Ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er sie bis zur endgültigen gerichtlichen Klärung zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbeschäftigt. 

Anders ist das jedoch in den folgenden Fällen: 

  • die Klage des Arbeitnehmers hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg oder erscheint mutwillig 
  • die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers würde zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des Arbeitgebers führen 
  • der Widerspruch des Betriebsrats wäre offensichtlich unbegründet.

Hier kann der Arbeitgeber per einstweiliger Verfügung durchsetzen, dass er von seiner Pflicht zur Weiterbeschäftigung entbunden wird. Dies folgt aus § 102 Abs. 5 Satz 2 BetrVG. 

Allgemeiner Anspruch auf Weiterbeschäftigung

Sofern ein gekündigter Arbeitnehmer über keinen solchen Anspruch verfügt, weil etwa das Unternehmen keinen Betriebsrat hat, könnte er einen allgemeinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens haben. Hierfür gibt es keine Anspruchsrundlage im Gesetz. Allerdings hat das Bundesarbeitsgericht in einer Grundsatzentscheidung geklärt, dass Arbeitnehmer unter Umständen einen allgemeinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung haben. Dies hat er aus den Grundlagen von Treu und Glauben hergeleitet (§ 611 a Abs. 1 BGB, § 613 BGB i. V. m. § 242 BGB. Dies ergibt sich aus einem Beschluss des großen Senates des Bundearbeitsgerichtes vom 27.02.1985 - GS 1/84. Der Arbeitgeber muss hiernach einen Arbeitnehmer nur dann bis zum Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens in letzter Instanz beschäftigen, wenn sein Interesse an einer weiteren Beschäftigung höher zu gewichten ist als das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung. 

Dies ist normalerweise erst dann zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer das Kündigungsschutzverfahren in erster Instanz vor dem Arbeitsgericht gewonnen hat. Anders sieht es auch, wenn die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung offensichtlich rechtswidrig gewesen ist. Dies kommt etwa dann infrage, wenn der Arbeitnehmer einen schwerbehinderten Mitarbeiter gekündigt hat, obwohl die Zustimmung durch das Integrationsamt noch nicht vorgelegen hatte. Dass das Integrationsamt normalerweise der Kündigung zugestimmt haben muss, ergibt sich aus § 168 SGB IX. Allerdings ist dies nicht immer erforderlich. Dies ergibt sich aus § 173 SGB IX. Hiernach ist die Zustimmung beispielsweise bei Arbeitnehmern nicht erforderlich, die noch nicht länger als sechs Monate beschäftigt gewesen sind. Dass die Gerichte nach wie vor einen allgemeinen Anspruch auf Weiterbeschäftigung anerkennen, wenn die erwähnten Voraussetzungen vorliegen, ergibt sich beispielsweise aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichtes Niedersachsen vom 21.04.2022 - 5 Sa 97/21. 

Fazit:

Gekündigte Arbeitnehmer die gegen ihre Kündigung vorgegangen sind, sollten sich genau überlegen, ob sie eine Prozessbeschäftigung ablehnen beziehungsweise ihren Arbeitgeber auf zeitweilige Weiterbeschäftigung verklagen. Eine Prozessbeschäftigung sollten sie im Zweifel besser ausüben. Dies kann für sie gerade von Vorteil sein, wenn sie mit der Klage keinen Erfolg haben. Dies kann häufig nicht genau vorher gesagt werden. Wenn Sie unsicher sind, sollten Sie sich beraten lassen. 

Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)

Symbolgrafik:© DOC RABE Media - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten