Arbeitsrecht

Psychisch krank nach Sichtung von Kinderpornos im Dienst

Zuletzt bearbeitet am: 18.08.2023

Braunschweig (jur). Wird ein Polizeibeamter nach einer im Dienst ausgeübten Sichtung zahlreicher Kinderpornos psychisch krank, kann er trotz der psychisch belastenden Tätigkeit keine Anerkennung als Dienstunfall verlangen. Denn für einen Dienstunfall braucht es nach dem Gesetz ein „plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmbares Ereignis, das einen Körperschaden verursacht, betonte das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Urteil vom Donnerstag, 10. August 2023 (Az.: 7 A 140/22). Schädliche Dauereinwirkungen über mehrere Monate seien aber kein „plötzliches Ereignis“. 

Der 46-jährige Kläger, ein ehemaliger Polizeikommissar, befindet sich seit Ende 2021 wegen Dienstunfähigkeit im Ruhestand. 2017 war er während einer längeren Krankheitszeit in der Wiedereingliederungsphase im Zentralen Kriminaldienst der Polizeiinspektion Salzgitter/Peine/Wolfenbüttel eingesetzt. Über mehrere Monate musste er kinderpornografisches Bild- und Videomaterial sichten. 

In Folge dieser Tätigkeit erlitt er eine Stress-assozierte Störung und wurde schließlich dienstunfähig. 

Der Polizeikommissar wollte seine psychische Erkrankung als Dienstunfall anerkannt haben. Diese sei durch das Sichten der Bilder und Videos von Kindesmissbrauch ausgelöst worden. 

Einen Anspruch auf Anerkennung als Dienstunfall habe er aber nicht, urteilte das Verwaltungsgericht. Das Gesetz verlange dafür „ein auf äußere Einwirkung beruhendes, plötzliches, zeitlich und örtlich bestimmbares Ereignis, das einen Körperschaden verursacht“. Die über mehrere Monate andauernde schädliche Einwirkung stelle jedoch kein „plötzliches Ereignis“ dar. Weder der Kläger noch die behandelnden Therapeuten hätten eine konkrete einzelne Sichtung oder einen Diensttag als allein krankheitsauslösend und damit als ein plötzliches Ereignis identifizieren können. 

Die Erkrankung des Klägers sei auch nicht als Berufskrankheit einem Dienstunfall gleichgestellt. In der Berufskrankheiten-Verordnung des Bundes seien bislang psychische Erkrankungen nicht aufgenommen worden. 

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© S Amelie Walter- stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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