Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 27. Februar 2025 ein Urteil mit zentralem Charakter für die Arzneimittelwerbung in Europa gefällt. In der Rechtssache C-517/23 ging es um die Frage, inwieweit Mitgliedstaaten Rabattaktionen für verschreibungspflichtige Medikamente zulassen dürfen. Die Entscheidung betrifft nicht nur Apotheken und Hersteller, sondern hat auch erhebliche Auswirkungen für Verbraucher.
Hintergrund der EuGH-Entscheidung zu Rabattwerbung: DocMorris gegen Apothekerkammer Nordrhein
Die Auseinandersetzung geht zurück auf Werbeaktionen der niederländischen Versandapotheke DocMorris. Zwischen 2012 und 2015 hatte das Unternehmen in Deutschland Preisnachlässe, pauschale Zahlungen sowie Gutscheine angeboten – teils auch für künftige Einkäufe nicht verschreibungspflichtiger Produkte. Die Apothekerkammer Nordrhein erwirkte daraufhin gerichtliche Verfügungen. Infolge der Sperrung dieser Aktionen forderte DocMorris Schadensersatz in Höhe von rund 18,5 Millionen Euro. Der Bundesgerichtshof legte den Fall dem EuGH zur Prüfung vor.
Rechtlicher Rahmen: Harmonisierung und nationale Spielräume bei Rabattwerbung
Der EuGH hatte zu prüfen, ob nationale Regelungen, die solche Werbeaktionen einschränken, mit EU-Recht vereinbar sind. Dabei ging es insbesondere um die Richtlinie 2001/83/EG über die Gemeinschaftsvorschriften für Humanarzneimittel. Laut EuGH dürfen Mitgliedstaaten zwar gewisse Werbemaßnahmen erlauben, haben aber auch das Recht, bestimmte Formen der Rabattwerbung zu untersagen – vor allem dann, wenn diese die Integrität der Arzneimittelversorgung beeinträchtigen könnten.
Rabattwerbung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln: Was erlaubt ist
Konkret erlaubt das Urteil Werbeaktionen in Form von Preisnachlässen oder andere finanzielle Vergütungen bei unbestimmten verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Diese müssen jedoch klar geregelt und auf die Arzneimittel selbst bezogen sein. Unzulässig ist laut EuGH hingegen die Kopplung solcher Rabatte mit Gutscheinen für den späteren Erwerb nicht verschreibungspflichtiger Gesundheitsprodukte. Damit stellt das Gericht klar, dass die Arzneimittelwerbung nicht zu einer Umgehung regulatorischer Schutzmechanismen führen darf. Zusammengefasst:
- Erlaubnis von Preisnachlässen: Mitgliedstaaten dürfen Preisnachlässe für unbestimmte verschreibungspflichtige Arzneimittel erlauben.
- Verbot von Gutscheinen für Folgekäufe: Werbeaktionen, die Gutscheine für nachfolgende Bestellungen nicht verschreibungspflichtiger Produkte anbieten, dürfen verboten werden.
- Abgrenzung von Werbung: Werbung, die nicht auf ein spezifisches Arzneimittel abzielt, fällt nicht unter den Begriff "Werbung für Arzneimittel" gemäß der Richtlinie 2001/83/EG.
Auswirkungen auf Verbraucher
Für Verbraucher können sich aus dem Urteil neue Optionen ergeben, insbesondere im Hinblick auf Einsparmöglichkeiten beim Medikamentenerwerb. Sofern Mitgliedstaaten entsprechende Spielräume nutzen, könnte dies zu mehr Wettbewerb und potenziell günstigeren Preisen führen. Gleichzeitig bleibt der Verbraucherschutz gewahrt, da klare Grenzen für verkaufsfördernde Maßnahmen gezogen wurden.
Kommunikation und Marktverhalten der Apotheken
Auch für das Marketing von Apotheken bringt das Urteil neue Spielräume. Versandapotheken erhalten unter bestimmten Voraussetzungen größere Freiheit, um mit preislichen Anreizen zu werben. Dies könnte das Marktverhalten verändern und stationäre Apotheken unter Druck setzen. Umso wichtiger wird es für alle Anbieter, rechtskonforme und gleichzeitig attraktive Werbestrategien zu entwickeln.
Ausblick: Nationale Umsetzung entscheidend
Wie stark sich die EuGH-Entscheidung im Alltag auswirken wird, hängt wesentlich von der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten ab. Deutschland hat die Möglichkeit, seine bestehenden Regelungen anzupassen oder beizubehalten. Klar ist: Der europarechtliche Rahmen erlaubt nun differenzierte Modelle, die sowohl Verbraucherinteressen als auch die Sicherheit der Arzneimittelversorgung im Blick behalten.
Tipp für Verbraucher: Erkundigen Sie sich vor dem Einlösen von Rabatten bei vertrauenswürdigen Quellen wie Verbraucherzentralen oder offiziellen Websites über die Seriosität der Anbieter.
Zusammenfassung
Das Urteil des EuGH vom 27. Februar 2025 zur Rabattwerbung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln schafft einen neuen Rechtsrahmen mit großer Tragweite. Es gibt den Mitgliedstaaten mehr Flexibilität, stellt aber zugleich sicher, dass wesentliche Verbraucherschutzstandards gewahrt bleiben. Verbraucher können auf mehr Wettbewerb hoffen, sollten aber wachsam bleiben, wenn es um die Seriosität und Transparenz von Rabattangeboten geht.
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