Ratgeber: Sozialrecht
Oldenburg (jur). Nur weil die Sozialhilfe für eine im Pflegeheim lebende muslimische Frau aufkommt, kann der scheidungswillige Ehemann sich nicht vor der bei Eheschließung vereinbarten „Abendgabe“ drücken. Vereinbarte der Ehemann die „Abendgabe“ als Teil seines im Ausland gegebenen Eheversprechens, muss er sich auch daran halten, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg in einem am Donnerstag, 21. Juli 2022, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 13 UF 82/21). Konkret ging es um ein Ehepaar aus Libyen, welches 2006 dort nach islamischem Recht geheiratet hatte. Der Ehemann hatte sich verpflichtet, bei der Eheschließung der Frau eine goldene englische Münze ... weiter lesen
Berlin (jur). Das Sozialgericht (SG) Berlin will Prostituierten aus anderen EU-Staaten den Ausstieg aus ihrer Tätigkeit erleichtern. Nach einem am Dienstag, 19. Juli 2022, bekanntgegebenen Urteil geht das Aufenthaltsrecht dann nicht verloren, zudem besteht Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen (Az.: S 134 AS 8396/20). Eine Beendigung der Prostitution könne nicht als freiwillige Arbeitsaufgabe verstanden werden. EU-Bürger dürfen sich für bis zu drei Monate in jedem anderen EU-Land aufhalten, um dort Arbeit zu suchen. In Deutschland ist dabei der Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende („Hartz IV“) ausgeschlossen. Geht eine längere Erwerbstätigkeit ... weiter lesen
Stuttgart. Nicht-binäre Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen, haben keinen Anspruch darauf, ihren Körper so anzugleichen, dass dieser ein möglichst geschlechtsneutrales Äußeres hat. Das hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) in einem am Montag, 18. Juli 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: L 5 KR 1811/21) entschieden. Bei der klagenden Person lagen seit der Geburt weibliche Geschlechtsmerkmale vor.Da sie sich jedoch keinem Geschlecht zugehörig fühlte, änderte sie ihren Vornamen im Geburtsregister und gab beim Geschlecht an „ohne Angabe“. Außerdem beantragte sie bei ihrer Krankenkasse eine Brustentfernung. Dies wurde von der ... weiter lesen
Celle (jur). Eine Körpergröße von 148,5 Zentimetern ist bei Frauen nicht krankhaft. Die gesetzliche Krankenversicherung muss daher nicht für eine operative Beinverlängerung aufkommen, wie das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 18. Juli 2022, bekanntgegebenen Urteil entschied (L 16 KR 183/21). Es wies damit eine Frau aus Bremen ab. Sie hatte geltend gemacht, dass sie unter ihrer geringen Körpergröße von 148,5 Zentimetern erheblich psychisch leide. Von ihrer Umwelt werde sie nicht als vollwertig wahrgenommen und auch in ihrer Berufswahl sei sie eingeschränkt. Gut 160 Zentimeter seien ihr Traum. Den Antrag auf ... weiter lesen
Kassel (jur). Voll erwerbsunfähige Eltern können nicht den gesetzlichen Kinderzuschlag erhalten. Dieser kann nur beansprucht werden, wenn zumindest ein Elternteil oder ein Kind ab 16 Jahren in einer Bedarfsgemeinschaft einer Erwerbstätigkeit nachgehen können und hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Mittwoch, 13. Juli 2022, verkündeten Urteil entschied (Az.: B 7/14 KG 1/21 R). Der Gesetzgeber hat den Kinderzuschlag vorgesehen, damit finanzschwache Eltern nicht in den Hartz-IV-Bezug abrutschen. Voraussetzung ist damit eine Erwerbsfähigkeit. Seit Juli 2022 beträgt der ... weiter lesen
Kassel. Für Bezieher von Hartz-IV-Leistungen mit Mietrückständen ist es künftig einfacher, vom Jobcenter ein Darlehen zu bekommen. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat am Mittwoch, den 13. Juli 2022, entschieden, dass dafür ein förmlicher Antrag nicht erforderlich ist (Az.: B 7/14 AS 52/21 R). Es reiche aus, darüber zu informieren, dass eine Wohnungskündigung droht. Sollten Bekannte privat aushelfen, geht der Anspruch auf ein Jobcenter-Darlehen auch nicht automatisch verloren. Eine alleinstehende Hartz-IV-Bezieherin aus Bremen hatte Klage eingelegt. Hartz-IV-Leistungen bekam sie bis Ende Januar und dann wieder ab Juni 2015. Die vier dazwischenliegenden Monate ... weiter lesen
Essen (jur). Trotz einer Corona-Sonderregelung dürfen Hartz-IV-Empfänger nicht dauerhaft in zu teuren Wohnungen bleiben. Denn die sogenannte Angemessenheitsprüfung ist nicht aufgehoben, sondern wird „nur für sechs Monate ausgesetzt“, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem kürzlich veröffentlichten Eilbeschluss vom 12. Mai 2022 entschied (Az.: L 2 AS 468/22 B ER). Im Streitfall geht es um eine vierköpfige Familie im Raum Detmold. Ihre Wohnung kostete warm 1.353 Euro. Das Jobcenter zahlte und verlängerte dies vorläufig. Im Juni 2021 wies es allerdings darauf hin, dass die Wohnung zu teuer ist. Angemessen seien 985 Euro. Daher forderte ... weiter lesen
Kassel (jur). Die Rentenversicherung darf die Begründung ihrer Rentenbescheide nicht so verkürzen und vereinfachen, dass die Berechnung der Rente kaum nachvollziehbar ist. Führt ein Rentenbescheid auch beitragsfreie und erwerbsgeminderte Zeiten auf, muss klar sein, welche Entgeltpunkte sich daraus ergeben, urteilte am Mittwoch, 6. Juli 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 5 R 21/21 R und B 5 R 22/21 R). Nach den gesetzlichen Bestimmungen muss die Begründung eines Verwaltungsaktes einer Behörde – und damit auch die für einen Rentenbescheid – die „wesentlichen und tatsächlichen Gründe“ enthalten. 2018 hatten die Rentenversicherungsträger ... weiter lesen
Potsdam. Wenn ein Transportunternehmen einem vermeintlich selbstständigen Kurierfahrer Fahraufträge erteilt und ihn mit „organisatorische Tipps“ und „Arbeitsanleitungen“ einbindet, kann dies dafür sprechen, dass eine Scheinselbstständigkeit vorliegt. Das entschied das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) in Potsdam mit einem am Montag, 4. Juli 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: L 28 BA 23/19). Es verurteilte damit einen Transportdienstleister zur Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen. Das Unternehmen hat mit einem Kurierfahrer einen Rahmenvertrag für Transportaufträge abgeschlossen. In den Jahren 2016 und 2017 übernahm der Fahrer mit seinem ... weiter lesen
Kassel (jur). Für freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung mindern Werbungskosten den Beitrag. Das gilt nicht nur für Freiberufler, sondern für alle freiwillig Versicherten, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Donnerstag, 30. Juni 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: B 12 KR 11/20 R). Danach entspricht der Werbungskostenabzug hier dem bei der Einkommensteuer. Die freiwillig bei einer Betriebskrankenkasse versicherte Klägerin ist geschieden und erhielt im Streitjahr 2014 von ihrem Ex-Mann Unterhaltszahlungen in Höhe von monatlich 1.000 Euro. Daneben hatte sie geringe Mieteinnahmen und Einkünfte als ... weiter lesen
Kassel. Bei einem betrieblichen Fußballturnier greift nur dann der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn alle Beschäftigten „erkennbar“ teilnehmen können. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied in einem Mittwoch, 29. Juni 2022, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 2 U 8/20 R), dass dies bei einem Turnier „für alle fußballinteressierten Mitarbeiter“ nicht erfüllt ist. Auch wenn das Fußballturnier im Programm für das betriebliche Gesundheitsmanagement aufgeführt wurde, begründe dies noch keinen Unfallschutz. Für einen rheinland-pfälzischer Fußballfreund bestehen danach keine Ansprüche auf Entschädigungsleistung aus der ... weiter lesen
Kassel (jur). In einer Rechtsanwaltsgesellschaft gelten vier gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer als Arbeitnehmer. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) am 28. Juni 2022 in Kassel entschieden (Az.: B 12 R 4/20 R). Danach gelten in einer Rechtsanwaltsgesellschaft dieselben Maßstäbe wie in einer GmbH. Im Streitfall geht es um eine Rechtsanwaltsgesellschaft im Raum Mannheim. Diese hatte zunächst fünf und dann noch vier gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer mit Gesellschaftsanteilen von zunächst jeweils 20 und dann 25 Prozent. Die Rentenversicherung war der Ansicht, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt ... weiter lesen
Kassel. Gesetzliche Unfallversicherungsträger dürfen den Unfallschutz für Arbeitnehmer bei einer Unterbrechung des Wegs zur und von der Arbeit nicht zu sehr einschränken. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat am Dienstag, den 28.06.2022 (Az.: B 2 U 16/20 R) entschieden, dass auch der Fußweg zur Straßenbahnhaltestelle unfallversichert ist, wenn Beschäftigte aus privaten Gründen einen mit der Straßenbahn begonnenen Heimweg unterbrechen und mit der Straßenbahn fortführen. Es müsse sich bei dem zurückgelegten Fußweg aber um dieselbe Strecke handeln, die auch von der Straßenbahn zurückgelegt wird. Im streitigen Fall ging es um den Unfall eines in der ... weiter lesen
Kassel (jur). Während der Schulpause stehen rauchende Schüler im nahe gelegenen Stadtpark nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Park stellt keinen „erweiterten Schulhof“ dar und gehört nicht mehr zum „organisatorischen Verantwortungs- und Einflussbereich“ der Schule, urteilte am Dienstag, 28. Juni 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 2 U 20/20 R). Dies gelte auch dann, wenn volljährigen Schülern das Aufsuchen des Parks erlaubt wurde, so die obersten Sozialrichter. Vor Gericht war ein volljähriger Gymnasiast aus Hamburg gezogen. Der Oberschüler wollte am 18. Januar 2018 während der Schulpause im nahe ... weiter lesen
Kassel (jur). Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel hat den Zugang zu Magenverkleinerungen mit dem Ziel der Gewichtsabnahme erleichtert. Nach einem jetzt bekanntgegebenen Urteil vom 22. Juni 2022 reicht es aus, wenn nicht-operative Wege der Gewichtsabnahme als wenig erfolgversprechend gelten können; durchweg probiert worden sein muss dies aber nicht (Az.: B 1 KR 19/21 R). Im Streitfall hatte der Patient starkes Übergewicht. Während ein Body-Mass-Index von 18,5 bis 25 als Normalgewicht gilt, lag seiner bei 55. Das entspricht einer Adipositas Grad III. Erfolglos hatte er bei seiner Krankenkasse die Kostenübernahme für eine operative Magenverkleinerung ... weiter lesen
Karlsruher. Nach dem Auszug der Kinder kann ein für eine achtköpfige Familie einmal angemessenes Eigenheim unangemessen groß sein und einem Arbeitslosengeld II-Anspruch entgegenstehen. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat mit einem am Donnerstag, 02.06.2022, veröffentlichten Beschluss entschieden, dass ein Jobcenter den Verkauf einer Immobilie als zu verwertendes Vermögen verlangen kann, wenn das Haus oder die Wohnung nicht angemessen ist (Az.: 1 BvL 12/20). Es sei „verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden“, dass sich die Angemessenheit des Hauses an der aktuellen Einwohnerzahl orientiere. Ein Jobcenter darf nach den gesetzlichen Bestimmungen „ein ... weiter lesen
Karlsruhe (jur). Alten- und Pflegeheimbewohner dürfen bei behördlich angeordneten coronabedingten Besuchs- und Ausgangsbeschränkungen nicht die Heimkosten kürzen. Denn die vertraglich vereinbarten Pflege- und Betreuungsleistungen und damit die Kernleistung des Pflegevertrages werden weiterhin erbracht, stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 1. Juni 2022, bekanntgegebenen Beschluss klar (Az.: III ZR 240/21). Damit muss eine pflegebedürftige Frau aus dem Raum Amberg in Bayern noch offene Heimkosten in Höher von 8.877 Euro zahlen. Die Frau mit einem Pflegegrad von 3 war seit 2017 vollstationär in einem Seniorenwohn- und Pflegeheim ... weiter lesen
Frankfurt/Main. Kommt es zur Scheidung eines querschnittsgelähmten und kinderlosen Paares, darf derjenige, der die höhere Pflegebedürftigkeit hat regelmäßig die Überlassung der ehelichen Wohnung verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat dies in einem am Montag, den 30. Mai 2022 bekannt gegebenem Beschluss (Az.: 6 UF 42/22) entschieden. Im vorliegenden Fall heiratete ein querschnittsgelähmtes Paar im Jahr 2005. Die kinderlose Ehe ist seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Es kam mit der Scheidung zu einem Streit darüber, wer allein in der 130 Quadratmeter großen Eigentumswohnung des Paares wohnen darf. Der Ehemann beanspruchte dies für sich. Er ... weiter lesen
Der Grad der Behinderung (GdB) beim chronischen Fatigue-Syndrom (CFS) / Myalgische Enzephalomyelitis (ME) Es wenden sich zunehmend Betroffene an unsere Kanzlei, die nach einer Covid19-Infektion ein ME/CFS entwickelt haben. Diese Long-Covid-Betroffenen schildern Symptome, die denen einer ME/CFS-Erkrankung nach anderen Infekten (z.B. Pfeiffersches Drüsenfieber) auffallend ähnlich sind. Zu nennen wären eine stark ausgeprägte Fatigue-Symptomatik einschließlich der Zustandsverschlechterung nach körperlicher oder geistiger Anstrengung. Dies stimmt mit den zentralen Symptomen einer ME/CFS-Erkrankung überein. Long-Covid-Betroffene schildern ... weiter lesen
Karlsruhe (jur). Mittellose Menschen müssen sich im Streit mit dem Jobcenter auch außergerichtlich wehren und bei komplexen Rechtsfragen zum Anwalt gehen können. Wird zur Finanzierung des Rechtsanwalts dennoch die staatliche Beratungshilfe verweigert, stellt dies eine Verletzung des Anspruchs auf Rechtswahrnehmungsgleichheit dar, entschied das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag, 24. Mai 2022, veröffentlichten Beschluss (Az.: 1 BvR 1370/21). Nicht zumutbar sei es, den Hilfebedürftigen zur Beratung an das Jobcenter zu schicken, welches den im Streit stehenden Bescheid erlassen hat. Konkret ging es um einen Hartz-IV-Bezieher aus Kaufbeuren. Dieser ... weiter lesen