Ratgeber: Sozialrecht
Kassel (jur). Ehepaare haben auch beim Erhalt von Grundsicherungsleistungen und bereits abgesenkten Asylbewerberleistungen genügend Einsparpotenziale bei Nahrung, Energie und Telekommunikation. Daher muss das Jobcenter Hartz-IV-Leistungen beziehungsweise heute das Bürgergeld nicht nach der für Alleinstehende vorgesehenen Regelbedarfsstufe 1 berechnen, sondern nach der für Eheleute um zehn Prozent verringerten Regelbedarfsstufe 2, urteilte am Mittwoch, 15. Februar 2023, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 4 AS 2/22 R). Vor Gericht war eine in Berlin lebende, erwerbsgeminderte Mutter von vier minderjährigen Kindern gezogen. Da ihr ältester Sohn ... weiter lesen
Karlsruhe. Wenn eine private Krankenversicherung die Kosten für eine Behandlung bisher immer vorbehaltlos übernommen hat, kann sie zur Übernahme der Kosten ausnahmsweise erneut verpflichtet sein, wenn sich die Behandlung als medizinisch nicht erforderlich erweist. Das hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 2. Februar 2023 (Az.: 12 U 194/22) entschieden. Eine derartige „Vertrauenshaftung“ endet nach dem Urteil jedoch dann, wenn vom Krankenversicherer eine Prüfung angekündigt oder sogar die Übernahme zukünftiger Kosten abgelehnt werden. Bei der Klägerin lagen verschiedene orthopädische Beschwerden sowie Sehprobleme ... weiter lesen
Berlin (jur). Langzeitstudenten können bei überlanger Studiendauer ihren Wohngeldanspruch verlieren. Werde das Studium nicht mehr ernsthaft betrieben, sei den Betroffenen eine volle Erwerbstätigkeit zuzumuten, um die Inanspruchnahme von Wohngeld zu verhindern, entschied das Verwaltungsgericht Berlin in einem am Dienstag, 7. Februar 2023, bekanntgegebenen Urteil (Az.: VG 21 K 144/22). Die Klägerin, eine Studentin im Bachelor-Studiengang Bauingenieurswesen, befand sich mittlerweile im 20. Hochschulsemester. Darin waren vier Urlaubssemester und zwei Semester eines Erststudiums enthalten. Sie hält sich mit studentischen Nebenjobs über Wasser und bezieht seit mehreren ... weiter lesen
Celle (jur). Medizinische Leistungserbringer müssen nicht nur inhaltlich richtig, sondern auch formgerecht abrechnen. Andernfalls können die Kassenärztlichen Vereinigungen die Vergütung aussetzen, wie jetzt das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen im Fall eines Corona-Testzentrums entschied (Az.: L 4 KR 549/22 B ER). Danach ist sogar der vollständiger Ausfall des Entgelts möglich. Im konkreten Fall geht es um ein Corona-Testzentrum im Raum Lüneburg. Der Betreiber hatte hierfür auf einem gemieteten Stellplatz einen Container aufgestellt. Im Winter 2021/22 rechnete er rund 220.000 Euro mit der KV Niedersachsen abgerechnet. Als im Frühjahr 2022 ... weiter lesen
Celle (jur). Die Rentenversicherung darf Abgaben zur Künstlersozialkasse „nicht auf Grundlage einer undifferenzierten Schätzung“ erheben. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 16. Januar 2023, bekanntgegebenen Beschluss klargestellt (Az.: L 2 BA 49/22 B ER). Nur um den Verwaltungsaufwand zu verringern, habe sich die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover jedenfalls im Streitfall „sehenden Auges über rechtsstaatliche Vorgaben hinweggesetzt“. Damit gab das LSG dem Eilantrag einer kleinen Schokoladenmanufaktur im Raum Lüneburg statt. Diese hatte der Künstlersozialkasse für 2016 Ausgaben für ... weiter lesen
Kassel (jur). In einem Wohnheim untergebrachte psychisch kranke Ausländer können vom Sozialhilfeträger die Kostenerstattung für die Beschaffung eines neuen Passes beanspruchen. Die vom Heimatland erhobenen Gebühren für die Ausstellung eines neuen Passes sind dem „weiteren notwendigen Lebensunterhalt“ zuzuordnen und nicht aus dem Taschengeld, welches der Bewohner als Barbetrag erhält, zu bezahlen, entschied das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Freitag, 9. Dezember 2022, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag (Az.: B 8 SO 11/20 R). Damit bekam der heute 44-jährige türkische Kläger von den obersten Sozialrichtern recht. Der Mann hatte infolge ... weiter lesen
Kassel (jur). Wenn Hartz-IV-Aufstockern mit einer selbstständigen Tätigkeit ihre Leistungen wegen verspätet eingereichter Unterlagen gestrichen wurden, können sie diese mit einer Klage noch retten. Reichen sie im Gerichtsverfahren die Angaben zu ihren Betriebseinnahmen und -ausgaben nach, besteht kein Grund mehr, die Hilfeleistung wegen einer Verletzung der Mitwirkungspflicht zu versagen, urteilte am Dienstag, 29. November 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 4 AS 64/21 R). Üblicherweise erhalten selbstständige Hartz-IV-Aufstocker wegen unregelmäßiger Einkünfte erst einmal nur vorläufig Arbeitslosengeld II. Beim Jobcenter müssen sie zunächst ... weiter lesen
Celle (jur). Bei Krankheiten, gegen die es bislang keine Standardtherapie gibt, müssen die gesetzlichen Krankenkassen offener für neue Ansätze sein. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle zur chronischen Müdigkeit, dem Chronischen Fatique-Syndrom (CFS), entschieden (Az.: L 4 KR 230/22 B ER). Nach dem Eilbeschluss müssen die Kassen hier die Versorgung mit Liponsäure und Vitamin D bezahlen. Der heute 55-jährige Mann aus dem Raum Hannover ist wegen mehrerer Erkrankungen schwerbehindert, insbesondere aufgrund eines gesichert diagnostizierten CFS. Hiergegen nimmt er Medikamente mit Liponsäure und Vitamin D, die ihm nach eigener Wahrnehmung ... weiter lesen
Kassel (jur). Die großen Sozialverbände VdK und SoVD sind mit dem Versuch gescheitert, höhere Renten für 1,8 Millionen Erwerbsminderungsrentner zu erstreiten. Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel wies am Donnerstag, 10. November 2022, zwei von ihnen unterstützte Musterklagen ab (Az.: B 5 R 29/21 R und B 5 R 31/21 R). Danach durfte der Gesetzgeber Verbesserungen bei den Erwerbsminderungsrenten zunächst nur für neu beginnende Renten vorsehen. Dass die Bestandsrentner bislang außen vor blieben, verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, so das BSG. Die klagenden Rentner beziehen seit 2004 beziehungsweise 2014 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. ... weiter lesen
Celle (jur). Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten einer sogenannten Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen frühestens ab dem 20. Februar 2021 bezahlen. Denn ein Anspruch darauf ergibt sich erst durch die dann in Kraft getretene Kryo-Richtlinie, wie das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am Montag, 7. November 2022, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: L 16 KR 256/21). Direkt aus dem Gesetz lasse sich dieser Anspruch zuvor noch nicht ableiten. Damit wies das LSG einen Mann aus dem Raum Bremen ab. Im Alter von 32 Jahren wurde bei ihm 2019 Hodenkrebs diagnostiziert. Weil durch die Entfernung des Tumors die ... weiter lesen
Chemnitz. Empfänger von Hartz IV müssen vom ehemaligen Arbeitgeber gezahlte Urlaubsabgeltung in voller Höhe an das Jobcenter abführen. Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) in Chemnitz hat in einem am Mittwoch, 2. November 2022, bekannt gegebenen Urteil (Az.: L 7 AS 1023/18) entschieden, dass die Erwerbstätigenfreibeträge bei der Anrechnung als Einkommen nicht zu berücksichtigen sind. Damit wurde eine alleinerziehende Mutter aus dem Erzgebirgskreis abgewiesen. Von August 2014 bis Juli 2016 war sie im Verkehrszentrum Stollberger Land beschäftigt. Von November 2015 bis Juli 2016 war sie dann zuletzt für neun Monate krank. Mutter und Kind erhielten ab August ... weiter lesen
Kassel (jur). Bei einem gerichtlich angeordneten medizinischen Gutachten muss die zu begutachtende Person nicht alleine hin. Sie kann regelmäßig verlangen, dass eine Vertrauensperson bei der Begutachtung mit anwesend ist, urteilte am Donnerstag, 27. Oktober 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 9 SB 1/20 R). Nur wenn im Einzelfall die Mitnahme der Begleitperson „die objektive, effektive oder unverfälschte Beweiserhebung erschwert oder verhindert“ wird, könne das Gericht, nicht aber der Gutachter, den Ausschluss der Vertrauensperson von der Begutachtung anordnen. Damit bekam der aus Niedersachsen stammende Kläger von den obersten Sozialrichtern ... weiter lesen
Kassel (jur). Wer im Einkommensfragebogen für die Familienversicherung der gesetzlichen Krankenkassen Einkünfte verschwiegt, schadet damit eventuell später sich selbst. Denn wenn die Kasse von den Einkünften erfährt, kann ihr rückwirkender Beitragsbescheid auch für Zeiträume rechtmäßig sein, in denen die maßgebliche Einkommensgrenze gar nicht überschritten wurde, urteilte am Dienstag, 18. Oktober 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 12 KR 2/21 R). Mit der Familienversicherung unterstützt die gesetzliche Krankenversicherung Familien. Beitragsfrei sind Kinder und Ehegatten, die allenfalls ein geringes Einkommen haben. Derzeit (2022) liegt die ... weiter lesen
Kassel. Geschiedene Ehepartner müssen damit rechnen, bei einer vom Ex-Ehegatten gezahlten einmaligen Abfindung für Unterhaltsansprüche, ein Jahr lang höhere Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat am Dienstag, 18. Oktober 2022 in Kassel klargestellt, dass die Krankenkasse die Zahlung auf zwölf Monate verteilen und dafür höhere Beiträge verlangen darf (Az.: B 12 KR 6/20 R). Die Abfindungszahlung für Unterhaltsansprüche könne nicht mit Versorgungsbezügen, wie z. B. eine vom Arbeitgeber mitfinanzierte Direktversicherung, verglichen werden, die über einen Zeitraum von 120 Beitragsmonaten zu verteilen sind. ... weiter lesen
Kassel. Bei den Sozialwahlen bleiben selbstständige Landwirte ohne externe Mitarbeiter eine eigenständige Gruppe. Das Wahlrecht richtet sich dabei weiter an die Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung, entschied das Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel am Donnerstag, 13. Oktober 2022 (Az.: B 2 U 6/22 R und weitere). Die anstehenden Sozialwahlen zur Vertreterversammlung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung am 31. Mai 2023 können damit wie geplant durchgeführt werden. Die Vertreterversammlung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Solo-Selbständigen drittelparitätisch besetzt. Bei den ... weiter lesen
Celle. Im Rahmen des Rechts auf Selbstbestimmung haben Menschen mit Behinderungen ein weitgehendes Wunsch- und Wahlrecht bei der Versorgung mit Hilfsmitteln. So darf beispielsweise eine Krankenkasse einen Rollstuhlfahrer nicht auf einen Elektrorollstuhl verweisen, wenn dieser sich ein elektrisch unterstütztes Rollstuhlzuggerät wünscht, das für die Fortbewegung ebenso geeignet ist, entschied das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) in Celle in einem am Montag, 10. Oktober 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 16 KR 421/21). Im streitigen Fall handelte es sich um einen 49-jährigen querschnittsgelähmten Rollstuhlfahrer, der zuvor zusätzlich zu seinem ... weiter lesen
Kassel (jur). Behinderte Sozialhilfeempfänger können bei der Wohnungssuche Anspruch auf Unterstützung des Leistungsträgers haben. Bleibt dies aus, können sie auch dann in ihrer gegenwärtigen Wohnung bleiben, wenn das Sozialamt diese für zu teuer hält, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Freitag, 7. Oktober 2022, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschied (Az.: B 8 SO 7/21 R). Die Klägerin lebt mit ihrem Mann in einer Mietwohnung in Minden. Sie leidet an Epilepsie, bezieht eine Erwerbsminderungsrente und zudem Sozialhilfe. Ihr Ehemann ist geistig behindert und arbeitet in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Er bekommt eine ... weiter lesen
Essen. Auch Neugeborene von einer ausländischen Mutter, die nicht freizügigkeitsberechtigt ist, haben von Geburt an Anspruch auf existenzsichernde Leistungen vom Jobcenter. Verfügt die Mutter aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen über einen Aufenthaltstitel, so führt dies nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen dazu, dass auch das Kind von Geburt an Hartz-IV-Ansprüche hat. Dies entschied das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) ) in Essen in einem am Mittwoch, 28. September 2022, verkündeten rechtskräftigen Urteil (Az.: L 12 AS 1323/19). Der dreimonatige Ausschluss von Hartz-IV-Leistungen, der für nicht ... weiter lesen
Essen (jur). Ein Pflegekind hat nach dem Tod beider Pflegeeltern noch keinen Anspruch auf eine Vollwaisenrente. Voraussetzung für diese ist, dass auch beide leiblichen Eltern verstorben sind, wie das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in einem am Dienstag, 20. September 2022, bekanntgegebenen Urteil entschied (Az.: L 14 R 693/20). Der Kläger war direkt nach seiner Geburt von einer Pflegefamilie aufgenommen worden. Nach dem Tod seines Pflegevaters gewährte ihm die Rentenversicherung eine Halbwaisenrente. Nachdem auch seine Pflegemutter starb, beantragte er eine Vollwaisenrente. Dies lehnte die Rentenversicherung ab. Zu Recht, wie nun das LSG Essen ... weiter lesen
Konstanz (jur). Die vielen Coronainfektionen stehen der Anerkennung einer solchen Infektion als Arbeitsunfall nicht generell entgegen. Die Hürden hierfür sind aber hoch, wie aus einem am Freitag, 16. September 2022, schriftlich verkündeten Urteil des Sozialgerichts (SG) Konstanz hervorgeht (Az.: S 1 U 452/22). Danach reicht die zeitliche Nähe zur Infektion eines Kollegen nicht aus, wenn die Arbeitnehmerin beispielsweise auch für ihre Familie eingekauft hat. Die Klägerin ist Industriekauffrau in einem Handwerksbetrieb mit 14 Beschäftigten. Am 12. April 2021 wurde dort ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet. In der Nacht zum 16. April spürte auch die Klägerin ... weiter lesen