Wenn ein Kunde im Supermarkt stürzt stellt sich die Frage, wann der jeweilige Betreiber wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht haftet.
Ein Anspruch des Kunden auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld kann sich zunächst unter dem Gesichtspunkt der vertraglichen Haftung hem § 280 BGB, § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB § 241 Abs. 2 BGB ergeben. Die Haftung setzt nicht den Abschluss eines Kaufvertrages voraus. Es reicht, wenn durch das Betreten des Geschäftes ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet ist. Hiervon ist in der Regel auszugehen, weil der Kunde normalerweise einen Supermarkt betritt, um Einkäufe zu tätigen.
Darüber hinaus muss der Betreiber des Supermarktes eine Pflichtverletzung begangen haben. Dies beurteilt sich nach den gleichen Maßstäben, wie sie für eine Verletzung der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht im Rahmen des § 823 BGB gelten. Das bedeutet: Der Betreiber hat die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung des Kunden möglichst zu verhindern. Allerdings muss sich das im zumutbaren Rahmen halten. Was diese Formel genau bedeutet, wird an einigen Beispielen aus der aktuellen Rechtsprechung deutlich.
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht wegen geöffneter Bodenluke
In einem Fall ging es darum, dass eine Kundin in einem Bekleidungsgeschäft mit einem Pullover zur Kasse gehen wollte. Dabei bemerkte sich nicht, dass sich auf dem Gang zur Kasse eine geöffnete Bodenluke von 2,11 m x 0,8 m befand. Infolge dessen stürzte sie in den Schacht und kam im darunter befindlichen Bügelkeller heraus.
Das Oberlandesgericht Hamm stellte mit Urteil vom 19.01.2018 - 9 U 86/17 klar, dass der Betreiber hier seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hatte. Denn Kunden brauchen während der normalen Geschäftszeit nicht damit zu rechnen, dass sie in eine geöffnete Ladenluke fallen können. Allenfalls braucht er damit zu rechnen, dass heruntergefallene Kleidungsstücke auf dem Boden liegen. In diesem Zusammenhang stellten die Richter auch fest, dass dem Kunden hier kein anspruchskürzendes Mitverschulden vorgeworfen werden kann.
Anforderungen an Ladenbetreiber dürfen nicht zu streng sein
In einem weiteren Sachverhalt war ein Kunde in einer Putzwasserlake ausgerutscht. Das kam dadurch, dass kurze Zeit vorher eine Rotweinflasche heruntergefallen und ein Mitarbeiter die Scherben weggewischt hatte. Er wollte gerade die Putzmaschine holen, als die Kundin hinfiel.
Das Amtsgericht München wies hier die Klage der Kundin mit Urteil vom 09.02.2016 - 158 C 21362/15 ab, weil der Betreiber des Ladens nicht seine Verkehrssicherungspflicht verletzt hatte. Die Anforderungen daran dürfen auch nicht überspannt werden. Für den kurzen Moment brauchten keine besonderen Maßnahmen wie das Aufstellen eines Warnschildes ergriffen werden. Dieses Urteil ist mittlerweile rechtskräftig.
Verkehrssicherungspflicht bei Einkaufswagen auf schrägem Rollband
In einem dritten Fall begab sich eine Kundin in einem Supermarkt auf ein abschüssiges Rollband, um damit in das Kellergeschoß zu fahren. Dabei wurde sie von dem Einkaufswagen eines nachfolgenden Kunden verletzt. Dieser war ins Rollen gekommen, weil der Kunde ihn kurz losgelassen hatte und der Wagen für diesen Fall mit keinen Bremsen ausgestattet war. Das Rollband durfte mit Einkaufswagen benutzt werden. Der Kunde nahm den Betreiber des Supermarktes sowie die beiden Gesellschafter auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch. Nachdem das Landgericht Köln der Klage dem Grunde nach stattgegeben hatte, legten der Betreiber des Supermarktes sowie die Gesellschafter gegen das Urteil Berufung ein.
Damit hatten sie allerdings keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Köln wies die Berufung mit Beschluss vom 29.06.2015 - 19 U 190/14 als unbegründet zurück. Die Richter stellten klar, dass der Betreiber des Supermarktes wegen der fehlenden Bremsvorrichtung am Einkaufswagen seine Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Hierin liegt unabhängig vom Verhalten des nachfolgenden Kunden die eigentliche Ursache für die Verletzung. Der Betreiber muss auf stark abschüssigen Flächen dafür sorgen, dass Einkaufswagen mit einer Feststellbremse versehen sind. Der Betreiber muss mit dem Fehlverhalten seiner Kunden rechnen.
Sturz über hohe Kante vor dem Eingang
In einem vierten Fall war ein Kunde auf einem Gehweg in Höhe des Zugangsbereiches zu einem Supermarkt über eine 3 cm hohe Kante gestolpert und hat sich dabei den linken Oberarm gebrochen. Er machte Schadensersatz und Schmerzensgeld geltend. Das Oberlandesgericht Hamm stellte hierzu mit Urteil vom 13.09.2016 - 9 U 158/15 fest, dass der Betreiber gegen seine Verkehrssicherungspflicht verstoßen hatte. Ein Kunde muss höchstens mit einer kleineren Unebenheit von bis zu 2,5 cm, nicht aber mit einer Kante von 3 cm rechnen. Allerdings ging das Gericht hier von einem Mitverschulden des Kunden in Höhe von 50% aus.
Fazit:
Inwieweit Kunden bei einem Sturz im Supermarkt zivilrechtliche Ansprüche gegen den Betreiber haben, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab. Am besten sollten Sie sich im Vorfeld beraten lassen. Unter Umständen kommt auch eine Strafanzeige infrage, etwa wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 StGB.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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