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Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) – Neues zur Kettenbefristung für Wissenschaftler

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(1 Bewertung)24.10.2024 Arbeitsrecht

Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) – Neues zur Kettenbefristung für Wissenschaftler

Unsere Kanzlei befasst sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und den Entwicklungen, die dieses Gesetz in der Praxis hervorgebracht hat. Nun steht eine Reform bevor, auf deren mögliche Auswirkungen wir in diesem Artikel einen Ausblick geben.

Ein bekanntes Problem: die Kettenbefristung von Arbeitsverträgen

Die Intention des Gesetzgebers war ursprünglich durchaus positiv: In der Wissenschaft sollte ein ständiger Austausch stattfinden können, Nachwuchswissenschaftler sollten leichteren Zugang zur Forschung bekommen und das Kündigungsschutzgesetz sollte den dynamischen Bedingungen der Wissenschaft nicht im Wege stehen. Daher ermöglicht das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) wissenschaftlichen Einrichtungen, insbesondere Universitäten, eine weitreichende Flexibilität bei befristeten Arbeitsverträgen. Was anderswo die Ausnahme ist, ist in der Wissenschaft die Regel: der befristete Arbeitsvertrag.

Doch die Auswirkungen dieses Gesetzes sind in der Praxis oft ungünstig: Mitarbeiter, die vorwiegend in der Verwaltung tätig oder mit dauerhaften Aufgaben beschäftigt sind, werden über Jahre hinweg mit immer neuen befristeten Verträgen in ständiger Unsicherheit gehalten – die sogenannte Kettenbefristung. Mit der Zeit verschwimmen dann teils auch die Grenzen zwischen Forschungsaufgaben und Daueraufgaben immer mehr.

 

Nicht selten arbeiten Wissenschaftler auch jahrelang, aber immer wieder neu befristet, in von der Industrie finanzierten Projekten, deren Ergebnisse letztlich auch vorrangig der Industrie zugutekommen. Hier stellt sich die Frage, ob die Privilegierung der Wissenschaft noch gerechtfertigt ist und worin der Unterschied zu einem gewöhnlichen Zulieferer in der Privatwirtschaft besteht.

 

Reform des WissZeitVG

 

Diese Missstände sind seit Jahren bekannt – erinnern wir uns an die Debatte unter dem Hashtag #IchBinHanna im Jahr 2021, als auf Twitter intensiv über das WissZeitVG diskutiert wurde. Jetzt scheint sich endlich etwas zu bewegen: Im März 2024 hat das Bundeskabinett wesentliche Änderungen beschlossen, die insbesondere die Arbeitsbedingungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in der sogenannten Qualifizierungsphaseverbessern sollen (siehe https://www.bmbf.de/bmbf/shareddocs/faq/wisszeitvg-reform.html). Die geplanten Neuerungen umfassen vor allem zwei Punkte:

1. Das Ende der Kurzzeitbefristungen

Die Reform sieht die Einführung von Mindestvertragslaufzeiten vor:

  • 3 Jahre für den ersten Vertrag vor der Promotion (PraeDoc)
  • 2 Jahre nach der Promotion (PostDoc)
  • 1 Jahr für studienbegleitende Tätigkeiten

Das Ende der extrem kurzen Vertragslaufzeiten ist ein begrüßenswerter Schritt. In Ausnahmefällen soll eine kürzere Vertragslaufzeit jedoch weiterhin möglich sein, was die Anwaltschaft und Rechtsprechung im Auge behalten müssen.

2. Reduzierung der Höchstbefristungsdauer nach der Promotion

Hierfür wird ein neues 4+2-Modell eingeführt:

  • 4 Jahre nach der Promotion (statt bisher 6 Jahren)
  • Eine weitere Verlängerung um 2 Jahre ist nur noch mit einer Anschlusszusage möglich, die ein unbefristetes Arbeitsverhältnis garantiert, sofern vereinbarte wissenschaftliche Ziele erreicht werden.

 

Wenn sich diese Anschlusszusage in der Praxis durchsetzt, könnte dies das Problem der endlosen Kettenbefristungen lösen – ein längst überfälliger Schritt.

 

Umgehung der Anschlusszusage durch Drittmittelfbefristung?

Am Grundkonzept des Gesetzes ändert sich jedoch nichts: Die Zweigliedrigkeit zwischen Qualifizierungsbefristung(§ 2 Abs. 1 WissZeitVG) und Drittmittelbefristung (§ 2 Abs. 2 WissZeitVG) bleibt bestehen. Problematisch bleibt daher, dass Institutionen weiterhin die Qualifizierungsbefristung vollständig ausschöpfen und anschließend auf Drittmittelbefristungen umsteigen können. Hier gibt es keine Mindestlaufzeiten oder Höchstgrenzen, was weiterhin die Gefahr der Umgehung der Anschlusszusage birgt.

Das Bundesministerium erklärt hierzu, dass es einen zeitlichen Vorrang der Qualifizierungsbefristung vor der Drittmittelbefristung geben soll. Wie sich das in der Praxis auswirken wird, bleibt jedoch abzuwarten. Im Zweifelsfall wird man wohl doch wieder auf die schon bekannte Rechtsprechung zur rechtswidrigen Kettenbefristungzurückgreifen müssen.

Keine Rückwirkung der Gesetzesänderung

Es ist klar, dass das neue Gesetz keine rückwirkenden Änderungen mit sich bringt. Bestehende Befristungen müssen weiterhin auf ihre Rechtmäßigkeit nach der bisher gültigen Gesetzeslage überprüft werden, also insbesondere im Hinblick auf rechtswidrige Kettenbefristungen.

 

Beratung durch Fachanwälte für Arbeitsrecht

 

Unsere Kanzlei ist seit vielen Jahren auf das WissZeitVG spezialisiert und unsere Fachanwälte für Arbeitsrechtvertreten betroffene Arbeitnehmer bundesweit. Wenn Sie sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis befinden und dessen Rechtmäßigkeit überprüfen möchten, zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

 

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