Frankfurt/Main (jur). Fluggesellschaften müssen Reisende mit eingeschränkter Mobilität und ihre Begleitpersonen beim Ein- und Ausstieg bevorzugt behandeln. Verpassen sie einen Anschlussflug, weil sie nur als Letzte aussteigen durften, muss die verantwortliche Fluggesellschaft die Kosten für ein neues Ticket für den Weiterflug bezahlen, entschied das Landgericht Frankfurt am Main in einem am Dienstag, 23. August 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: 2-24 S 173/21).
Damit bekam der auf einen Rollstuhl angewiesene Kläger recht. Der Mann hatte bei einem Vermittler im Internet für sich und seine Frau einen Flug von Frankfurt nach St. Petersburg gebucht. In Budapest sollte das Paar umsteigen. Die Umsteigezeit betrug 45 Minuten. Einen extra Rollstuhlbegleitservice hatte der Kläger nicht gebucht.
Doch als das Flugzeug am Zwischenstopp in Budapest landete, bat der Kläger vergeblich darum, wegen seiner eingeschränkten Mobilität vorrangig aussteigen zu dürfen, um den Anschlussflug noch erreichen zu können. Tatsächlich durften die Eheleute erst den Flieger verlassen, nachdem alle anderen Passagiere ausgestiegen waren. Sie verpassten daraufhin den Weiterflug nach St. Petersburg. Das Ehepaar musste ein neues Ticket zum Preis von 227,27 Euro pro Person kaufen. Dies müsse die Fluggesellschaft wegen des verspäteten Ausstiegs ihnen ersetzen, so der Kläger.
Das Landgericht stimmte dem mit Urteil vom 23. Juni 2022 zu. Nach der Fluggastrechteverordnung müsse ein Luftfahrtunternehmen einer Person mit eingeschränkter Mobilität und deren Begleitpersonen - wie etwa Kindern - Vorrang bei der Beförderung einräumen. Dies betreffe nicht nur das Boarding, sondern auch das Deboarding - der Ausstieg aus dem Flugzeug.
Den Eheleuten treffe auch kein Mitverschulden, weil sie ihre Umsteigezeit zu knapp bemessen hätten. Auch wenn sie langsamer seien als andere Passagiere, hätten sie nicht vorhersehen müssen, dass eine Umsteigezeit von 45 Minuten nicht ausreicht.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock