Einleitung zum Thema: In einer Rechtssache, die im Dezember 2014 vom Bundesgerichtshof zu entscheiden war (BGH, Urt. v 10.12.2014, IV ZR 281/14), bestanden Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Anspruchsteller und dem Kaftfahrtversicherer zur Höhe des Schadens an einem Kraftfahrzeug.
Die AKB sehen zur Problematik unterschiedlicher Schadenfeststellungen folgende Bestimmungen vor:
A.2.18.1: „Bei Meinungsverschiedenheit über die Höhe des Schadens einschließlich der Feststellung des Wiederbeschaffungswertes oder über den Umfang der erforderlichen Reparaturarbeiten entscheidet ein Sachverständigenausschuss. A.2.18.2 Für den Ausschuss benennen Sie und wir je einen Kraftfahrzeugsachverständigen. Wenn Sie oder wir innerhalb von zwei Wochen nach Aufforderung keinen Sachverständigen benennen, wird dieser von dem jeweils Anderen bestimmt. A.2.18.3 Soweit sich der Ausschuss nicht einigt, entscheidet ein weiterer Kraftfahrzeugsachverständiger als Obmann, der vor Beginn des Verfahrens von dem Ausschuss gewählt werden soll. Einigt sich der Ausschuss nicht über die Person des Obmanns, wird er über das zuständige Amtsgericht benannt. Die Entscheidung des Obmanns muss zwischen den jeweils von den beiden Sachverständigen geschätzten Beträgen liegen. A.2.18.4 Die Kosten des Sachverständigenverfahrens sind im Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen von uns bzw. von Ihnen zu tragen."
Sachverhalt: Der Beklagte Versicherer schätzte den Schaden (Glasbruchschaden und Gutachterkosten) durch ihre eigene Gutachterabteilung auf nur 509,92 €. Der Kläger hatte Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens und beauftragte einen eigenen Gutachter, welcher den Schaden auf 1.734,12 € schätzte. Der Gutachter des Klägers forderte daraufhin die Beklagte zur Benennung seines Ausschussmitglieds für das Sachverständigenverfahren auf. Schließlich korrigierte die beklagte Versicherung die eigene Schadenschätzung auf die von ihr akzeptierte Schadenhöhe auf 1.019,84 € und benannte den Leiter seiner Sachverständigenabteilung als Ausschussmitglied, den der Ingenieur des Klägers wegen seiner beruflichen Tätigkeit für die beklagte Versicherung als befangen ablehnte. Nachdem der Beklagte innerhalb der Zweiwochenfrist kein anderes Ausschussmitglied benannt hatte, berief der vom Kläger beauftragte Ingenieur für den Beklagten einen weiteren Diplom-Ingenieur als Ausschussmitglied. Diese beiden Ingenieure bezifferten den Schaden auf 1.734,12 €. Abzüglich der vom Kläger zu tragenden Selbstbeteiligung ergab sich ein Anspruch des Klägers in Höhe von 1.584,12 € Das Amtsgericht (Straußberg) hat die beklagte Versicherung antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung hin hatte das Landgericht (Frankfurt a. d. O.) das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers, der die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.
Der BGH führt dazu aus: „Welche Anforderungen an die Person und die Sachkunde eines Sachverständigen zu stellen sind, richtet sich nach den zugrunde liegenden AKB. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Senatsrechtsprechung so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch seine Interessen an (zum Maßstab der Auslegung allgemeiner Versicherungsbedingungen Senatsurteil vom 23. Juni 1993: IV ZR 135/92, BGHZ 123, 83, 85). Allgemeine Versicherungsbedingungen sind aus sich heraus zu interpretieren. In erster Linie ist dabei vom Wortlaut auszugehen (Senatsurteil v. 25.07.2012, IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rdn. 21). Diesem entnimmt der Versicherungsnehmer, dass nach A.2.18.1 AKB bei Meinungsverschiedenheiten über die Höhe des Schadens ein Sachverständigenausschuss entscheidet und dieser Ausschuss nach A.2.18.2 Satz 1 AKB gebildet wird, indem Versicherungsnehmer und Versicherer je einen "Kraftfahrzeugsachverständigen" benennen. Darüber hinaus sind in den Versicherungsbedingungen keine weiteren Anforderungen an die Person und Sachkunde des Sachverständigen genannt. Der Versicherungsnehmer kann aus dem Wortlaut nur ersehen, dass es sich bei dem Ausschussmitglied um einen Kraftfahrzeugsachverständigen handeln muss. Maßgeblich soll also der technische Sachverstand der Person sein. Dem mit der Regelung verfolgten Sinn und Zweck, soweit dieser für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (vgl. Senatsurteil v. 25. 07 2012, IV ZR 201/10, VersR 2012, 1149 Rdn. 21 m.w.N.; st. Rspr.) wird aber zu entnehmen sein, dass ein Mitarbeiter einer der Parteien, also auch ein Mitarbeiter des Versicherers, nicht als Sachverständiger auftreten kann.
Mit dem Sachverständigenverfahren werde erkennbar bezweckt, dass die Schadenregulierung möglichst rasch mit sachverständiger Hilfe erledigt werde und kein langwieriger und kostspieliger Streit vor den staatlichen Gerichten ausgetragen werde (BGH, Urt. v. 1. 04. IVa ZR 139/85, VersR 1987, 601 unter 1 b).“ Mit dem Leiter seiner Sachverständigenabteilung hatte die beklagte Versicherung damit innerhalb der Zweiwochenfrist keinen Sachverständigen im Sinne der maßgeblichen AKB benannt. Dies hatte zur Folge, dass das Bestimmungsrecht nach Ablauf der Frist auf den Kläger übergegangen war und das in den AKB vorgesehene Verfahren ordnungsgemäß durchgeführt worden ist. Die im Sachverständigenverfahren getroffenen Feststellungen sind damit entsprechend der Ausführungen des BGH nach § 84 Abs. 1 Satz 1 VVG verbindlich geworden.
Die beklagte Versicherung musste sich daher hinsichtlich der Schadenhöhe am Ergebnis des Sachverständigengutachtens des Klägers festhalten lassen.
Anmerkung des Verfassers: Die Auslegung der AKB, wonach ein Gutachter des Versicherers wegen der Anforderungen an die Unparteilichkeit kein Gutachter im Sinne der AKB A.218.1 sein kann, ist sachgerecht, wie vorliegend bereits die sehr auffallend niedrige Schätzung des Glasschadens durch den Gutachter des Versicherers und die spätere eigene Korrektur auf ungefähr den doppelten Betrag zeigten. Alleine dieser Unstand schon begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens der Gutachtenabteilung des Versicherers. Ergebnis dieser zutreffenden Auslegung der AKB durch den BGH war, dass nur eines der Gutachten, nämlich dasjenige des Klägers, vorlag und dass die Regulierung entsprechend diesem Gutachten erfolgen musste.
Mitgeteilt durch: RA Dr. Ulrich Walter Stoklossa, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Versicherungsrecht und Familienrecht Würzburg (Tel. 0931/406 200 62) Aschaffenburg (06021/585 1270) und Marktheidenfeld (09391/916670). www.radrstoklossa.de und www.rechtsanwalt-marktheidenfeld.de).