Kassel (jur). Während der Schulpause stehen rauchende Schüler im nahe gelegenen Stadtpark nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Park stellt keinen „erweiterten Schulhof“ dar und gehört nicht mehr zum „organisatorischen Verantwortungs- und Einflussbereich“ der Schule, urteilte am Dienstag, 28. Juni 2022, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 2 U 20/20 R). Dies gelte auch dann, wenn volljährigen Schülern das Aufsuchen des Parks erlaubt wurde, so die obersten Sozialrichter.
Vor Gericht war ein volljähriger Gymnasiast aus Hamburg gezogen. Der Oberschüler wollte am 18. Januar 2018 während der Schulpause im nahe gelegenen Stadtpark mit zwei Mitschülern eine Zigarette rauchen. Auf dem Schulgelände selbst bestand Rauchverbot. Doch das Wetter war gegen das Raucher-Trio. Es herrschte Sturm und Schneefall. Als an einem Baum ein Ast abbrach und den Gymnasiasten traf, war die Pause für ihn beendet. Er erlitt unter anderem ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Den Unfall sollte die für die Schülerversicherung zuständige Unfallkasse Nord als Arbeitsunfall anerkennen.
Die Unfallkasse lehnte ab. Sobald das Schulgelände verlassen worden sei, könne kein Unfallschutz mehr gewährt werden. Das Rauchen im Park sei auch keine besondere Situation, die eine Verantwortung der Schule begründe.
Der Schüler verwies auf ein Urteil des BSG vom 23. Januar 2018 (Az.: B 2 U 8/16 R, JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Danach könne auch außerhalb des Schulgeländes und sogar zu Hause Unfallversicherungsschutz bestehen. Im damals entschiedenen Fall urteilte das BSG, dass für schulisch veranlasste Gruppenarbeiten auch außerhalb der Schule Versicherungsschutz greife. Hier sollten mehrere Schüler auf Veranlassung der Musiklehrerin in der Wohnung eines Schülers als Gruppenarbeit ein Werbe-Video erstellen. Als nach einem Streit ein Schüler auf dem Nachhauseweg stürzte, stellte das BSG einen versicherten Unfall fest, auch wenn sich dieser nicht in der Schule ereignet hatte. Das müsse auch für ihn gelten, meinte der Gymnasiast im aktuellen Fall.
Seine Schule habe für volljährige Oberschüler die Pause im benachbarten Stadtpark auch propagiert. Denn der Schulhof sei für die ganzen Schüler viel zu eng bemessen.
Doch das BSG urteilte, dass der Schüler beim Rauchen im Stadtpark nicht unter dem Schutz der Unfallversicherung stand. Zwar könne auch außerhalb des Schulgeländes ein Unfallschutz bestehen, etwa bei Klassenfahrten oder bei Schulprojekten. Hier sei der Schüler im Park mit dem Rauchen aber einer privatwirtschaftlichen Tätigkeit nachgegangen. Die Schule habe zudem keine Aufsichtsmöglichkeit. Auch könne sie volljährigen Schülern nicht daran hindern, die Schule zu verlassen. Der Aufenthalt im Park sei „nicht zwingend erforderlich“ gewesen.
Es gebe außerdem keine Anhaltspunkte dafür, dass der Schüler seine Pausenerholung nicht auch auf dem Schulgelände hätte erhalten können.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock