Sozialrecht

Schwerbehindertenausweis gibt es regelmäßig nur befristet

09.03.2022
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Zuletzt bearbeitet am: 26.01.2024

Stuttgart (jur). Schwerbehinderte Menschen haben regelmäßig keinen Anspruch auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis. Selbst wenn in einem gerichtlichen Vergleich die Schwerbehinderteneigenschaft unbefristet vereinbart wurde, ist letztlich nur der später erteilte Bescheid und eine darin enthaltene Befristung maßgeblich, entschied das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Dienstag, 8. März 2022, bekanntgegebenen Urteil (Az.: L 8 SB 2527/21).

Im konkreten Fall ging es um eine heute 61-jährige Frau, die einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis beanspruchte. Bei der Klägerin wurde operativ an der rechten Brust ein Geschwulst entfernt, zudem bestehen bei ihr eine Depression, Organbeschwerden, Bronchialasthma und ein Herzklappenfehler.

Das Land Baden-Württemberg erkannte zunächst nur einen Grad der Behinderung (GdB) von 30 an. Im Klageverfahren schlossen die Frau und das Land einen Vergleich. Danach wurde – unbefristet – seit Juni 2020 ein GdB von 60 vereinbart.

Doch im entsprechenden Bescheid vom März 2021 wurde zwar der GdB von 60 festgestellt, der Schwerbehindertenausweis wurde aber mit dem Aufdruck „gültig bis 1/2026“ befristet.

Vor Gericht verwies die Frau auf den Vergleich, der einen GdB von 60 und einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis vorsah.

Doch das LSG Stuttgart wies die Klägerin mit Urteil vom 18. Februar 2022 ab. Nach dem Gesetz „soll“ der Schwerbehindertenausweis befristet werden. Nur in atypischen Fällen, wenn keinerlei Änderung der Schwerbehinderung zu erwarten ist, könne ein unbefristeter Ausweis ausgestellt werden.

Davon könne hier aber keine Rede sein. Denn das Geschwulst sei beseitigt worden, so dass nach fünf Jahren eine Änderung des Gesundheitszustandes möglich sei. Die Befristung eines Ausweises bezwecke, zu gegebener Zeit prüfen zu können, ob die im Ausweis dokumentierten Merkmale beziehungsweise Nachteilsausgleiche noch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Habe sich keine Änderung der Schwerbehinderung ergeben, könne der Frau ein neuer Schwerbehindertenausweis ausgestellt werden.

Das LSG Erfurt hatte mit Urteil vom 14. Oktober 2021 im Fall eines gehörlosen Mannes entschieden, dass auch bei einer voraussichtlich unumkehrbaren Behinderung kein Anspruch auf einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis bestehe (Az.: L 5 SB 1259/19; JurAgentur-Meldung vom 25. November 2021). Zwar habe der Kläger darauf verwiesen, dass in anderen Landkreisen in vergleichbaren Fällen ein unbefristeter Ausweis ausgestellt werde. Eine rechtlich einklagbare Verpflichtung ergebe sich daraus aber nicht.

Doch selbst die unbefristete Erteilung eines Schwerbehindertenausweises muss nach einem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 11. August 2015 nicht immer und ewig gelten (Az.: B 9 SB 2/15 R; JurAgentur-Meldung vom Urteilstag). Wenn das Versorgungsamt fehlerhaft die Schwerbehinderteneigenschaft jahrzehntelang ungeprüft durchgewunken und zuletzt sogar unbefristet festgestellt hat, könne einem längst geheilten Betroffenen der Schwerbehindertenausweis für die Zukunft entzogen werden, so die Kasseler Richter im Fall eines früheren Tumorpatienten. Ein Vertrauensschutz auf einen Schwerbehindertenausweis für die Zukunft gebe es nicht.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

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