Karlsruhe (jur). Lehnen Eltern die Rechtmäßigkeit der Bundesrepublik Deutschland und damit auch den Schulbesuch ihres 13-jährigen Kindes in einer staatlichen Schule ab, kann ihnen nur als letztes Mittel vorläufig das Sorgerecht teilweise entzogen werden. Erklären sich die Eltern schließlich bereit, dass ihr Sohn zur Vorbereitung eines regelmäßigen Schulbesuchs an einem Schulprojekt teilnehmen kann, ist dies aus Kindeswohlgründen sorgerechtlichen Maßnahmen vorzuziehen, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem am Sonntag, 26. Februar 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 5 UF 188/22).
Im Streitfall ging es um einen 13-jährigen Jungen, der nach der Grundschule in der Coronazeit im September 2020 auf die Realschule wechselte. Die in einem Seitental des Schwarzwaldes auf einen Hof lebenden Eltern hatten ihren Sohn seit September 2021 gar nicht mehr am Schulunterricht teilnehmen lassen.
Beim zuständigen Ordnungsamt wurden schließlich im wöchentlichen Rhythmus 14 Bußgeldbescheide erlassen, weil die Eltern den Schulbesuch ihres Sohnes nicht gewährleisteten. Die Mutter, eine ausgebildete Erzieherin, hatte die Beschulung lieber selbst übernommen.
Vor dem Familiengericht erschienen die Eltern nicht. Das Gericht sei nicht rechtmäßig. Es habe zum Nachweis der eigenen Legalität nicht die Gründungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt, meinten die Eltern. In einem Schreiben erklärten sie, dass es den Menschen erlaubt sein müsse, „in Eigen-Verantwortung ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen“ und stellten die Frage, ob hinsichtlich der Schulpflicht „der angebliche Staat‘ die Kontrolle und Herrschaft“ übernehmen wolle.
Daraufhin entzog das Familiengericht den Eltern vorläufig teilweise das Sorgerecht. Es wurde ein Ergänzungspfleger bestellt, der unter anderem über das Aufenthaltsbestimmungsrecht des 13-Jährigen und seine schulischen Angelegenheiten bestimmen sollte. Die Herausgabe des Kindes sollte notfalls unter Einsatz von Gewalt und Durchsuchen der elterlichen Wohnung erfolgen.
In seinem Beschluss vom 25. Januar 2023 hob das OLG diese Entscheidung auf. Zwar habe das Familiengericht zu recht festgestellt, dass der unterbliebene Schulbesuch eine Kindeswohlgefährdung darstelle. Dies könne auch sorgerechtliche Maßnahmen begründen. Allerdings hätten die Eltern vor dem Senat schließlich zugesagt, dass ihr Sohn an einem Schulprojekt teilnehmen könne, mit dem Ziel, später den regelmäßigen Schulbesuch zu sichern. Dies sei hier vorzuziehen. Denn der teilweise Entzug des Sorgerechts komme nur als letztes Mittel in Betracht.
Denn vorrangig komme den Eltern die Aufgabe zu, Gefahren für das Kind abzuwehren. Kinder hätten auch grundsätzlich Anspruch darauf, mit und in der eigenen Familie zu leben und aufzuwachsen. Erst wenn sich Eltern beharrlich weigerten, ihr Kind in die Schule zu schicken, kämen gerichtliche Maßnahmen und die Bestellung eines Ergänzungspflegers in Betracht. Hier würden sich die Eltern aber nicht mehr völlig verweigern und hätten dem Besuch des Schulprojektes zugestimmt. Dies sei als milderes Mittel dem teilweisen und vorläufigen Entzug des Sorgerechts vorzuziehen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock