Sozialrecht

Sozialhilfe muss nur bei Bedürftigkeit zahlen

Zuletzt bearbeitet am: 21.02.2024

Kassel (jur). Für behinderte Kinder muss die Sozialhilfe nur dann den Einbau eines erforderlichen Fahrstuhls im elterlichen Haus bezahlen, wenn die Eltern nicht über ausreichendes Vermögen verfügen. Der Fahrstuhl gehört nicht zu den gesetzlich privilegierten Maßnahmen, bei denen Einkommen und Vermögen unberücksichtigt bleiben, urteilte am Donnerstag, 20. September 2012, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 8 SO 15/11 R).

Laut Sozialgesetzbuch XII können Behinderte verschiedene Maßnahmen unabhängig von ihrem Vermögen beanspruchen. Auch Einkommen wird hier nur berücksichtigt, soweit die Maßnahme zu Einsparungen beim laufenden Lebensunterhalt führt.

Zu diesen begünstigten Maßnahmen gehören Hilfen für die Teilnahme noch nicht eingeschulter Kinder „am Leben in der Gemeinschaft“, Hilfen „zu einer angemessenen Schulbildung“ sowie Hilfen zur beruflichen Ausbildung.

Der heute zehnjährige Kläger lebt mit seinen Eltern im ersten und zweiten Stock des elterlichen Hauses. Er ist erheblich behindert, unter anderem besteht eine Teillähmung beider Beine. Daher wollten die Eltern in ihr Haus einen Fahrstuhl einbauen lassen. Die Kosten von knapp 38.000 Euro sollte die Sozialhilfe übernehmen.

Die Sozialbehörde des Landkreises Warendorf lehnte dies ab. Der Vater hatte angegeben, dass er über Vermögen von mehr als 37.000 Euro sowie mehrere Ländereien verfüge. Damit könne er auch die Kosten des Fahrstuhls tragen.

Mit seiner Klage machte der Junge geltend, er könne nur mit einem Fahrstuhl überhaupt das Haus verlassen. Der Einbau sei also zwingend nötig, damit er „am Leben in der Gemeinschaft“ teilnehmen und später eine Schule besuchen könne.

Doch nach dem Gesamtbild der begünstigten Maßnahmen sind hier Umbauten am Haus nicht gemeint, entschied das BSG. Vielmehr gehe es um Fördermaßnahmen unmittelbar für das Kind selbst. Gerade bei dem Fahrstuhl stehe dagegen die „allgemeine Lebensführung im Vordergrund“. Geld von der Sozialhilfe gebe es daher nur, wenn das Einkommen und Vermögen der Eltern nicht reicht. Dies soll nun das Landessozialgericht Essen näher prüfen.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage 

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