München (jur). Sportvereinen droht eine weitreichende Umsatzsteuerpflicht. Nach einem am Donnerstag, 12. Mai 2022, veröffentlichten Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in München können sie sich nicht mehr auf eine EU-rechtliche Befreiungsklausel berufen (Az.: V R 48/20). Wie weit die Steuerpflicht reicht und ob auch die regulären Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen, ist rechtlich offen und hängt auch von der Finanzverwaltung ab. Klarheit und Rechtssicherheit könnte nur der Gesetzgeber schaffen.
Mit seinem jetzt schriftlich veröffentlichten Grundsatzurteil vom 21. April 2022 setzte der BFH Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg um. Konkret wiesen die Münchener Richter die Klage des Golfclubs Schloss Igling im bayerischen Kreis Landsberg ab.
Dieser ermöglicht seinen Mitgliedern die Nutzung des vereinseigenen Golfplatzes. Gegen zusätzliches Entgelt können Caddys oder Golfbälle für das Abschlagstraining gemietet werden.
Nach der bislang üblichen großzügigen Praxis der Finanzverwaltung wurde auf solche Leistungen keine Umsatzsteuer fällig. Grund war eine Klausel in der EU-Umsatzsteuerrichtlinie, die eine Steuerbefreiung aller „in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehender Dienstleistungen“ erlaubt.
Zum Streit war es hier nur wegen eines Satzungsmangels des Golfclubs gekommen. Der BFH hatte den Streit dem EuGH vorgelegt. Der urteilte am 10. Dezember 2020, dass Vereine sich nicht unmittelbar auf die Befreiungsklausel berufen können. Sie lasse den Mitgliedsstaaten einen Regelungsspielraum und müsse daher zunächst in das jeweilige nationale Recht umgesetzt werden.
Dies hat der deutsche Gesetzgeber bislang nicht getan. Nach den Vorgaben des EuGH musste der BFH nun aber dennoch erstmals das bislang enge deutsche Recht für sein Urteil heranziehen. Danach sind nur Veranstaltungen und Kurse umsatzsteuerfrei, „soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht“. Dies würde zumindest Turniere und auch kompakte Sportkurse umfassen.
Offen ist, ob dies auch für ein wöchentliches Training gilt, wie sie üblich über den Mitgliedsbeitrag bezahlt wird. Dies würde eine sehr weite Auslegung des Begriffs „Kurs“ erfordern. Bislang kam es für die Finanzgerichte darauf gar nicht an, weil sie Streitfälle ohnehin nach dem EU-Recht entschieden hatten.
Ob als Konsequenz des BFH-Urteils die Mitgliedsbeiträge und andere Einnahmen der Umsatzsteuer unterworfen werden, hängt zunächst auch von der Finanzverwaltung ab. Diese hatte gemeinnützige Sportvereine bislang gar nicht als Unternehmen angesehen, weshalb jedenfalls ihr normales Sportangebot ohnehin nicht der Umsatzsteuer unterlag. Ob dies vor dem Hintergrund des neuen BFH-Urteils Bestand haben wird, ist offen. Ohnehin teilen die Finanzgerichte diese großzügige Haltung nicht.
Klarheit und Rechtssicherheit kann nach dem Münchener Urteil nur der Gesetzgeber schaffen. Nach den Vorgaben auch des EuGH steht es ihm frei, die Befreiungsklausel im EU-Recht zu nutzen und auszugestalten. Anders als beim Sport hat der Gesetzgeber dies bei der Kultur bereits getan.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock