Kassel (jur). Eine Ärztin, die gegen Beteiligung an den eigenen Umsätzen stundenweise in einer fremden Praxis arbeitet, ist sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Das hat das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel in einem am Mittwoch, 13. Dezember 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschieden (Az.: B 12 R 10/21 R). Die Ärztin sei letztlich in die Praxis eingegliedert und trage keinerlei Verlustrisiko.
Die Klägerin betrieb eine augenärztliche Praxis in Bremen. Für jeweils fünf Stunden an ein bis zwei Tagen pro Woche übernahm eine Kollegin die Sprechstunden. Laut Vertrag stellte die Klägerin die komplette Infrastruktur ihrer Praxis zur Verfügung. Die Kollegin ließ sich von den von ihr behandelten Patienten einen „Behandlungsauftrag“ unterschreiben, mit dem sich die Patienten mit der Abrechnung durch die Praxiseigentümerin einverstanden erklärten.
Dabei handelte es sich überwiegend um selbst einbestellte Patienten der Kollegin, teils wies ihr aber auch die Praxiseigentümerin Patienten zu. Die Praxiseigentümerin rechnete aber sämtliche Leistungen ab. Davon behielt sie 65 Prozent, 35 Prozent erhielt die Kollegin. Ähnlich verfuhr die Praxisinhaberin offenbar auch mit weiteren Kolleginnen und Kollegen.
Die Rentenversicherung stellte die Sozialversicherungspflicht der hier zu dem Verfahren beigeladenen Kollegin fest. Dagegen klagte die Praxisinhaberin.
Anders als die Vorinstanzen wies nun das BSG die Klage weitgehend ab. Es überwögen hier die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung.
Zur Begründung erklärten die Kasseler Richter, dass die beigeladene Augenärztin nur auf der Einnahmeseite ein Ausfallrisiko getragen habe, weil ihre Einkünfte von den Honorarzahlungen der behandelten Patienten abhingen. „Sie trug aber kein Verlustrisiko“, betonte das BSG. Denn ihre Umsatzbeteiligung sei nur von den Zahlungen ihrer Patienten abhängig gewesen, nicht aber von der Deckung der Praxiskosten.
„Dies barg für die Beigeladene nicht das typische Unternehmerrisiko, dass Kosten auch dann entstehen, wenn keine oder nur ungenügende Einnahmen erzielt werden.“ Ihre Einkommenssituation sei daher eher mit Beschäftigten vergleichbar, deren Entgelt mit Erfolgsanteilen berechnet wird, als mit typischen Selbstständigen. Den größeren Teil des Zahlungsausfallrisikos habe mit 65 Prozent die Praxisinhaberin getragen.
Auch sei die beigeladene Augenärztin in die Betriebsabläufe der Praxis eingegliedert gewesen. Sie habe dort die gesamte Infrastruktur genutzt. Gegenüber dem Praxispersonal habe sie „nur fachliche Weisungen“ erteilen können, habe aber „keine Arbeitgeberfunktion“ gehabt. Auch über die Öffnungszeiten und andere Fragen der Praxisorganisation habe die Inhaberin entschieden.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock