Aufgrund der Treuepflicht muss der Gesellschafter einer Maßnahme zustimmen, wenn sie zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.
Aus den Entscheidungsgründen:
I.
Dass eine Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, die Zwecke der Gesellschaft fördert und die Zustimmung dem Gesellschafter zumutbar ist, genügt nicht, um eine Zustimmungspflicht des Gesellschafters zu begründen oder eine entgegenstehende Stimmabgabe als unwirksam anzusehen.
Aufgrund der Treuepflicht muss nach der Rspr. des Senats nur dann in einem bestimmten Sinn abgestimmt werden, wenn die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung wesentlicher Werte, die die Gesellschafter geschaffen haben, oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, die die Gesellschaft bzw. die Gesellschafter erleiden könnten, objektiv unabweisbar erforderlich ist und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist, also wenn der Gesellschaftszweck und das Interesse der Gesellschaft gerade diese Maßnahme zwingend gebieten und der Gesellschafter seine Zustimmung ohne vertretbaren Grund verweigert.
Diese hohen Anforderungen, die vornehmlich an die Zustimmungspflicht zu Änderungen des Gesellschaftsvertrags gestellt werden, bestehen auch dann, wenn – wie hier – die Zustimmungspflicht zu Maßnahmen der Geschäftsführung in Rede steht.
II.
Ein Gesellschafter ist in der Ausübung seines Stimmrechts frei, soweit sie ihm nicht schon nach § 47 Abs. 4 GmbHG untersagt ist und er die durch die Treuepflicht gezogenen Grenzen einhält.
Eine Rechtspflicht zur Zustimmung zu Maßnahmen der Geschäftsführung, die die Geschäftsführung oder die Mitgesellschafter für sinnvoll halten, besteht grundsätzlich nicht.
Auch die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Maßnahme ist Aufgabe der Gesellschafter.
Die Gesellschafter müssen hinnehmen, dass eine Maßnahme unterbleibt, wenn einer von ihnen nach eigener Beurteilung der Dinge nicht zustimmen zu können glaubt, auch wenn ihnen die Ablehnung oder die dazu möglicherweise abgegebene Begründung falsch oder töricht erscheint.
Der Gesellschafter muss aus diesem Grund seine Stimmabgabe auch nicht rechtfertigen.
III.
Soweit der Gesellschafter durch die Treuepflicht nicht zur Zustimmung verpflichtet ist, kann er sie zu einer vorgeschlagenen Maßnahme verweigern, selbst wenn seine Beweggründe dafür sachwidrig und unverständlich erscheinen. Das Gericht darf einen Beschluss nicht deshalb beanstanden, weil er unzweckmäßig oder nicht im Interesse der Gesellschaft erscheint.
IV.
Eine Beschränkung dieser Stimmrechtsausübungsfreiheit kommt nur im Ausnahmefall in Frage, wenn der Gesellschaftszweck objektiv eine bestimmte Maßnahme zwingend gebietet, also die zu beschließende Maßnahme zur Erhaltung des Geschaffenen oder zur Vermeidung von Verlusten dringend geboten ist, und dem Gesellschafter die Zustimmung zumutbar ist.
Die Treuepflicht gebietet es zwar, sich bei der Stimmabgabe grundsätzlich von den Interessen der Gesellschaft leiten zu lassen.
Wie die Interessen der Gesellschaft am besten gewahrt bleiben, haben aber grundsätzlich die Gesellschafter zu beurteilen.
Eine Pflicht zur Abstimmung in einem bestimmten Sinn besteht daher nur, wenn zur Verfolgung der Interessen der Gesellschaft keine andere Stimmabgabe denkbar ist, andernfalls nur schwere Nachteile entstehen und die eigenen Interessen des Gesellschafters dahinter zurückstehen müssen.
V.
Von der Treuepflicht ist nicht wie bei den Stimmverboten nach § 47 Abs. 4 GmbHG die Teilnahme an der Abstimmung betroffen, sondern der Inhalt der Stimmabgabe.
Dabei kann die Enthaltung oder Nichtteilnahme an der Versammlung der Treuepflicht in tatsächlicher Hinsicht genügen, wenn durch die Stimmen der Mitgesellschafter gesichert ist, dass die Maßnahme erfolgen kann.
Rechtlich steht dahinter aber immer die Verpflichtung, durch das eigene Verhalten eine bestimmte Maßnahme zu ermöglichen.
Wenn keine Treuepflicht zur Stimmabgabe in einem bestimmten Sinn besteht, kann eine im gegenteiligen Sinn abgegebene Stimme auch nicht wegen eines Verstoßes gegen die Treuepflicht als unwirksam gewertet werden.
VI.
Eine Verletzung der Treuepflicht auch in Frage, wenn ein Gesellschafter sein Stimmrecht ausübt, um damit ausschließlich eigennützige Zwecke zu verfolgen, etwa seine Blockademacht dazu benutzt, um seinen Lästigkeitswert in die Höhe zu treiben und eine Abfindung zu erstreiten, oder seine Mehrheitsmacht zur Schädigung der Mitgesellschafter oder für ungerechtfertigte Sondervorteile einsetzt.
Anmerkungen:
1. Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle
Der II. Zivilsenat des BGH hat ausdrücklich betont, dass die Beurteilung der Zweckmäßigkeit einer Geschäftsführungsmaßnahme, wenn die Gesellschafterversammlung hierüber abstimmt, alleinige Aufgabe der Gesellschafter und nicht des Gerichts ist.
Eine Zustimmungspflicht kann deshalb nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die fragliche Maßnahme im Interesse der Gesellschaft liegt, für deren Ablehnung kein sachlicher Grund besteht oder die Gegenstimme bzw. deren Beweggründe dem Richter sachwidrig, falsch, töricht oder gar unverständlich erscheinen.
Vielmehr haben sich die Gerichte auf eine rechtliche Kontrolle zu beschränken.
Der BGH stärkt damit zu Recht die unternehmerische Entscheidungsfreiheit der Gesellschafter.
2. Präzisierung der Voraussetzungen einer Zustimmungspflicht
Der BGH bestätigt seine ständige Rechtsprechung, der zufolge eine Zustimmungspflicht nur ausnahmsweise besteht, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Erstens muss die Maßnahme mit Rücksicht auf das bestehende Gesellschaftsverhältnis oder die Rechtsbeziehungen der Gesellschafter zueinander, etwa zum Zweck der Erhaltung wesentlicher, gemeinsam geschaffener Werte oder zur Vermeidung erheblicher Verluste, dringend erforderlich sein.
- Zweitens muss die Zustimmung den Gesellschaftern zumutbar sein, deren Verweigerung also ohne vertretbaren Grund erfolgen.
Die vorliegende Entscheidung des BGH führt hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen aus, dass nicht nur das Interesse der Gesellschaft, sondern auch der Gesellschaftszweck gerade diese Maßnahme zwingend gebieten muss.
Daraus folgt, dass eine Zustimmungspflicht aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nur bei Maßnahmen mit existentieller Bedeutung für die Gesellschaft hergeleitet werden kann.
Dies bestätigt die vorliegende Entscheidung: Allein die Feststellung einer erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung der Geschäftsführungsmaßnahme bedeutet noch nicht deren objektiv unabweisbare Erforderlichkeit und begründet damit keine Zustimmungspflicht, solange das Unterbleiben der Maßnahme nicht gerade zu einer Gefährdung des Bestands der Gesellschaft führen könnte.
Erforderlich ist also, dass die Geschäftsführungsmaßnahme für den Fortbestand der Gesellschaft dringend erforderlich ist, jedenfalls aber deren Unterbleiben existenzbedrohend sein könnte.
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