Frankfurt/Main. Kommt es zur Scheidung eines querschnittsgelähmten und kinderlosen Paares, darf derjenige, der die höhere Pflegebedürftigkeit hat regelmäßig die Überlassung der ehelichen Wohnung verlangen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat dies in einem am Montag, den 30. Mai 2022 bekannt gegebenem Beschluss (Az.: 6 UF 42/22) entschieden.
Im vorliegenden Fall heiratete ein querschnittsgelähmtes Paar im Jahr 2005. Die kinderlose Ehe ist seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Es kam mit der Scheidung zu einem Streit darüber, wer allein in der 130 Quadratmeter großen Eigentumswohnung des Paares wohnen darf. Der Ehemann beanspruchte dies für sich. Er führte an, täglich auf Pflege angewiesen zu sein. Er benötige zum Beispiel Unterstützung beim An- und Ausziehen sowie beim Toilettengang. Die große Wohnung brauche er auch, damit seine seit 2018 angestellte Pflegekraft, die inzwischen auch seine Lebensgefährtin sei, dort anwesend sein kann.
Die geschiedene, querschnittsgelähmte Ehefrau wies darauf hin, dass die Wohnung von ihr mitfinanziert worden sei. Auch sie sei auf eine Pflegekraft angewiesen, wenn auch nicht in dem Umfang wie ihr geschiedener Mann.
Vom Amtsgericht wurde entschieden, dass der antragstellende Ehemann die Wohnung ab dem 1. Juli 2022 Anspruch auf die Wohnung hat und die Frau ihm diese überlassen muss.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2022 stimmte das OLG dem nun zu. Die Frist wurde jedoch bis zum 1. November 2022 verlängert. Die Überlassung der Wohnung könne ein Ehegatte verlangen, wenn er in einem stärkeren Maß darauf angewiesen ist oder die Überlassung aus "Gründen der Billigkeit“ angebracht sei.
Das Oberlandesgericht sah dies hier gegeben. Der geschiedene Ehemann sei in höherem Maße pflegebedürftig und benötige Hilfe beim Toilettengang. Die notwendige Anwesenheit einer Pflegeperson führe dazu, dass der Ehemann eine größere Wohnung benötige als die geschiedene Ehefrau. Außerdem habe der Ehemann bereits vor dem Einzug seiner Frau in der Wohnung gewohnt und sei in dem Ort, in dem er bereits seit 1987 lebe sozial verwurzelt.
Die neue Lebensgefährtin des Mannes wohne in der Nähe. Selbst wenn seine wirtschaftliche Situation besser sei, sei er stärker auf die Nutzung der ehelichen Wohnung angewiesen. Andererseits sei die Ehefrau nicht in vergleichbarer Weise mit dem Ort verwurzelt.
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