Arbeitsrecht

Überstunden – wann muss der Arbeitnehmer sie leisten und wie werden sie bezahlt?

Grundsatz – Arbeitsvertrag – Tarifvertrag – Betriebsvereinbarung

Grundsätzlich ist kein Arbeitnehmer verpflichtet Überstunden für den Arbeitgeber zu leisten.

Aus einem Tarifvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder dem Arbeitsvertrag kann sich jedoch ergeben, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zu Überstunden verpflichtet ist, wenn Personalmangel, eine Krankheitswelle, viele Abgänge oder ein neuer Großauftrag besteht.

In dieser Situation kann der Arbeitgeber an die Arbeitnehmer einseitig Überstunden anordnen.

In einigen Tarifverträgen ist definiert, wann Überstunden vorliegen, so z.B., wenn die Mehrarbeit nicht der Folgewoche durch Freizeit ausgeglichen werden kann.

Bei Arbeitgebern mit Betriebsrat, kann eine Betriebsvereinbarung über Überstunden nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG geschlossen werden.

Auch in Arbeitsverträgen finden sich Regeln dazu, wann der Arbeitnehmer Überstunden auf Anweisung des Arbeitgebers leisten muss und wie diese bezahlt werden.

 

8 Stunden Arbeitszeit – ausnahmsweise 10 Stunden – Bereitschaftszeit noch mehr

Die tägliche Arbeitszeit darf 8 Stunden nicht überschreiten, wie sich aus § 3 ArbZG ergibt.

Der Arbeitgeber darf die Arbeitszeit aber auf 10 Stunden verlängern, wenn innerhalb der nächsten 6 Monate durch Freizeit abgebaut werden können.

Das bedeutet, dass Arbeitnehmer Überstunden ablehnen können, wenn sie mehr als 10 Stunden pro Tag arbeiten sollen und innerhalb von 6 Monaten kein Freizeitausgleich durch den Arbeitgeber erteilt wird.

In einem Tarifvertrag kann geregelt werden, dass die Arbeitszeit mehr als 10 Stunden beträgt, wenn es sich um Bereitschaftszeit handelt und dies auf höchstens 60 Tage im Jahr beschränkt ist.

 

Überstunden mit Arbeitslohn abgegolten?

Wenn im Arbeitsvertrag geregelt ist, dass Überstunden pauschal mit dem Arbeitslohn abgegolten sind, ist diese Regelung unwirksam.

Arbeitnehmer, die jedoch mehr als die Beitragsbemessungsgrenze (85.200 Euro im Westen, 80.400 Euro im Osten im Jahr 2021) verdienen, können vom Arbeitgeber keine Überstundenbezahlung verlangen.

 

Freiwilligkeit

Arbeitnehmer, die freiwillig Überstunden leisten, weil sie diese für erforderlich halten, der Arbeitgeber diese aber nicht angeordnet hat, können keine Vergütung verlangen.

 

Samstagsarbeit

Da Samstag ein Werktag ist, kann der Arbeitgeber grundsätzlich auch verlangen, dass ein Arbeitnehmer an diesem Tag arbeitet; es sei denn der Samstag ist als Arbeitstag ausgenommen.

Samstagsarbeit bedeutet nicht automatisch Überstunden, wenn dafür an einem anderen Werktag frei ist.

 

Sonntag oder Feiertag

An einem Sonntag oder Feiertag sieht dies anders aus, denn ein Sonntag oder Feiertag ist kein Werktag.

An Sonn- oder Feiertagen dürfen Arbeitnehmer grundsätzlich nicht beschäftigt werden.

Es gibt in § 10 ArbZG jedoch Ausnahmen, wie Feuerwehr, Krankenhaus, Tankstellen oder Rettungsdienste.

 

Mütter – Jugendliche – Schwerbehinderte

Es gibt aber auch Unterschiede zwischen Arbeitnehmern, so muss eine alleinerziehende Mutter mit Kindern nicht in dem Maße Überstunden leisten, wie Arbeitnehmer ohne Kinder

Aber auch aus gesundheitlichen Gründen muss zwischen Arbeitnehmer abgestuft werden, denn Arbeitnehmer mit Erkrankungen, mit ärztlichem Attest oder mit Behinderung können nicht in dem Maße herangezogen werden, wie gesunde Arbeitnehmer.

Arbeitnehmer, die in Teilzeit tätig sind, dürfen vom Arbeitgeber grundsätzlich nicht zu Überstunden herangezogen werden, denn dies widerspricht dem Wesen der Teilzeit grundlegend.

Aber auch hier gibt es Ausnahmen, denn in Tarifverträgen befinden sich auch Regelungen zu Teilzeit–Arbeitnehmern; aber auch in besonderen Situationen, die für den Arbeitgeber nicht vorhersehbar waren, können Teilzeit–Arbeitnehmer für Überstunden herangezogen werden.

Jugendliche Arbeitnehmer und werde oder stillende Mütter dürfen keine Überstunden leisten.

Bei jugendlichen Arbeitnehmern regelt § 8 JarbSchG das Verbot von Überstunden, sollten im Notfall, weil keine erwachsenen Arbeitnehmer verfügbar waren, Überstunden vom jugendlichen Arbeitnehmer geleistet worden sein, sind diese innerhalb 3 Wochen durch Freizeit auszugleichen, vgl. § 21 JarbSchG.

Arbeitnehmerinnen, die schwanger sind oder stillen dürfen ebenfalls keine Überstunden leisten, vgl. § 4 MuSchG.

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern regelt § 207 SGB X, das Überstunden durch den Arbeitgeber nur angeordnet werden dürfen, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer nicht zuvor geltend gemacht hat, hat er von der Anordnung der Ableistung von Überstunden freigestellt werden will.

 

Leitende Angestellte

Für leitende Angestellte gilt das Arbeitszeitgesetz nicht, wie sich aus § 18 Abs. 1 Nr. 1 ArbZG ergibt.

Leitende Angestellte erhalten in der Regel keine Überstundenvergütung, da diese leitender meist nach Aufgabenerfüllung bezahlt werden und nicht allein nach den abzuleistenden Arbeitsstunden.

 

Überstundenvergütung

Arbeitnehmer können nicht grundsätzlich verlangen, dass die Überstunden, die sie geleistet haben, vergütet werden; es sei denn, dies ist im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt.

Im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung ist oft geregelt, dass neben der Grundvergütung noch Zuschläge gezahlt.

Ohne Regelung muss der Arbeitgeber Überstunden dann bezahlen, wenn diese betriebs- oder branchenüblich bezahlt werden, vgl. § 612 BGB.

Ob ein Arbeitnehmer Überstundenzuschläge erhält, ist ebenfalls meist im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt, ohne eine solche Regelung ergibt sich aus dem Arbeitszeitgesetz kein Anspruch auf Überstundenzuschläge.

Überstunden machen für Arbeitnehmer aber oft auch Sinn, denn so können sie auf einem Überstundenkonto ein Stundenguthaben aufbauen, was in Form von ganzen Tagen abgebaut werden kann; also gibt es zusätzliche freie Tage.

Wann der Arbeitnehmer die Überstunden durch Freizeit ausgleicht, ist dem Arbeitgeber überlassen, dieser kann anordnen, das dann, wenn eine gewisse Anzahl von Überstunden aufgebaut wurde, diese durch Freizeit abgebaut werden müssen; der Arbeitgeber kann dies aber nicht willkürlich machen, sondern muss auch die Belange des Arbeitnehmers berücksichtigen.

Bei der Anhäufung von Überstunden sollten Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber darüber sprechen, wann diese durch Freizeit abgebaut werden können oder ausbezahlt werden.

 

Überstunden beweisen

Arbeitnehmer die Überstunden leisten, sollten diese dokumentieren.

Arbeitnehmer sollten sich unabhängig davon, ob es beim Arbeitgeber eine Zeiterfassung gibt, die Überstunden notieren.

Wenn es beim Arbeitgeber eine elektronische Zeiterfassung gibt, die das Kommen und Gehen dokumentiert, ist dies leicht; die meisten Arbeitnehmer können sich dann einen Ausdruck des Überstundenkontos geben lassen oder erhalten dies monatsweise ausgedruckt oder digital vom Arbeitgeber.

Arbeitnehmer ohne Zeiterfassung sollten die Überstunden aufschreiben und dies am besten regelmäßig vom Arbeitgeber oder einem Vorgesetzten abzeichnen lassen.

Arbeitnehmer, die die geleisteten Überstunden nicht nachweisen können, gehen leider leer aus, da sie deren Anfall und die Anordnung durch den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht beweisen müssen.

Wenn dem Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht der Beweis für die Anordnung von Überstunden durch den Arbeitgeber gelingt, kann es auch sein, dass das Arbeitsgericht die Überstunden schätzt, vgl. § 287 Abs. 2 ZPO.

 

Verjährung – Verfall

Grundsätzlich verjähren Überstunden innerhalb von 3 Jahren; aber wenn in einem Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung kürzere Fristen bestimmt sind – sogenannte Ausschlussklauseln, die meist von 3 Monaten geregelt werden – dann gilt diese verkürzte Frist.

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Sozialrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Heumarkt 50
50667 Köln

Telefon: 022195814321


Honorar/Leistung: (5)
Erreichbarkeit: (5)
Verständlichkeit: (5)
Freundlichkeit: (5)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M.:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Arbeitsrecht Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Dienst

Das Verwaltungsgericht Trier hat mit Urteil vom 18. Januar 2024 zum Aktenzeichen 3 K 1752/23.TR entscheiden, dass ein Polizeibeamter aus der Pfalz aus dem Dienst entfernt wird. Aus der Pressemitteilung des VG Trier Nr. 03/2024 vom 04.03.2024 ergibt sich: Dem Beamten wurde im Disziplinarverfahren zur Last gelegt, sich im September 2019 im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes anlässlich eines schweren Verkehrsunfalls in Polizeiuniform und im Besitz seiner Dienstwaffe neun Pakete Käse mit einem Gewicht von jeweils 20 Kilogramm unrechtmäßig zugeeignet zu haben. Ferner habe er in der Folge zur Vertuschung der Straftat seinen Vorgesetzten gegenüber ... weiter lesen

Arbeitsrecht Entlassung eines Polizeikommissars aus dem Probebeamtenverhältnis rechtmäßig

Das Verwaltungsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 20. Februar 2024 zum Aktenzeichen 5 K 733/23.KO sowie PKH -Beschluss vom 15. November 2023 zum Aktenzeichen 5 K 733/23.KO entschieden, dass die Entlassung eines im Dienst des beklagten Landes Rheinland-Pfalz stehenden Polizeikommissars aus dem Beamtenverhältnis auf Probe rechtmäßig ist. Aus der Pressemitteilung des VG Koblenz Nr. 5/2024 vom 28.02.2024 ergibt sich: Der Kläger war im Jahr 2021 nach bestandener Laufbahnprüfung in das Probebeamtenverhältnis berufen und als Einsatzsachbearbeiter in einer Einsatzhundertschaft der Bereitschaftspolizei ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten