Baurecht und Architektenrecht

UNWIRKSAME KLAUSEL ZU SICHERHEITSEINBEHALT

21.10.2017

Der Fall:

Ein schriftlicher „Bauwerkvertrag nach BGB“ – vorgelegt vom Bauherrn – bezüglich der Errichtung eines Einfamilienhauses enthielt unter „§ 22 Sicherheitseinbehalt“ die nachfolgenden Regelungen:

22.1 Die Parteien vereinbaren – unabhängig von einer Ausfallbürgschaft – den Einbehalt ei­ner unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber in Höhe von 5 % der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung einschließlich Schadenersatz und die Erstattung von Überzahlungen.

22.2 Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbe­fristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen, frühestens jedoch nach vollständiger Beseiti­gung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen.“

Die Bauunternehmung hat den Vertrag am 4. Juni 2013 wegen fehlender Baufreiheit gekündigt so­wie am 17. Juni 2013 eine Schlussrechnung über circa 59.000,00 € gestellt. Der Bauherr kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 1. Juli 2013 wegen Schuldnerverzuges. Der Unternehmer erhob Zahlungsklage.

Die Entscheidung:

Erstinstanzlich wurden der Bauunternehmung auf die Werklohnklage – wegen Mängeln sowie auf­grund der Anwendung der Klausel über den Sicherheitseinbehalt – nur circa 14.000,00 € zuge­sprochen. Die Berufung der klagenden Bauunternehmung sowie des Bauherrn sind erfolglos ge­blieben.

Der BGH hat unter Korrektur des Berufungsurteils festgestellt, dass die Klausel zu „§ 22 Sicher­heitseinbehalt“ wegen unangemessener Benachteiligung der Bauunternehmung gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam war. Denn nach jener Vorschrift ist eine formularmäßige Vertragsbe­stimmung unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders (hier des Bauherrn) entge­gen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Der BGH hat dabei nicht nur die Höhe und die Dauer des Einbehalts sondern auch den Regelungszusammen­hang, in dem die Klausel steht, berücksichtigt, hier also die Art, wie der Einbehalt abgelöst werden kann: Nach ständiger Rechtsprechung des BGH benachteiligt – erst recht bei untrennbarer Verknüpfung von Sicherheitseinbehalt und Ablösungsmöglichkeit – eine vom Auftraggeber in allge­meinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags gestellte Klausel, nach der der Auftraggeber für die Dauer der Gewährleistungsfrist einen Einbehalt zur Sicherung der Gewährleistungsansprüche vornehmen darf, den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemes­sen, wenn diesem kein angessener Ausgleich dafür zugestanden wird, dass er, der Auftrag-nehmer, den Werklohn nicht sofort ausgezahlt bekommt, das Bonitätsrisiko für die Dauer der Ge-währleistungsfrist tragen muss und ihm die Liquidität sowie die Verzinsung des Werklohns vorenthalten werden. In der Gesamtschau stellt der BGH also die Unwirksamkeit gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB fest, dies insbesondere deswegen, weil die Ablösung des Sicherheitseinbehaltes unter anderem davon abhängig gemacht wird, dass wesentliche Mängel nicht (mehr) vorhanden sind.

(BGH, Urteil vom 30. März 2017 – Az.: VII ZR 170/16)

 

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Jörg Diebow
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Kaiser-Joseph-Straße 262
79098 Freiburg

Telefon: 0761 / 79187-61


Honorar/Leistung: (5)
Erreichbarkeit: (5)
Verständlichkeit: (4.8)
Freundlichkeit: (5)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Jörg Diebow:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Baurecht und Architektenrecht WIDERRUFLICHKEIT VON ARCHITEKTENVERTRAG?
01.01.2018

Der Fall: Der Auftraggeber hat als Verbraucher am 26. März 2015 in seinem Fahrzeug durch Aushändigung des von ihm teilweise ausgefüllten und unterzeichneten Formulars „ Raumbuch Wohnen / Vorplanungsbeauftragung “ an den Architekten ein bindendes Angebot abgegeben. Da der Auftraggeber mit den bis dahin erbrachten Leistungen des Architekten in den Leistungsphasen 1 und 2 nicht zufrieden war, hat er mit Schreiben vom 1. Juni 2015 fristgerecht den Architektenvertrag widerrufen. Der Architekt hat dem Auftraggeber gegenüber seine Leistungen abgerechnet. Der Auftraggeber hat eingewendet, nach Widerruf des Architektenvertrages nicht zur Zahlung ... weiter lesen

Baurecht und Architektenrecht STUFENWEISE BEAUFTRAGUNG VON ARCHITEKTEN – NEUES BAUVERTRAGSRECHT:
01.01.2018

Das ab dem 1. Januar 2018 gültige neue Bauvertragsrecht hat auch auf Architekten- und Ingenieurverträge erhebliche Auswirkungen. Beispielhaft wird verwiesen auf das einseitige Anordnungsrecht des Auftraggebers sowie auf die Haftungsprivilegien des Bauunternehmers für solche Mängel, die der Phase der Objektüberwachung zuzuordnen sind. Wesentlich ist insbesondere die richtige Anwendung des bisherigen Rechts oder des neuen Bauvertragsrechts. Für die bis zum 31. Dezember 2017 geschlossenen Bau-, Architekten- oder Ingenieurverträge gilt ohne weiteres das bisherige Werkvertragsrecht. Für alle danach geschlossenen Verträge gilt das neue ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Baurecht und Architektenrecht Seniorenheimbewohner erhalten selten nachts Besuch

Karlsruhe (jur). Ein Bebauungsplan für ein Pflegeheim muss zwar die Zahl der geplanten Parkplätze festlegen, nicht aber zusätzlich zeitliche Beschränkungen für deren Nutzung. Denn eine starke Nutzung nachts nach 22 Uhr sei ohnehin nicht zu erwarten, wie das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem am Freitag, 29. Dezember 2023, bekanntgegebenen Beschluss vom Vortag betont (Az.: 2 K 2792/23).  Es billigte damit den Neubau eines Seniorenpflegeheims in Helmstadt-Bargen. Es soll über 66 Betten, sechs barrierefreie Wohnungen und vier Mitarbeiterwohnungen verfügen, zudem eine Cafeteria, ein Friseur und eine Fußpflegepraxis.  Gegen das Seniorenheim hatten sich ... weiter lesen

Baurecht und Architektenrecht Seniorenheimbewohner erhalten selten nachts Besuch

Karlsruhe (jur). Ein Bebauungsplan für ein Pflegeheim muss zwar die Zahl der geplanten Parkplätze festlegen, nicht aber zusätzlich zeitliche Beschränkungen für deren Nutzung. Denn eine starke Nutzung nachts nach 22 Uhr sei ohnehin nicht zu erwarten, wie das Verwaltungsgericht Karlsruhe in einem am Freitag, 29. Dezember 2023, bekanntgegebenen Beschluss vom Vortag betont (Az.: 2 K 2792/23).  Es billigte damit den Neubau eines Seniorenpflegeheims in Helmstadt-Bargen. Es soll über 66 Betten, sechs barrierefreie Wohnungen und vier Mitarbeiterwohnungen verfügen, zudem eine Cafeteria, ein Friseur und eine Fußpflegepraxis.  Gegen das Seniorenheim hatten sich ... weiter lesen

Baurecht und Architektenrecht Solardach auch in denkmalgeschützter Siedlung

Düsseldorf (jur). Auch in einer denkmalgeschützten Siedlung dürfen Hauseigentümer in der Regel eine Fotovoltaikanlage auf ihr Dach setzen. Nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz hat der Denkmalschutz „nur noch in atypischen Fällen“ Vorrang, urteilte am Donnerstag, 30. November 2023, das Verwaltungsgericht Düsseldorf zur „Golzheimer Siedlung“ in der Landeshauptstadt (Az.: 28 K 8865/22).  Die Siedlung wurde 1935 bis 1937 gebaut und nach dem Zweiten Weltkrieg angepasst erweitert. Sie gilt als Mustersiedlung aus der Zeit des Nationalsozialismus und wurde 2014 mit einer sogenannten Denkmalbereichssatzung unter Schutz gestellt.  Die Eigentümerin eines ... weiter lesen

Baurecht und Architektenrecht Mallorca Immobilie geerbt – wie funktioniert der internationale Nachlass?

Immer mehr Deutsche verbringen nicht nur ihre Ferien auf Mallorca, sondern entscheiden sich irgendwann für eine eigene Immobilie auf der beliebten Insel. Soll diese zum Lebensabend nicht verkauft, sondern an die Nachkommen vererbt werden, ergeben sich einige steuerliche Fragen. Die Erben stehen einerseits vor sprachlichen Herausforderungen, andererseits aber auch vor der Frage, welches Erbrecht angewandt wird. Hier gab es in den letzten Jahren einige Veränderungen, die wir nachfolgend genauer zusammenfassen. Welches Erbrecht gilt? Eine Frage ohne pauschale Antwort  Zu den zentralen Themen im Falle einer Immobilien-Erbschaft gehört die Frage, ob die Erbschaftssteuer ... weiter lesen

Ihre Spezialisten