Hamm/Berlin (DAV). Klärt der Arzt einen Patienten über die Risiken einer Darmspiegelung nicht ausreichend auf, darf dieser bei schweren Komplikationen Schmerzensgeld verlangen. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte am 3. September 2013 (AZ: 26 U 85/12) einen Facharzt für Chirurgie zur Zahlung von 220.000 Euro Schmerzensgeld. Bei dem Patienten war es infolge der Darmspiegelung zu einer Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen gekommen, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ausführt.
Als der 48-jährige Mann Blut im Stuhl bemerkte, wandte er sich an einen Facharzt für Chirurgie. Dieser führte im November 2007 eine Koloskopie (Darmspiegelung) mit Polypenabtragung durch. Infolge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Mann bekam eine Bauchfellentzündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensivmedizinisch behandelt werden. Er erhielt einen künstlichen Darmausgang und ist nunmehr in Frührente, da zu 100 Prozent behindert. Unter anderem mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behandlungsalternativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, verlangte er von dem Arzt Schadensersatz.
Mit Erfolg. Entgegen der Entscheidung der ersten Instanz sprach das Oberlandesgericht dem Mann Schmerzensgeld in Höhe von 220.000 Euro zu. Der Arzt hafte, weil davon auszugehen sei, dass er seinen Patienten ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe. Nach Einschätzung des medizinischen Sachverständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation. Trete sie jedoch ein, habe sie meistens eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge, die lebensbedrohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären. Das Gericht war der Meinung, dass der Chirurg eben dies nicht ordnungsgemäß getan hatte. Der Inhalt der vom Patienten unterzeichneten Einverständniserklärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Auf dem Vordruck heiße es unter anderem, auf „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren“ sei hingewiesen worden. Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf „unvermeidbare nachteilige Folgen“ verharmlosend. Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch.
Die Höhe des Schmerzensgeldes ergebe sich durch den komplikationsträchtigen Krankheitsverlauf mit einer langen Behandlungszeit und bleibenden Beeinträchtigungen, die schließlich zu einer Frühberentung geführt hätten.
Nach Ansicht der DAV-Medizinrechtsanwälte ergibt sich aus dem Urteil Handlungsbedarf für viele Ärzte: Diese müssten exakt darauf achten, umfassend aufzuklären und dies auch umfassend beurkunden. Auf eine reine formularhafte Dokumentation sollte man sich nicht verlassen.
Qulle: DAV - Medizinrecht
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