Medizinrecht

Unzureichende Aufklärung im Rahmen einer Darmspiegelung – Arzt haftet

08.11.2013
 (1)
Zuletzt bearbeitet am: 10.07.2024

Hamm/Berlin (DAV). Klärt der Arzt einen Patienten über die Risiken einer Darmspiegelung nicht ausreichend auf, darf dieser bei schweren Komplikationen Schmerzensgeld verlangen. Das Oberlandesgericht Hamm verurteilte am 3. September 2013 (AZ: 26 U 85/12) einen Facharzt für Chirurgie zur Zahlung von 220.000 Euro Schmerzensgeld. Bei dem Patienten war es infolge der Darmspiegelung zu einer Darmperforation mit schwerwiegenden Komplikationen gekommen, wie die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ausführt.

Als der 48-jährige Mann Blut im Stuhl bemerkte, wandte er sich an einen Facharzt für Chirurgie. Dieser führte im November 2007 eine Koloskopie (Darmspiegelung) mit Polypenabtragung durch. Infolge dieses Eingriffs kam es zu einer Darmperforation, die wenige Tage später notfallmäßig operiert werden musste. Der Mann bekam eine Bauchfellentzündung, musste sich weiteren Operationen unterziehen und über Monate intensivmedizinisch behandelt werden. Er erhielt einen künstlichen Darmausgang und ist nunmehr in Frührente, da zu 100 Prozent behindert. Unter anderem mit der Begründung, er sei über das Risiko einer Koloskopie und über Behandlungsalternativen nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, verlangte er von dem Arzt Schadensersatz.

Mit Erfolg. Entgegen der Entscheidung der ersten Instanz sprach das Oberlandesgericht dem Mann Schmerzensgeld in Höhe von 220.000 Euro zu. Der Arzt hafte, weil davon auszugehen sei, dass er seinen Patienten ohne ausreichende Aufklärung behandelt habe. Nach Einschätzung des medizinischen Sachverständigen sei eine im Rahmen einer Koloskopie auftretende Darmperforation zwar eine seltene Komplikation. Trete sie jedoch ein, habe sie meistens eine Bauchhöhlenentzündung zur Folge, die lebensbedrohlich sein könne und operativ behandelt werden müsse. Deswegen sei über das Risiko einer Perforation aufzuklären. Das Gericht war der Meinung, dass der Chirurg eben dies nicht ordnungsgemäß getan hatte. Der Inhalt der vom Patienten unterzeichneten Einverständniserklärung lasse nicht auf eine ausreichende Risikoaufklärung schließen. Auf dem Vordruck heiße es unter anderem, auf „die mit dem Eingriff verbundenen unvermeidbaren nachteiligen Folgen, mögliche Risiken und Komplikationsgefahren“ sei hingewiesen worden. Diese allgemein gehaltene Erklärung sei weithin inhaltslos und wirke mit dem Hinweis auf „unvermeidbare nachteilige Folgen“ verharmlosend. Ausgehändigte und vom Patienten unterzeichnete Formulare und Merkblätter ersetzten nicht das erforderliche Aufklärungsgespräch.

Die Höhe des Schmerzensgeldes ergebe sich  durch den komplikationsträchtigen Krankheitsverlauf mit einer langen Behandlungszeit und bleibenden Beeinträchtigungen, die schließlich zu einer Frühberentung geführt hätten.

Nach Ansicht der DAV-Medizinrechtsanwälte ergibt sich aus dem Urteil Handlungsbedarf für viele Ärzte: Diese müssten exakt darauf achten, umfassend aufzuklären und dies auch umfassend beurkunden. Auf eine reine formularhafte Dokumentation sollte man sich nicht verlassen.

Qulle:  DAV - Medizinrecht

Foto: © JohnKwan - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Medizinrecht OLG Frankfurt: Behandelnder Arzt wirksam als Miterbe eingesetzt

In einem wegweisenden Urteil hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) am 21. Dezember 2023 entschieden, dass die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes nicht zur Nichtigkeit eines Testaments führt. Dieses Urteil ( Aktenzeichen 21 W 91/23 ) könnte bedeutende Implikationen für die Rechtspraxis im Erbrecht haben, insbesondere in Fällen, in denen medizinische Fachkräfte von ihren Patienten bedacht werden. Hintergrund des Falles Die Erblasserin hatte in ihrem letzten Testament aus dem Jahr 2021 ihren behandelnden Arzt als Miterben benannt. Dies führte zu einem Rechtsstreit, da ein anderer Miterbe das Testament aufgrund eines angeblichen Verstoßes gegen § 32 der ... weiter lesen

Medizinrecht Verschiedene Formen von Inkassoverfahren

Wenn Transaktionen mit Geld stattfinden, gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit irgendwann auch Probleme mit pünktlichen und vollständigen Zahlungen. Um zu vermeiden, dass diese Konflikte das eigene Leben und Arbeiten zu sehr einschränken, kann man sich für die Beauftragung eines Inkassounternehmens entscheiden. Im Folgenden sind das Prinzip des Inkassos sowie drei typische Formen des Verfahrens aufgelistet.  Was macht ein Inkassounternehmen? Inkassounternehmen kommen ins Spiel, wenn ein Schuldner eine Rechnung nicht begleicht. Der Gläubiger kann dann - nach einer erneuten schriftlichen Aufforderung (Mahnung) - ein Inkassounternehmen damit beauftragen, das ... weiter lesen

Medizinrecht Zweifel bei Freistellung von Masernschutzimpfung eines Schülers

Düsseldorf (jur). Bei Zweifel an einem ärztlichen Zeugnis über eine Freistellung von einer Masernimpfung kann das Gesundheitsamt eine amtsärztliche Untersuchung anordnen. Mit Zwangsmitteln kann die ärztliche Untersuchung allerdings nicht durchgesetzt werden, entschied das Verwaltungsgericht Düsseldorf in einem am Freitag, 17. November 2023, bekanntgegebenen Beschluss (Az.: 29 L 2480/23).  Konkret ging es um einen siebenjährigen Schüler aus Wuppertal. Dieser wollte ohne vorgeschriebene Masernschutzimpfung die Schule besuchen. Hierfür legte er ein ärztliches Attest einer Ärztin aus der Oberpfalz vor. Diese hatte ihm auf einem Vordruck bescheinigt, dass der ... weiter lesen

Medizinrecht Patientenverfügung muss Behandlungssituation erfassen

Karlsruhe (jur). Soll eine Patientenverfügung eine Zwangsbehandlung in der geschlossenen Psychiatrie verhindern, darf der psychisch Kranke das Behandlungsverbot nicht zu allgemein fassen. Die in der Verfügung enthaltene Regelung muss sich auf die konkrete Behandlungssituation der geschlossenen Unterbringung beziehen und die etwaigen Konsequenzen wie etwa Gesundheitsschäden bei ausbleibender Behandlung erfassen, forderte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Mittwoch, 17. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 232/21). Bei einer bestehenden konkreten Gefahr für Leib und Leben anderer Personen – wie etwa Pflegekräfte und Ärzte – kann die Zwangsmedikation ... weiter lesen

Ihre Spezialisten