Ist der Anspruch auf Urlaubsabgeltung vererblich, wenn der Arbeitnehmer stirbt? Hierzu hat jetzt der Europäische Gerichtshof eine wichtige Entscheidung gesprochen.
Der Tod eines nahestehenden Menschen kommt häufig überraschend. Sofern er als Arbeitnehmer tätig gewesen ist, fragen sich viele Angehörige als Erben, ob der Arbeitgeber ihnen eine finanzielle Vergütung wegen dem noch nicht genommenen Jahresurlaub bezahlen muss.
Arbeitgeber verweigern Zahlung der Urlaubsabgeltung an Erben
Doch dazu sind viele Arbeitgeber nicht bereit. Sie vertreten die Auffassung, dass der restliche Jahresurlaub beim Tod des Arbeitnehmers verfällt und daher nicht einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung umgewandelt werden kann.
Arbeitgeber konnten sich auf Bundesarbeitsgericht berufen
Bislang brauchten Arbeitgeber die die Zahlung einer Urlaubsabgeltung verweigert haben, wenig zu befürchten. Denn das Bundesarbeitsgericht vertrat die gleiche Position. Die Richter argumentierten damit, dass sich aus dem Gesetz ergibt, dass der restliche Jahresurlaub nicht vererblich ist. Denn es handele sich um ein höchstpersönliches Recht des Arbeitnehmers, dass gem. § 7 Abs. 4 BUrlG nicht im Wege der Universalsukzession des § 1922 BGB vererblich sei.
Erben der verstorbenen Arbeitnehmer klagen auf Zahlung
Doch damit wollten sich zwei Frauen nicht abfinden, deren Mann jeweils als Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft sowie im Öffentlichen Dienst tätig gewesen ist. Da die Arbeitnehmer schwerbehindert gewesen sind, verfügten sie noch über eine größere Anzahl von Urlaubstagen als Resturlaub in Form von mindestens 32 Tagen beziehungsweise 25 Tagen. Sowohl vor dem jeweiligen Arbeitsgericht Wuppertal als auch vor dem Landesarbeitsgericht als Berufungsinstanz bekamen die Witwen Recht (vgl. LAG Düsseldorf, Urteil vom 29.10.2015 - 11 Sa 537/15 sowie LAG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2015 - 3 Sa 21/15).
Vorlage an Europäischen Gerichtshof
Doch das Bundesarbeitsgericht hatte nach wie vor Zweifel, ob ihnen als Erben ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung zusteht. Doch die fällten jedoch kein abschließendes Urteil. Sie setzen vielmehr das Verfahren vorläufig aus und riefen den europäischen Gerichtshof (EuGH) im Wege der Vorabersuchens an. Dieser sollte klären, ob eine Verweigerung der Auszahlung des noch nicht genommenen Urlaubs mit Europäischem Recht im Einklang steht (vgl. BAG, Beschlüsse vom 18.10.2016 - 9 AZR 196/16 (A) sowie 9 AZR 45/16 (A)).
EuGH rügt Verstoß gegen Europäisches Recht
Der EUGH stellte mit Urteil vom 06.11.2018 in den beiden verbundenen Rechtssachen C‑569/16 und C‑570/16 klar, dass eine Verweigerung der Zahlung einer finanziellen Vergütung des Resturlaubes an die Erben gegen Europäisches Recht verstößt. Ungeachtet der deutschen Regelung steht ihnen gegen den jeweiligen Arbeitgeber jedenfalls ein Anspruch auf Auszahlung aus Art. 7 Abs. 2 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88 zu. Die begründeten die Richter damit, dass bei diesem Anspruch keine Rolle spiele spielt, ob das Arbeitsverhältnis etwa durch Kündigung beendet worden ist. Sie verweisen auch darauf, dass das Recht auf bezahlten Jahresurlaub einen wesentlichen Grundsatz des Sozialrechts der Union darstellt.
Das Bundesarbeitsgericht muss auf Grundlage dieses Urteils nunmehr in den beiden Ausgangsverfahren eine abschließende Entscheidung treffen. Es ist dabei an die rechtlichen Vorgaben des Europäischen Gerichtshofes gebunden. Die Richter des EuGHs stellen dabei anheim, ob die deutschen Vorschriften europarechtskonform auszulegen sind oder sich der Anspruch unmittelbar aus der Richtlinie Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 ergibt. Wichtig ist, dass dieser Anspruch laut EuGH sowohl gegen privaten als auch gegenüber öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern wie einer Gemeinde besteht.
Fazit:
Diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ist aus der Sicht von Hinterbliebenen als Erben zu begrüßen. Sie sollten prüfen, ob z.B. ihrem verstorbenen Ehegatten als Arbeitnehmer noch restlicher Jahresurlaub zustand. In diesem Fall sollten sie den Arbeitgeber auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes hinweisen und von ihm Zahlung verlangen.
Wenn der Arbeitgeber sich weigert oder sie hinsichtlich der Höhe dieses Anspruches unsicher sind, sollten die Witwen/Witwern sich beraten lassen. Ebenso sollten Sie verfahren, wenn der Arbeitgeber den Anspruch in der Höhe des gesetzlichen Mindesturlaubs zahlen möchte, obwohl der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag mehr Urlaubstage zugestanden haben. Hierzu hat der Europäische Gerichtshof allerdings keine klare Position bezogen, so dass die Rechtslage noch nicht eindeutig geklärt ist. Gleichwohl spricht vieles dafür, dass der vollständige Anspruch auf Urlaubsabgeltung vererbt wird.
Autor: Harald Büring, Ass. jur. (Fachanwalt.de-Redaktion)
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