Das Arbeitsgericht Bocholt hat in seiner Entscheidung vom 24. Juli 2025 (Az. 1 Ca 459/25) klargestellt, dass eine Verdachtskündigung unwirksam ist, wenn der betroffene Arbeitnehmer zuvor nicht angehört wurde. Das Gericht gab der Klage eines Tierheimleiters statt, dem vorgeworfen wurde, vorsätzlich Katzenfotos gelöscht zu haben. Da die technischen Beweise aufgrund eines allgemein zugänglichen Passworts nicht eindeutig waren und eine Anhörung vor der Kündigung fehlte, konnte das Gericht keinen Kündigungsgrund erkennen.
Rechtliche Grundlagen einer Verdachtskündigung
Eine Verdachtskündigung ist eine außerordentliche Kündigung, die der Arbeitgeber ausspricht, wenn er einen dringenden Verdacht auf ein schweres Fehlverhalten hat. Dieser Verdacht muss so massiv sein, dass er das Vertrauensverhältnis nachhaltig zerstört. Im Gegensatz zur Tatkündigung, bei der die Pflichtverletzung zweifelsfrei bewiesen werden kann, beruht die Verdachtskündigung ausschließlich auf einem hinreichend konkreten Verdacht.
- Der Verdacht muss auf konkreten, beweisbaren Tatsachen beruhen.
- Er muss so schwerwiegend sein, dass er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht.
- Der Arbeitgeber muss alle zumutbaren Schritte zur Aufklärung unternommen haben.
Verdachtskündigung: Anhörung als Grunderfordernis
Die Anhörung des Arbeitnehmers ist die entscheidende Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Sie dient dazu, dem Arbeitnehmer die Chance zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern und entlastende Fakten oder Umstände vorzutragen. Das Gericht betonte, dass das Vertrauen des Arbeitgebers in den Arbeitnehmer erst dann als zerstört gelten kann, wenn dieser seine Möglichkeit zur Stellungnahme verstreichen lässt oder seine Erklärungen den Verdacht nicht entkräften können. Die Anhörung muss folgende Kriterien erfüllen:
- Sie muss vor Ausspruch der Kündigung stattfinden.
- Die Verdachtsmomente müssen dem Arbeitnehmer konkret mitgeteilt werden.
- Der Arbeitnehmer muss eine angemessene Zeit zur Stellungnahme erhalten.
- Eine Verweigerung der Anhörung durch den Arbeitnehmer kann den Kündigungsgrund erhärten, sofern ihm die Vorwürfe zuvor klar dargelegt wurden.
Bedeutung der technischen Beweise und des Sachverhalts
Im vorliegenden Fall waren die technischen Beweise schwach. Da alle Computer im Tierheim mit einem gemeinsamen Passwort gesichert waren, konnte nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden, wer die Dateien tatsächlich gelöscht hat. Diese Unsicherheit spielte eine zentrale Rolle bei der Entscheidung des Gerichts. Es unterstrich, dass Arbeitgeber alle zumutbaren Aufklärungsmittel nutzen müssen, um den Verdacht zu untermauern. Dazu gehört auch eine technisch robuste IT-Infrastruktur, die eine eindeutige Zuordnung von Handlungen ermöglicht.
Tipp für die Praxis: Unternehmen sollten ihre internen Sicherheitsprozesse kritisch prüfen. Die Verwendung individueller Passwörter, die Einrichtung von Zugriffsprotokollen und die klare Dokumentation von Rechten und Verantwortlichkeiten sind unerlässlich. Diese Maßnahmen schützen nicht nur sensible Daten, sondern auch den Arbeitgeber im Streitfall.
Zusammenfassung
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bocholt zeigt sehr anschaulich, wie stark Arbeitnehmer im deutschen Arbeitsrecht geschützt werden. Eine Kündigung, die lediglich auf einem Verdacht basiert, hält vor Gericht nur dann stand, wenn wirklich alle formalen Vorgaben eingehalten wurden. Gerade dieser Fall macht deutlich: Fehlen wichtige Schritte wie die Anhörung des Mitarbeiters oder ist die Beweislage zu dünn, hat der Arbeitgeber vor Gericht schlechte Karten. Für Unternehmen ist dieses Urteil ein klares Signal, bei Kündigungen besonders sorgfältig vorzugehen und rechtlichen Rat zu suchen. Und für Arbeitnehmer bestätigt es, dass sie ihre Rechte kennen und im Zweifel auch nutzen sollten – gerade wenn eine Kündigung nicht eindeutig gerechtfertigt erscheint.
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