Karlsruhe (jur). Werden bei einer Heirat minderjährige Kinder von einem Ehepartner absichtlich verschwiegen, kann dies die Aufhebung der Ehe rechtfertigen. Allerdings muss der trennungswillige Ehegatte dafür beweisen, dass er über das Vorhandensein der Kinder getäuscht wurde, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in einem am Mittwoch, 24. Mai 2023, veröffentlichten Beschluss (Az.: 5 UF 102/22).
Im konkreten Fall hatte ein heute 72-jähriger vermögender Inhaber eines Familienunternehmens eine neue Ehefrau gesucht. Diese fand er schließlich über eine Dating-App in den Philippinen. Die heute 42-Jährige schrieb sich mit dem Deutschen zunächst per E-Mail, dann tauschten sie sich über Videoanrufe aus. Ohne vorheriges persönliches Treffen heiratete das Paar am 29. August 2018 in Hongkong. Erst zwei Jahre später reiste die Philippinin zu ihrem Mann nach Deutschland. Dort arbeitete sie in der Firma ihres Mannes und verdiente bis zu 1.400 Euro monatlich.
Doch die Ehe stand unter keinem guten Stern. Am 18. November 2021 beantragte der 72-Jährige die Aufhebung, hilfsweise die Scheidung der Ehe. Er sei von seiner Frau schwer getäuscht worden. Sie habe ihm bei der Eheschließung verschwiegen, dass sie noch einen 14-jährigen Sohn und eine 18-jährige Tochter gehabt habe. Unter diesen Umständen hätte er sie nicht geheiratet. Wörtlich führt er vor Gericht aus: „Wenn man sich mit Asiatischen mit Kindern einlässt, hat man die ganze Familie.“ Er sei 72 und brauche keine zweite Familie.
Die Frau räumte zwar ein, dass sie ganz am Anfang nichts von ihren Kindern erzählt habe. „Beim ersten Mal sagt man nicht alles“, so die Philippinin. Doch dann habe sie mehrfach im Chat und in Videogesprächen ihre Kinder erwähnt. Daraufhin habe ihr Mann gesagt, dass sie diese nicht nach Deutschland mitbringen könne und er nichts mit ihnen zu tun haben wolle. Vor der Heirat habe einmal ihre Tochter den 72-Jährigen begrüßen wollen. Dieser habe sie jedoch nur angeschrien.
Das OLG entschied in seinem Beschluss vom 31. März 2023, dass das Verschweigen insbesondere minderjähriger Kinder durchaus die Aufhebung einer Ehe begründen könne. Denn schließlich habe der leibliche Elternteil Unterhaltspflichten zu erfüllen. Auch könne das Erbrecht betroffen sein. Allerdings müsse der andere Ehepartner auch beweisen, dass er über die Kinder nicht informiert war und arglistig getäuscht wurde.
Dies habe der 72-Jährige nicht beweisen können. Er habe seiner Partnerin zwar gesagt, dass er „alles über Dich wissen“ wolle. Er habe aber nicht ausdrücklich nach Kindern gefragt. In E-Mails habe die Frau lediglich geschrieben „I am single“ und „I live alone“. Dies beziehe sich aber nur auf die Paarebene und verhalte sich nicht ausdrücklich zu Kindern. Eine Aufhebung der Ehe sei daher nicht möglich.
Das OLG stellte allerdings die Voraussetzungen für eine Ehescheidung fest. Das Amtsgericht müsse nun den Versorgungsausgleich und den Zugewinnausgleich regeln.
Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage
Symbolgrafik:© kmit - stock.adobe.com
Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock