Arbeitsrecht

Vertragsstrafe

20.08.2022
 (4)
Zuletzt bearbeitet am: 20.08.2022

Der Arbeitsvertrag ist unterschrieben, doch der Bewerber hat es sich anders überlegt. Er kündigt bereits vor dem vereinbarten Arbeitsbeginn. Was kann der Arbeitgeber unternehmen?

Klage auf Einhaltung des Arbeitsvertrages

Der Arbeitnehmer, der bei der neuen Arbeitsstelle nicht antritt, begeht Vertragsbruch, denn er verweigert mit Vorsatz die Erfüllung des Arbeitsvertrages. Der Arbeitgeber könnte ihn deswegen beim Arbeitsgericht verklagen mit dem Ziel, dass diesen zur Aufnahme der Tätigkeit zu zwingen.

Trotzdem der Arbeitgeber diesen Prozess mit Sicherheit gewinnen dürftewürde ihm der Erfolg im Ergebnis gar nichts nützen. Das Urteil könnte nämlich nicht im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden.

Der obsiegende Arbeitgeber kann den zur Arbeit verurteilten Arbeitnehmer also weder durch Androhung von Zwangsgeld noch ersatzweise Androhung einer Zwangshaft dazu zwingen, die Arbeit im Betrieb tatsächlich aufzunehmen. In § 888 Abs. 3 ZPO ist dieser Zwang gesetzlich ausgeschlossen. Alles andere wäre nichts weiter als die Durchsetzung Zwangsarbeit bedeuten. Zwangsarbeit verbietet jedoch Art. 12 Abs. 3 GG..

Arbeitgeber können sich eine solche Klage sparen!

Sind vertragsbrüchige Arbeitnehmer zur Bezahlung von Schadensersatz verpflichtet?

Auch hier sieht es für den Arbeitgeber schlecht aus. Der Arbeitgeber kann vom abtrünnigen Arbeitnehmer als Schadensersatz noch nicht einmal die Kosten für das im Ergebnis vergebliche Einstellungsverfahren verlangen. Der Grund:

Die meisten Arbeitsverträge enthalten eine Probezeit. Diese beträgt nach § 622 Abs. 3 BGB  längstens sechs Monate und die Kündigungsfrist in der Probezeit beträgt zwei Wochen.

Das bedeutet, der Arbeitnehmer könnte ohne weiteres während der Probezeit ganz legal mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen das Arbeitsverhältnis beenden. Selbst wenn der Arbeitnehmer sich vertragstreu verhalten würde, dann wären die Kosten des Bewerbungsverfahrens im Ergebnis für den Arbeitgeber ein vergeblicher Aufwand gewesen.

Man spricht hier bildhaft und einprägsam von „Sowieso-Kosten“, also Kosten, die auf jeden Fall entstehen und unabhängig davon, ob sich jemand vertragstreu verhält oder nicht. Diese Kosten kann der Arbeitgeber nicht als Schadensersatz vom Arbeitnehmer einfordern.

Hinzu kommt auch das Argument, dass sich der Arbeitgeber auf jeden Fall die ansonsten ohnehin fällige Vergütung für den abtrünnigen Arbeitnehmer erspart. Das sind ersparte Aufwendungen und die müsste sich der Arbeitgeber auf jeden Fall schadensmindernd anrechnen lassen.

Wie kann der Arbeitgeber vorbeugen?

Wie man sieht befindet sich der Arbeitgeber in einer schlechten Situation, falls ein Arbeitnehmer entweder die Arbeitsstelle gar nicht antritt oder falls er sich später aus dem Arbeitsverhältnis verabschiedet, ohne sich an die Kündigungsfrist zu halten. 

Deswegen billigt die Rechtsprechung Vertragsklauseln, die zum einen die Kündigung vor Vertragsbeginn ausschließen und zum anderen für den Fall der Nichtbeachtung und des Vertragsbruchs eine Vertragsstrafe vorsehen.

Was ist der Unterschied zwischen Schadensersatz und Vertragsstrafe?

Wer Schadensersatz vom Arbeitnehmer verlangen möchte muss zum einen eine vom Arbeitnehmer begangene Vertragsverletzung darlegen und beweisen und dieseVertragsverletzung muss zudem auch verschuldet sein. Darüber hinaus ist auch ein infolge der Vertragsverletzung erlittener Vermögensschaden darzulegen und zu beweisen.

Letzteres ist im Arbeitsverhältnis aber nahezu ausgeschlossen. Die Durchsetzung einer Schadensersatzforderung ist also im Arbeitsrecht mit unüberwindbaren Schwierigkeiten verbunden und damit faktisch versperrt.

Für die Durchsetzung einer Vertragsstrafe muss der Arbeitgeber nur die geschehene Vertragsverletzung darlegen und beweisen und es muss einen Arbeitsvertrag geben mit einer wirksamen Regelung zur Vertragsstrafe. Die Rechtsprechung erkennt diese Klauseln grundsätzlich an, weil die Arbeitsgerichte die missliche Lage des Arbeitgebers bei Vertragsbruch des Arbeitnehmers erkannt haben.

 Wie hoch kann eine Vertragsstrafe sein?

Von Lieferverträgen kennt man Vertragsstrafen mit hohen „Pönalen“. Die muss der Lieferant zum Beispiel im Falle eines Lieferrückstands bezahlen - und zwar egal, ob der Lieferant am Rückstand die Schuld trägt oder nicht. So etwas geht auch in Arbeitsverträgen, aber nur mit niederigeren Vertragsstrafen als sie im Baugewerbe üblich sind.

Was die Höhe einer Vertragsstrafe angeht, so muss man differenzieren zwischen einer Vertragsstrafe, die während der Probezeit verlangt werden kann und einer Vertragsstrafe, die in einem Arbeitsverhältnis nach der Ablauf der Probezeit fällig wird.

Im ersten Fall wird ein halbes Bruttogehalt als Vertragsstrafe für vertretbar und damit zulässig angesehen. Später im laufenden Arbeitsverhältnis kann eine Vertragsstrafe bis zur Höhe eines vollen Bruttogehalts verlangt werden.

Wenn die Klausel im Arbeitsvertrag richtig formuliert ist, dann steht einer Verurteilung des vertragsbrüchigen Arbeitnehmers nichts im Wege und dieser muss die Vertragsstrafe bezahlen.

Hinsichtlich der Formulierung der Klauseln kann man inzwischen auf eine gefestigte Rechtsprechung zurückgreifen und daran sollte man sich orientieren.

Bietet die Vertragsstrafe einen sicheren Schutz vor Vertragsverletzungen?

Leider nein, sondern der Arbeitgeber erlangt dadurch nur eine pauschale Entschädigung für die vom Arbeitnehmer begangene Vertragsverletzung. Der tatsächlich angerichtete Schaden wird dadurch keineswegs ausgeglichen.

Kluge Arbeitnehmer lassen sich die Vertragsstrafe vom neuen Arbeiteber erstatten. Wer mit dem Inhalt seines  Arbeitsvertrags vertraut ist, kann ohne weiteres mit dem neuen Arbeitgeber bereits bei Abschluss des Arbeitsvertrages vereinbaren, dass dieser ihm eine eventuell beim bisherigen Arbeitsgeber fällige Vertragsstrafe erstattet.

Früher wäre so etwas undenkbar gewesen, aber heutzutage und angesichts der ungünstigen Situation am Arbeitsmarkt sind viele Unternehmen dazu bereit. Diese Kosten sind für die Unternehmen nichts weiter als Rekrutierungskosten, wie sie bei der Personalgewinnung anfallen.

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Martin Stier
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Arbeitsrecht
Augsburger Straße 746
70329 Stuttgart

Telefon: 0711 45 42 03


Honorar/Leistung: (0)
Erreichbarkeit: (0)
Verständlichkeit: (0)
Freundlichkeit: (0)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Martin Stier:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Arbeitsrecht Hilfe bei Abmahnung
19.05.2023

1. Was kann der Arbeitnehmer gegen eine Abmahnung unternehmen? Grundsätzlich kann dagegen eine Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden mit dem Ziel, die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu erreichen.  Meistens ist das aber keine gute Idee, denn dadurch wird das Arbeitsverhältnis stark belastet. Wer gegen eine Abmahnung klagt, der darf nicht überrascht sein, wenn der Arbeitgeber ihm in diesem Zusammenhang die einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorschlägt. Das sollte bedacht werden, bevor leichtfertig gegen eine Abmahnung geklagt wird. Es bestehen jedoch noch weitere Möglichkeiten um auf eine Abmahnung ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsrecht für Handwerker, Teil 1
29.12.2022

Löst jede Kündigung einen Abfindungsanspruch aus? In den meisten Fällen müssen Arbeitgeber in einem Handwerksbetrieb gar keine Abfindung bezahlen. Fast immer handelt es sich um Kleinbetriebe , in denen nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Damit ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar. Abgesehen von Sonderfällen, wie z.B. Schwangerschaft, Elternzeit und Schwerbehinderung bestehen keine Einschränkungen. Immer muss aber die Kündigungsfrist eingehalten werden. Darf der Arbeitgeber kündigen, obwohl die Arbeitnehmerin krankgeschrieben ist? Auf eine bestehende Krankheit muss der Arbeitnehmer ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Arbeitsrecht Ergonomischer Büroarbeitsplatz mit Merkblatt

Der Begriff "Büroarbeitsplatz" bezieht sich auf die Gesamtheit aller Elemente und Bedingungen, die in einem Büroumfeld zur Durchführung von Arbeitsaufgaben erforderlich sind. Hierzu zählen insbesondere Arbeitsmittel wie Schreibtisch und Bürostuhl, die gemäß den Anforderungen des Arbeitsschutzes ergonomisch gestaltet sein müssen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden und die Arbeitsleistung zu steigern. Rechtliche Grundlagen für Büroarbeitsplätze Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und die Bildschirmarbeitsverordnung bilden die rechtliche Basis für die Gestaltung von Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen in ... weiter lesen

Arbeitsrecht Arbeitsgericht Siegburg urteilt: Keine Diskriminierung bei Nichteinstellung aus gesundheitlichen Gründen

Das Arbeitsgericht Siegburg hat in einem Fall, in dem es um die Rücknahme einer Einstellungszusage für einen schwerbehinderten Bewerber ging, entschieden. Im Mittelpunkt der Verhandlung stand die Frage, ob die Nichteinstellung aufgrund eines ärztlichen Gutachtens eine Diskriminierung darstellt (Az.: 3 Ca 1654/23 ). Stadt zieht Jobzusage an diabetischen Bewerber zurück – Klage wegen Diskriminierung Ein schwerbehinderter Bewerber, der an Diabetes leidet, bewarb sich Anfang 2023 bei einer Stadtverwaltung für eine Ausbildung zum Straßenwärter. Seine Schwerbehinderung gab er dabei offen an. Er erhielt eine vorläufige Zusage, die jedoch von den Ergebnissen einer ... weiter lesen

Arbeitsrecht Nebenbeschäftigung durch Detektei aufgedeckt – was Arbeitgeber jetzt beachten müssen

Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und -geber ist wichtig, Vertrauen allein reicht aber oft nicht aus. Zu den häufigsten Zwischenfällen gehört die Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit durch den Arbeitnehmer. Grundsätzlich ist der Hauptarbeitgeber verpflichtet, einen Nebenjob zu gewähren, sofern die eigenen Interessen davon nicht betroffen sind. So muss der Arbeitnehmer weiterhin mit seiner vollen Arbeitskraft verfügbar sein und darf nicht in konkurrierenden Betrieben arbeiten. Heimlich ausgeführt ist eine Nebentätigkeit nicht erlaubt. Die Aufdeckung erfolgt regelmäßig durch erfahrene Wirtschaftsdetektive, aber was passiert dann?  ... weiter lesen

Arbeitsrecht Verwaltungsgericht Hannover bestätigt Entlassung von Polizeikommissar-Anwärterin

Ein aktuelles Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover (Az. 2 B 512/24; 2 A 5953/23 ) bekräftigt die Entlassung einer Polizeikommissar-Anwärterin aufgrund ihrer polizeikritischen Äußerungen in sozialen Netzwerken. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Neutralität und des Mäßigungsgebots im Beamtenverhältnis. Polizeianwärterin wegen kritischer Äußerungen in sozialen Medien entlassen Im Zentrum des Rechtsstreits stand eine angehende Polizeikommissarin, gegen die die Niedersächsische Polizeiakademie eine Entlassungsverfügung erließ. Ausschlaggebend waren diverse Äußerungen in sozialen Medien, die als kritisch gegenüber der Polizei ... weiter lesen

Ihre Spezialisten