Sechswöchige Ausschlagungsfrist macht fundierte Entscheidung fast unmöglich
Die Nachfolgeplanung obliegt dem Erblasser regelmäßig zu Lebzeiten. Ist ein Erbfall bereits eingetreten, sind Gestaltungsmöglichkeiten für die berufenen Erben äußerst eingeschränkt, wenn sie denn überhaupt existieren. Das wichtigste Instrument ist die sogenannte lenkende Ausschlagung, wonach ein Erbe das Erbe ausschlägt und damit gegebenenfalls das durch die ursprüngliche Erbfolge eingetretene Ergebnis korrigiert.
Dabei ist jedoch besondere Vorsicht geboten. Gerade aufgrund der Tatsache, dass eine Ausschlagung nur innerhalb von sechs Wochen nach Testamentseröffnung beziehungsweise nach dem Erbfall (wenn kein Testament vorhanden ist) erklärt werden kann, ist bei der Entscheidung Eile geboten. Fehler und Irrtümer vorprogrammiert. Doch wenn das Erbe ausgeschlagen wurde, dann ist es weg, oder etwa doch nicht? Das Oberlandesgericht Brandenburg musste sich neulich mit einem so gelagerten Fall auseinanderzusetzen.
Gesetzliche Erbfolge, Ehegatte und zwei Kinder
Die Erblasserin verstarb 2021 ohne ein Testament zu errichten. Sie hinterließ ihren Ehemann und zwei Söhne. Nach der gesetzlichen Erbfolge hätte der Ehemann zu ½ geerbt, die Kinder je zu ¼. Die beiden Söhne schlugen das Erbe jeweils aus und gingen davon aus, dass hierdurch ihr Vater Alleinerbe werden würde. Tatsächlich lebten aber noch die Eltern der Erblasserin, die durch die Ausschlagung der Kinder in der Erbfolge nachrückten. Diese Rechtsfolge hatten die Söhne nicht bedacht. Die die Ausschlagungserklärung beurkundende Notarin hat dies ebenfalls falsch eingeschätzt.
Anfechtung der Ausschlagungserklärung
Als den Söhnen dieser Irrtum auffiel, erklärten sie die Anfechtung der Ausschlagungserklärungen. Sodann beantragten der Ehemann sowie die beiden Söhne einen gemeinsamen Erbschein. Das Nachlassgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Anfechtung nicht durchgreife, weil sich die Söhne nicht über die eigentliche Rechtsfolge der Ausschlagung geirrt hätten, da sie wussten, dass sie durch die Ausschlagung selbst keinen Anspruch aus der Erbfolge haben. Sie hätten klar gemacht, dass sie kein Interesse an der Erbschaft hatten. Dass sie sich über die Person des Ersatzerben geirrt haben, sei nur ein Motivirrtum gewesen.
Motivirrtum oder Anfechtungsgrund?
Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde. Sie argumentierten damit, dass ein Irrtum vorgelegen habe, da sie sich über die Person des Ersatzerben geirrt haben.
Das Oberlandesgericht folgte dieser Sichtweise. Ein beachtlicher (und zur Anfechtung berechtigender) Irrtum liegt dann vor, wenn sich der Erklärende über die Wirkung des von ihm vorgenommenen Rechtsgeschäft irrt. Es muss dabei stets eine Abgrenzung zum (unbeachtlichen) Motivirrtum vorgenommen werden. Ein solcher liegt dann vor, wenn zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen weitere Wirkungen hinzutreten. Im Falle der lenkenden Ausschlagung ging es den Söhnen jedoch nicht lediglich darum, dass sie selbst nichts mehr mit der Erbschaft zu tun haben wollten, sondern sie wollten konkret die Rechtsfolge herbeiführen, dass ihr Vater Alleinerbe durch Anwachsung werden sollte. Somit lag ein Irrtum über die unmittelbare Rechtsfolge vor.
Die Antragsteller begünstigte auch die Tatsache, dass sie nachweisen konnten, dass vor der Ausschlagung ein entsprechender Schriftverkehr mit der Notarin erfolgte, wonach diese die Beteiligten beraten hat, dass lediglich der Vater Alleinerbe werde.
Erbschaftsteuerrechtlich interessant, aber nicht risikolos
Die lenkende Ausschlagung ist gerade dann ein probates Mittel, wenn die vom Erblasser vorgesehene Erbfolge erbschaftsteuerlich ungünstig ist, etwa weil andernfalls die Freibeträge nicht vollständig ausgeschöpft werden. Denkbar ist dabei auch die Vereinbarung einer Ausschlagung gegen Abfindung, sodass hierdurch ein weiterer Gestaltungsspielraum besteht.
Das größte Problem ist dabei der Zeitdruck, der durch die sechswöchige Ausschlagungsfrist besteht. Hier kann nur dringend empfohlen werden, den konkreten Einzelfall durch einen Fachanwalt prüfen zu lassen, um nicht später eine unerwünschte Rechtsfolge herbeizuführen, denn nicht immer wieder kann eine anschließende Anfechtung, wie sie das angerufene Oberlandesgericht Brandenburg akzeptiert hat, erfolgreich sein.
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