Erbrecht

Vorsicht bei lenkender Ausschlagung des Erbes

14.12.2022
Zuletzt bearbeitet am: 14.12.2022

Sechswöchige Ausschlagungsfrist macht fundierte Entscheidung fast unmöglich

Die Nachfolgeplanung obliegt dem Erblasser regelmäßig zu Lebzeiten. Ist ein Erbfall bereits eingetreten, sind Gestaltungsmöglichkeiten für die berufenen Erben äußerst eingeschränkt, wenn sie denn überhaupt existieren. Das wichtigste Instrument ist die sogenannte lenkende Ausschlagung, wonach ein Erbe das Erbe ausschlägt und damit gegebenenfalls das durch die ursprüngliche Erbfolge eingetretene Ergebnis korrigiert.

Dabei ist jedoch besondere Vorsicht geboten. Gerade aufgrund der Tatsache, dass eine Ausschlagung nur innerhalb von sechs Wochen nach Testamentseröffnung beziehungsweise nach dem Erbfall (wenn kein Testament vorhanden ist) erklärt werden kann, ist bei der Entscheidung Eile geboten. Fehler und Irrtümer vorprogrammiert. Doch wenn das Erbe ausgeschlagen wurde, dann ist es weg, oder etwa doch nicht? Das Oberlandesgericht Brandenburg musste sich neulich mit einem so gelagerten Fall auseinanderzusetzen.

Gesetzliche Erbfolge, Ehegatte und zwei Kinder

Die Erblasserin verstarb 2021 ohne ein Testament zu errichten. Sie hinterließ ihren Ehemann und zwei Söhne. Nach der gesetzlichen Erbfolge hätte der Ehemann zu ½ geerbt, die Kinder je zu ¼. Die beiden Söhne schlugen das Erbe jeweils aus und gingen davon aus, dass hierdurch ihr Vater Alleinerbe werden würde. Tatsächlich lebten aber noch die Eltern der Erblasserin, die durch die Ausschlagung der Kinder in der Erbfolge nachrückten. Diese Rechtsfolge hatten die Söhne nicht bedacht. Die die Ausschlagungserklärung beurkundende Notarin hat dies ebenfalls falsch eingeschätzt.

Anfechtung der Ausschlagungserklärung

Als den Söhnen dieser Irrtum auffiel, erklärten sie die Anfechtung der Ausschlagungserklärungen. Sodann beantragten der Ehemann sowie die beiden Söhne einen gemeinsamen Erbschein. Das Nachlassgericht lehnte diesen Antrag ab, da die Anfechtung nicht durchgreife, weil sich die Söhne nicht über die eigentliche Rechtsfolge der Ausschlagung geirrt hätten, da sie wussten, dass sie durch die Ausschlagung selbst keinen Anspruch aus der Erbfolge haben. Sie hätten klar gemacht, dass sie kein Interesse an der Erbschaft hatten. Dass sie sich über die Person des Ersatzerben geirrt haben, sei nur ein Motivirrtum gewesen.

Motivirrtum oder Anfechtungsgrund?

Hiergegen wenden sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerde. Sie argumentierten damit, dass ein Irrtum vorgelegen habe, da sie sich über die Person des Ersatzerben geirrt haben.

Das Oberlandesgericht folgte dieser Sichtweise. Ein beachtlicher (und zur Anfechtung berechtigender) Irrtum liegt dann vor, wenn sich der Erklärende über die Wirkung des von ihm vorgenommenen Rechtsgeschäft irrt. Es muss dabei stets eine Abgrenzung zum (unbeachtlichen) Motivirrtum vorgenommen werden. Ein solcher liegt dann vor, wenn zu den gewollten und eingetretenen Rechtsfolgen weitere Wirkungen hinzutreten. Im Falle der lenkenden Ausschlagung ging es den Söhnen jedoch nicht lediglich darum, dass sie selbst nichts mehr mit der Erbschaft zu tun haben wollten, sondern sie wollten konkret die Rechtsfolge herbeiführen, dass ihr Vater Alleinerbe durch Anwachsung werden sollte. Somit lag ein Irrtum über die unmittelbare Rechtsfolge vor.

Die Antragsteller begünstigte auch die Tatsache, dass sie nachweisen konnten, dass vor der Ausschlagung ein entsprechender Schriftverkehr mit der Notarin erfolgte, wonach diese die Beteiligten beraten hat, dass lediglich der Vater Alleinerbe werde.

Erbschaftsteuerrechtlich interessant, aber nicht risikolos

Die lenkende Ausschlagung ist gerade dann ein probates Mittel, wenn die vom Erblasser vorgesehene Erbfolge erbschaftsteuerlich ungünstig ist, etwa weil andernfalls die Freibeträge nicht vollständig ausgeschöpft werden. Denkbar ist dabei auch die Vereinbarung einer Ausschlagung gegen Abfindung, sodass hierdurch ein weiterer Gestaltungsspielraum besteht.

Das größte Problem ist dabei der Zeitdruck, der durch die sechswöchige Ausschlagungsfrist besteht. Hier kann nur dringend empfohlen werden, den konkreten Einzelfall durch einen Fachanwalt prüfen zu lassen, um nicht später eine unerwünschte Rechtsfolge herbeizuführen, denn nicht immer wieder kann eine anschließende Anfechtung, wie sie das angerufene Oberlandesgericht Brandenburg akzeptiert hat, erfolgreich sein.

Benötigen Sie rechtliche Beratung im Zusammenhang mit der Abwicklung Ihrer Erbschaft, stehen Ihnen die Anwälte von ROSE & PARTNER, insbesondere unsere Fachanwälte für Erbrecht, grundsätzlich gerne zur Verfügung. Weitere Informationen dazu finden Sie auf unserer Webseite: https://www.rosepartner.de/erbschaft-abwickeln-erbe-nachlass.html

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Kolja Schlecht
Rechtsanwalt • Fachanwalt für Erbrecht
Jungfernstieg 40
20354 Hamburg

Telefon: 040-41437590


Honorar/Leistung: (5)
Erreichbarkeit: (5)
Verständlichkeit: (5)
Freundlichkeit: (5)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Kolja Schlecht:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Erbrecht Erbschaftsteuer zukünftig schon vor Klärung der Erbenstellung zu zahlen?
19.10.2022

Anmerkungen zum Urteil des Bundesfinanzhofs vom 27.04.2022 (II R 17/20) Ein Beitrag von Ralph Butenberg, Fachanwalt für Erbrecht und für Steuerrecht „Nichts in dieser Welt ist sicher, außer dem Tod und den Steuern“ – Benjamin Franklin, 1789. Niemand, der oder die in der steuerlichen Beratungspraxis tätig ist, wird den obenstehenden Satz bestreiten – Ausnahmen bestätigen die Regel. Mit einem solchen Ausnahmefall hatte sich der Bundesfinanzhof in der Entscheidung vom 27.04.2022 zu befassen. Streitig war, ob bei Erlass des Erbschaftsteuerbescheides bereits Festsetzungsverjährung eingetreten und die ... weiter lesen

Erbrecht Testament in Briefform?
05.10.2022

Welche Anforderungen gelten bei Erbeinsetzung per Brief? – Bloße Ankündigung genügt nicht Testamente können auf unterschiedliche Weise verfasst werden. Sie können handschriftlich erstellt werden oder bei einem Notar. Möglich ist auch, jemanden per Brief als Erben einzusetzen. Aber nicht jeder Brief, den der Testierende an den Erben in spe schreibt, führt zu einer wirksamen Erbeinsetzung. Dankesbrief nach Weihnachten Die Erblasserin war zu Weihnachten bei Freunden eingeladen. In ihrem Dankesbrief schrieb sie: „ … Ich möchte mich für die liebevolle Aufnahme am 1. Weihnachtstag recht herzlich bedanken. ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Erbrecht Erbschaftsausschlagung und Anfechtung bei Irrtum

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat mit einem aktuellen Beschluss entschieden, dass eine Erbschaftsausschlagung angefochten werden kann, selbst wenn der Erbe nicht alle möglichen Informationsquellen über die Zusammensetzung des Nachlasses genutzt hat. Dies gilt insbesondere, wenn der Erbe aufgrund einer Fehlvorstellung von einer Überschuldung ausgegangen ist. ( Az. 21 W 146/23 ) Erbschaftsausschlagung und die Rolle des Irrtums Eine Erbschaftsausschlagung kann unter bestimmten Umständen angefochten werden. Gemäß dem Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juli 2024 ist dies möglich, wenn ein Erbe seine Ausschlagungserklärung aufgrund ... weiter lesen

Erbrecht OLG Oldenburg bestätigt: Testament auf Kneipenblock rechtsgültig

Ein ungewöhnlicher Testamentfall, verhandelt vom 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg unter dem Aktenzeichen 3 W 96/23 , hat für Aufsehen gesorgt: Ein Gastwirt aus dem Ammerland verfasste sein Testament auf einem Kneipenblock, welches von seiner Partnerin, die sich als Alleinerbin sah, beim Nachlassgericht zur Erteilung eines Erbscheins eingereicht wurde. Kneipenblock-Testament: Gericht zweifelt letzten Willen an Ein Gastwirt hinterließ nach seinem Ableben ein Testament, das auf einem im Gastraum gefundenen Kneipenblock notiert war. Darauf stand unter Datum und Unterschrift der Spitzname einer Person – „X“ – mit dem Vermerk „X bekommt alles“. ... weiter lesen

Erbrecht Kein Erbe nach ignorierter Gerichtspost

Karlsruhe (jur). Trotz aller Trauer nach dem Tod eines nahen Angehörigen sollte die Post vom Gericht nicht unbeantwortet liegenbleiben. Denn das kann dazu führen, dass man unverhofft ohne Erbe dasteht, wie ein am Montag, 12. Juni 2023, veröffentlichter Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe zeigt (Az.: IV ZB 11/22). Danach kann ein Gericht die „Erbunwürdigkeit“ auch in einem sogenannten Versäumnisurteil ohne jede Beteiligung der betroffenen Person aussprechen.  Im konkreten Fall war ein Mann aus dem Raum Köln am 9. November 2018 verstorben. Fünf Wochen später reichte seine Ehefrau beim Nachlassgericht ein von beiden Eheleuten unterzeichnetes ... weiter lesen

Erbrecht Erbfallkostenpauschale auch für „Nacherben“

München (jur). Sieht ein Testament vor, dass zunächst der Ehepartner und dann beispielsweise die Kinder erben sollen, sind dies zwei getrennte „Erbfälle“. Daher können zunächst der Ehemann als „Vorerbe“ und dann auch die Kinder als „Nacherben“ bei der Erbschaftsteuer die „Erbfallkostenpauschale“ absetzen, wie der Bundesfinanzhof (BFH) in München in einem am Donnerstag, 4. Mai 2023, veröffentlichten Urteil entschied (Az.: II R 3/20). Ein Nachweis, dass im Zusammenhang mit dem Erbe Kosten entstanden sind, sei dafür nicht nötig.  Gerade bei Ehepaaren mit Kindern sind solche Testamente inzwischen üblich. Auch im Streitfall hatte die Erblasserin ... weiter lesen

Ihre Spezialisten