Nahezu jeder Arbeitnehmer kennt die Situation, wenn vor der Arbeit der Wecker klingelt und man feststellen muss, dass man erkrankt ist. Sei es eine starke Erkältung, eine Grippe, plötzliche Zahnschmerzen oder gar Schlimmeres, mit dem Ergebnis, dass man nicht dazu in der Lage ist, seine Arbeit aufzunehmen bzw. eine Arbeitsaufnahme zu einer Verschlimmerung der Erkrankung oder einer Verzögerung der Genesung führen würde. Gerade wer zum ersten Mal in diese Situation gerät, fragt sich, was nun zu tun ist. Wann muss ich meinen Arbeitgeber über meine Erkrankung in Kenntnis setzen? Muss ich ggf. sogar eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (auch ärztliches Attest oder „gelber Schein“ genannt) vorlegen?
Unterscheidung Anzeigepflicht und Nachweispflicht
Welche Pflichten der Arbeitnehmer hat, wenn er arbeitsunfähig wird, ergibt sich maßgeblich aus § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Dort wird zunächst unterschieden zwischen
- Anzeigepflicht und
- Nachweispflicht.
Die Anzeigepflicht
Unter der Anzeigepflicht ist vereinfacht gesagt die Mitteilung, dass man arbeitsunfähig ist, an den Arbeitgeber zu verstehen. Dabei umfasst die Anzeigepflicht nicht nur die Mitteilung über die Arbeitsunfähigkeit, sondern auch über deren voraussichtliche Dauer.
Diese Mitteilung hat der Arbeitnehmer unverzüglich gegenüber dem Arbeitgeber zu machen. Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Eine bestimmte Form der Mitteilung ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, in der Regel wird die Mitteilung daher telefonisch oder per E-Mail, ggf. sogar per SMS oder Whatsapp Nachricht erfolgen. Eine postalische Benachrichtigung, d. h. per klassischem Brief, ist in der heutigen Zeit moderner Kommunikationssysteme nicht ausreichend. Die Mitteilung sollte sofern möglich bereits vor Arbeitsbeginn erfolgen, damit der Arbeitgeber ggf. erforderliche Dispositionen treffen kann. Spätestens aber, sobald der Arbeitgeber telefonisch erreichbar ist, sollte die telefonische Mitteilung erfolgen, wenn nicht ohnehin bereits eine frühere Mitteilung per E-Mail erfolgt ist. Natürlich kann es Situationen geben, in denen einem die Mitteilung über die Arbeitsunfähigkeit nicht gleich zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit möglich ist. Das sind insbesondere Fälle, in denen die Arbeitsunfähigkeit die Folge eines schweren Unfalles (vielleicht auf dem Weg zur Arbeit) oder einer plötzlichen schweren Erkrankung ist. Ist der Arbeitnehmer in diesen Fällen nicht dazu in der Lage, die Mitteilung an den Arbeitgeber selbst vorzunehmen, so hat er einen Boten (Verwandte, Lebenspartner, Freunde etc.) einzuschalten, der die Mitteilung für ihn vornimmt.
Lediglich, wenn eine derartige schwere Arbeitsunfähigkeit vorliegt, die es dem Arbeitnehmer nicht mal mehr ermöglicht einen Boten zu beauftragen, ist die Anzeige noch als unverzüglich zu betrachten, wenn die Mitteilung sofort nach Wegfall des Hindernisses erfolgt.
Es gilt hier insbesondere zu berücksichtigen, dass man mindestens eine Abmahnung riskiert, wenn man seiner Anzeigepflicht nicht unverzüglich nachkommt. Denn der Arbeitgeber kann dann davon ausgehen, dass der Arbeitnehmer unentschuldigt fehlt.
Die Mitteilung über die Arbeitsunfähigkeit hat gegenüber dem Arbeitgeber zu erfolgen. In kleinen Unternehmen wird das der Unternehmensinhaber oft selbst sein. In größeren Unternehmen muss die Mitteilung gegenüber einer zur Empfangnahme entsprechender Erklärungen bevollmächtigten Person erfolgen. Das wird dann in der Regel oft der Vorgesetzte, Team- oder Abteilungsleiter sein.
Die Nachweispflicht
Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage dauert, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen.
Diese gesetzliche Regelung ist vielen Arbeitnehmern bekannt, wird aber von einem Großteil von ihnen völlig falsch verstanden bzw. herrschen hier falsche Vorstellungen über deren Bedeutung. Immer wieder hört man Arbeitnehmer erzählen, dass man ja keine Krankschreibung vom Arzt benötige, wenn man maximal drei Tage krank sei. Oftmals wird das von vielen Arbeitnehmern als Freifahrtsschein für das sog. Krankfeiern gesehen, weil man ja nicht dazu verpflichtet sei, eine Krankschreibung vorzulegen. Dieser Irrtum kann völlig zu Recht fatale Folgen haben, wenn der Arbeitnehmer schlicht „krankfeiert“. Denn der Arbeitgeber kann die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit verlangen. Und dieses Verlangen muss der Arbeitgeber auch nicht begründen, geschweige denn müssen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Arbeitnehmer rechtsmissbräuchlich krankgemeldet hat.
Oftmals ist die Verpflichtung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit bereits im Arbeitsvertrag enthalten. Eine entsprechende Verpflichtung kann sich aber auch aus einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergeben. Voraussetzung für das Recht des Arbeitgebers, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schon vor Ablauf von drei Tagen verlangen zu können, ist eine solche Regelung aber nicht.
Folgen bei Verletzung der Nachweispflicht
Kommt der Arbeitnehmer seiner Verpflichtung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nach, so hat der Arbeitgeber zunächst mal ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 7 EFZG. Das heißt, der Arbeitgeber ist dazu berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange der Arbeitnehmer die von ihm vorzulegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorlegt.
Verletzt der Arbeitnehmer seine Verpflichtung zur Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auch noch wiederholt, kann das den Arbeitgeber zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigten.
Fazit
Arbeitnehmer sollten den ihnen obliegenden Anzeige- und Nachweispflichten stets gewissenhaft nachkommen und ihren Arbeitgeber rechtzeitig über Bestehen und voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis setzen und eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen. Denn wer gegen diese Pflichten verstößt, riskiert nicht nur eine Abmahnung. Im Wiederholungsfall riskiert der Arbeitnehmer mit seinem Fehlverhalten vielmehr auch die Kündigung seines Arbeitsverhältnisses.
Autor: Dr. Kluge Rechtsanwälte, Fachanwälte für Arbeitsrecht aus Hannover, Tel-Nr. 0511-94000630
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