Sozialrecht

Wenn die Krankenkasse ihr Geld zurückhaben möchte: Regressansprüche im Schadensfall

Zuletzt bearbeitet am: 15.10.2024

Regressansprüche gesetzlicher Krankenkassen bedeutet, dass diese im Schadensfall eine Rückforderung gegen Unfallverursacher anstrengen können. Diese Ansprüche unterliegen strengen rechtlichen Voraussetzungen, wobei die Beweislast oft umstritten ist. Sie sind entscheidend für die finanzielle Verantwortung von Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Sozialversicherten im Schadensfall.

Regressansprüche gesetzlicher Krankenkassen: Rechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage für Regressansprüche der gesetzlichen Krankenkassen ist § 116 SGB X, der den Forderungsübergang auf die Krankenkasse regelt, sobald diese Heilbehandlungskosten übernimmt. Bei Arbeitsunfällen gelten die speziellen Vorschriften der §§ 104 ff. SGB VII, die besondere Haftungsprivilegien vorsehen. Ein Regress ist hier nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz möglich.

Leitsatzentscheidung des BGH

Der BGH vertritt die Ansicht, dass die gesetzlichen Krankenkassen beim Regressanspruch nach § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Grundsatz die gleiche Darlegungs- und Beweislast tragen müssen wie der Geschädigte selbst. Die sozialrechtlichen Besonderheiten bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen rechtfertigen keine Abweichung von den zivilrechtlichen Grundsätzen der Beweislast. (Urteil des VI. Zivilsenats vom 9.7.2024 - VI ZR 252/23 - bundesgerichtshof.de).

Voraussetzungen für den gesetzlichen Forderungsübergang

Der Übergang der Ansprüche auf die gesetzliche Krankenkasse erfolgt bereits mit dem Zeitpunkt des Unfalls. Dies ist ein zentraler Punkt, da ab diesem Zeitpunkt der Geschädigte nicht mehr berechtigt ist, seine Ansprüche selbst durchzusetzen. Der Sozialversicherungsträger übernimmt diese Aufgabe und verfolgt die Ansprüche gegenüber dem Schädiger. Kurz gesagt:

  • Anspruchsübergang tritt automatisch mit dem Unfall ein.
  • Unterschiede bei der Haftung: Arbeitsunfälle unterliegen besonderen Regeln.
  • Sozialversicherungsträger ist aktiv legitimiert, nicht mehr der Geschädigte selbst.

Beweislast und Darlegungspflichten

Ein zentraler Streitpunkt bei Regressansprüchen der gesetzlichen Krankenkassen ist die Beweislast. Die Krankenkasse muss nachweisen, dass der Schädiger verantwortlich ist und ein direkter Zusammenhang zwischen Unfall und Leistungen besteht. In Gerichtsverfahren wird oft diskutiert, ob die Krankenkasse ihre Ansprüche ausreichend belegen und die Darlegungspflicht erfüllen kann. 

Regressansprüche gesetzlicher Krankenkassen: Fakten

  • Krankenkasse trägt die Beweislast.
  • Umfangreiche Nachweise der Kausalität erforderlich.
  • Gerichtliche Anforderungen an die Darlegung von Ansprüchen.

Rechtliche Herausforderungen bei Arbeitsunfällen

Bei Arbeitsunfällen ist die Rechtslage besonders komplex. Hier greifen die Haftungsprivilegien der §§ 104 ff. SGB VII. Diese Bestimmungen sehen vor, dass der Schädiger in vielen Fällen von der Haftung befreit ist, es sei denn, er hat den Unfall grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht. Die Krankenkasse kann nur in diesen Fällen einen Regressanspruch geltend machen. Liegt einfache Fahrlässigkeit vor, so greift das Haftungsprivileg und die Krankenkasse bleibt auf ihren Kosten sitzen.

Dies stellt für die gesetzlichen Krankenkassen eine erhebliche Herausforderung dar, da die Beweisführung bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz oft schwer zu erbringen ist. Gleichzeitig führt dies dazu, dass viele potenzielle Regressansprüche nicht durchsetzbar sind, weil der Nachweis einer schweren Pflichtverletzung des Schädigers nicht gelingt. Zusammengefasst: 

  • Anspruchsübergang nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz.
  • Haftungsprivileg schützt den Schädiger bei einfacher Fahrlässigkeit.
  • Schwierige Beweisführung für Krankenkassen.

Fachanwalt.de-Tipp: Arbeitgeber und Versicherte sollten sich durch präzise Dokumentation und enge Zusammenarbeit mit Versicherern gegen Regressansprüche absichern. Arbeitsunfälle müssen korrekt gemeldet werden, um rechtlichen Anforderungen zu genügen. Versicherte sollten die Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung kennen und sicherstellen, dass alle wichtigen Informationen den Versicherern vorliegen, um Missverständnisse zu vermeiden.

Zusammenfassung

Regressansprüche der gesetzlichen Krankenkassen sind ein vielschichtiges rechtliches Thema, das insbesondere bei Arbeitsunfällen durch spezielle Haftungsregelungen erschwert wird. Für Arbeitgeber und Sozialversicherte ist es wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu kennen und sich entsprechend abzusichern. Die Beweislast liegt häufig bei den Krankenkassen, die ihre Ansprüche detailliert darlegen müssen. Gute Dokumentation und Zusammenarbeit mit den Versicherern sind erforderlich, um rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Symbolgrafik:© M. Schuppich - stock.adobe.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht LSG: Kenntnis und Antrag begründen Sozialhilfeanspruch

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied, dass bereits ein einfacher Antrag zur Bedarfsdeckung im Rahmen der Sozialhilfe führen kann. LSG: Sozialhilfeanspruch rückwirkend ab Oktober 2019 anerkannt Eine pflegebedürftige ältere Frau, die keine ausreichende Rente und kein Vermögen hatte, zog 2019 in ein Pflegeheim. Ihr Betreuer beantragte am 17. Oktober 2019 beim Sozialamt die Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Mit diesem Antrag legte er auch Informationen zur Rente und aufgelaufenen Kosten vor, jedoch ohne Angaben zum Vermögen. Das Sozialamt erkannte den Antrag zunächst an, forderte jedoch am 21. Oktober 2019 weitere Informationen an und wies ... weiter lesen

Sozialrecht Rechtsprechung zum Wegunfall beim Abholen von Arbeitsschlüsseln nach einer privaten Feier

Ein Arbeitsunfall auf dem Weg von einer privaten Feier wirft oft juristische Fragen auf. Das Bundessozialgericht (BSG) entschied nun, ob das Abholen von Arbeitsschlüsseln als Wegunfall unter den Versicherungsschutz fallen kann. Dies betrifft viele Arbeitnehmer, die berufliche Arbeitsmittel an einem anderen Ort aufbewahren  (BSG, 26.09.2024 - B 2 U 15/22 R) . Wegeunfall: Der konkrete Fall vor dem Bundessozialgericht Im Zentrum des Verfahrens stand eine Arbeitnehmerin, die nach einem privaten Wochenendausflug auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung schwer verunglückte. Der Unfall ereignete sich, als die Arbeitnehmerin Arbeitsschlüssel und -unterlagen aus ihrer ... weiter lesen

Sozialrecht Landessozialgericht: Kein Anspruch auf Schulbegleitung bei Pflegebedarf

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschied in einem Eilverfahren, dass ein achtjähriger Junge keinen Anspruch auf außerklinische Intensivpflege als Schulbegleitung hat (Az.: L 16 KR 383/24 B ER ). Antrag auf Schulbegleitung wegen Diätbedarf Ein achtjähriger Junge leidet an einer angeborenen Störung des Fettstoffwechsels und benötigt eine spezielle Diät, die regelmäßige Mahlzeiten sowie die Gabe von MCT-Öl umfasst. Die Krankenkasse hatte zwei tägliche Einsätze eines Pflegedienstes während der Schulzeit genehmigt, um die Ölgabe zu gewährleisten. Die Eltern des Jungen beantragten darüber hinaus eine außerklinische Intensivpflege in Form ... weiter lesen

Sozialrecht Schöffenbezüge und Grundsicherung: LSG entscheidet über Rückzahlungspflicht

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) hat im Urteil vom 29. August 2024 (Az. L 11 AS 75/21 ) entschieden, dass Schöffenbezüge bei Bezug von Grundsicherung anzugeben sind, andernfalls droht eine Rückzahlung. Schöffentätigkeit ohne Meldung an das Jobcenter Ein Bauingenieur aus Hannover, der seit 2012 Grundsicherungsleistungen bezieht, nahm 2014 eine Schöffentätigkeit am Landgericht auf. Trotz dieser zusätzlichen Einkünfte informierte er das Jobcenter nicht. Für seine Tätigkeit als Schöffe erhielt er in den Jahren 2015 und 2016 insgesamt etwa 2.800 Euro an Entschädigungen für Zeit- und Verdienstausfall. Dabei hatte er gegenüber dem Gericht ... weiter lesen

Ihre Spezialisten