Steigern Sie Ihre Sichtbarkeit und gewinnen Sie mehr Mandate. Jetzt 1 Monat kostenlos testen!Pfeil rechtsPremiumeintrag jetzt kostenlos testenPfeil rechts

Wer zu spät kommt, ... - kein Anspruch des erstmalig gewählten Betriebsrats auf Sozialplan

Laut Bundesarbeitsgericht hat ein Betriebsrat, der erst nach vom Arbeitgeber begonnener Umsetzung einer Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) erstmalig gebildet wird, keinen Anspruch auf Abschluss eines Sozialplans (BAG, Beschluss vom 8.2.2022, 1 ABR 2/21). 

Folgende Aussagen aus der Entscheidung des BAG sind hervorzuheben:

  • Wird in einem bislang betriebsratslosen Betrieb ein Betriebsrat erst gebildet, nachdem der Arbeitgeber mit der Umsetzung der Betriebsänderung (insbes. Personalabbau) begonnen hat, steht dem Betriebsrat kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht auf Abschluss eines Sozialplans zu.
  • Nur dann, wenn ein Betriebsrat bereits besteht, kann und muss der Arbeitgeber etwaige finanzielle Belastungen durch einen Sozialplan in seine Entscheidung einbeziehen. Der Umstand, dass ein Sozialplan auch noch nach erfolgter Betriebsänderung abgeschlossen werden und der Arbeitgeber entsprechende Kosten – vorsorglich – einkalkulieren könnte, ändert hieran nichts.
  • Dadurch kommt es auch nicht zu einem „unerwünschten Wettlauf“ zwischen der Belegschaft und dem Arbeitgeber. Den Arbeitnehmern ist es nämlich unbenommen, unabhängig von den Planungen des Arbeitgebers jederzeit einen Betriebsrat zu wählen. Das BetrVG geht im Grundsatz sogar davon aus, dass ein Betriebsrat bereits dann zu errichten ist, wenn und sobald die Voraussetzungen hierfür gegeben sind.
  • Eine generelle Verpflichtung des Arbeitgebers, mit einer an sich beteiligungspflichtigen Maßnahme so lange zu warten, bis im Betrieb ein funktionsfähiger Betriebsrat vorhanden ist, enthält das BetrVG nicht. Das gilt selbst dann, wenn mit der Wahl eines Betriebsrats zu rechnen und die Zeit bis zu dessen Konstituierung absehbar ist (vgl. für die Beteiligung des Betriebsrats gemäß § 102 BetrVG bereits BAG, Beschluss vom 23.8.1984, 6 AZR 520/82). Das BAG musste vorliegend nicht darüber entscheiden, ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn der Arbeitgeber die rechtzeitige Wahl des Betriebsrats vereitelt hat.

Das Bundesarbeitsgericht hat damit seine Rechtsprechung aus den 80er und 90er Jahren bestätigt (vgl. BAG, Beschluss vom 20.4.1982, 1 ABR 3/80; BAG, Beschluss vom 29.11.1983, 1 ABR 20/82; BAG, Beschluss vom 22.10.1991, 1 ABR 17/91; BAG, Beschluss vom 28.10.1992, 10 ABR 75/91) und damit von den Instanzgerichten vereinzelt vertretenen anderen Auffassungen eine Absage erteilt (vgl. LAG Köln, Beschluss vom 5.3.2007, 2 TaBV 10/07; ArbG Reutlingen, Beschluss vom 29.10.1998 – 3 (1) BV 7/98).

Fazit

Belegschaften in betriebsratslosen Betrieben, die erst dann einen Betriebsrat bilden, wenn es "brenzlig" wird, sind aus Sicht des BAG - zugespitzt formuliert - "selbst Schuld", wenn die Wahl (konkret: die konstituierende Sitzung) des erstmalig gebildeten Betriebsrats zu spät kommt, weil der Arbeitgeber bereits mit der Umsetzung der Maßnahme begonnen hat.     

Aus Arbeitgebersicht wiederum ist die Entscheidung eine wohl zumeist willkommene Klarstellung, dass man "nichts Böses" oder Rechtswidriges unternimmt, wenn man im  betriebsratslosen Betrieb eine Maßnahme zügig umsetzt und auch die daraufhin hektisch erfolgende erstmalige Bildung des Betriebsrats nicht abwartet. Allerdings sollte man als Arbeitgeber den Wink des BAG "mit dem Zaunpfahl" zur Kenntnis nehmen, dass etwas anderes angenommen werden könnte, wenn der Arbeitgeber die rechtzeitige Wahl des Betriebsrats vereitelt. Die bei erstmaliger Betriebsratswahl häufig vorhandenen Umstände (Unkenntnis, Unwillen usw.) können schneller als man glaubt, zu Verhalten auf Arbeitgeberseite führen, die im worst case auch zur Annahme einer Vereitelung der  rechtzeitigen Wahl des Betriebsrats führen können (z.B. Verzögerung oder Verweigerung ggü. dem Wahlvorstand, ihn die nötigen Angaben zur Erstellung der Wählerliste zu übermitteln).

Diesen Artikel bewerten:
Diesen Artikel teilen: Linkedin Xing X
Whatsapp
Facebook
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema

Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Dr. Artur Kühnel

*Pflichtfelder
Weitere Artikel des Autors
Tatsachenvergleiche zum Urlaub: nicht mehr so einfach
08.06.2025Dr. Artur KühnelArbeitsrecht
Herr Dr. Artur Kühnel

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das BAG mit einer sehr typischen Konstellation befasst, nämlich der in einem zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geschlossenen Vergleich auch vereinbarten Regelung, dass Urlaubsansprüche bereits gewährt worden sind. Das BAG setzt dieser Gestaltung Grenzen. Der Fall Der Arbeitnehmer war zum 30.4.2023 ausgeschieden und machte Urlaubsabgeltung für 7 Tage aus 2023 geltend.  Aber : Ziffer 7. des im Streitfall vorher zwischen den Parteien abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs vom 31.3.2023 lautete:  „Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.“  Der Arbeitnehmer war jedoch von Beginn des Jahres 2023 durchgehend bis zum 30.4.2023 arbeitsunfähig erkrankt und nicht in der Lage, Urlaub zu nehmen. Das BAG gab dem...

weiter lesen weiter lesen

Widerruf des auch privat genutzten Dienstwagens - Aktuelles vom BAG
16.04.2025Dr. Artur KühnelArbeitsrecht
Herr Dr. Artur Kühnel

In einer aktuellen Entscheidung hat sich das BAG nach längerer Zeit erneut zum Widerruf des auch privat genutzten Dienstwagens äußern können. Es hat dabei die Inhaltskontrolle eines vereinbarten Widerrufsvorbehalts und auch die Ausübungskontrolle des Widerrufs behandelt. Das BAG bestätigt seine Rechtsprechung und konkretisiert sie in einzelnen Punkten auch.  Anm.: Dieser Blogbeitrag ist in leicht abgewandelter Form auch als Beitrag im  Expertenforum Arbeitsrecht (#EFAR)  erschie nen:  BAG-Update zum Widerruf des auch privat genutzten Dienstwagens ​ Dienstwagen als ggf. widerrufbarer Vergütungsbestandteil Die Überlassung eines Dienstwagens an den Arbeitnehmer auch zur Privatnutzung stellt einen geldwerten Vorteil und Sachbezug i.S.d. § 107...

weiter lesen weiter lesen
Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Relevanz des Paarvergleichs: Konkretisierung der Entgeltgleichheit durch das BAG
13.11.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Relevanz des Paarvergleichs: Konkretisierung der Entgeltgleichheit durch das BAG

Mit seinem Urteil vom 23. Oktober 2025 ( Az. 8 AZR 300/24 ) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die Durchsetzung der Entgeltgleichheit signifikant gestärkt. Die Entscheidung etabliert, dass eine Entgeltdifferenz zu einem einzelnen männlichen Vergleichskollegen die Vermutung geschlechtsbezogener Diskriminierung begründet. Diese Präzisierung erhöht die Anforderungen an die Transparenz und Objektivität unternehmensinterner Vergütungsstrukturen erheblich. Etablierung des individuellen Paarvergleichs als Diskriminierungsindiz Der Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist ein Grundsatz des europäischen Arbeitsrechts. Das Urteil bestätigt die prozessuale Tragweite des Paarvergleichs: Der Nachweis einer geringeren Entlohnung einer Arbeitnehmerin gegenüber einem männlichen...

weiter lesen weiter lesen

Vorzeitiger Verzicht auf qualifiziertes Arbeitszeugnis unwirksam
12.11.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Vorzeitiger Verzicht auf qualifiziertes Arbeitszeugnis unwirksam

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 18. Juni 2025 (Az. 2 AZR 96/24 (B)) etabliert den Rechtsgrundsatz, dass Arbeitnehmer vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses keinen wirksamen Verzicht auf das qualifizierte Arbeitszeugnis erklären können. Diese juristische Präzisierung limitiert die Gestaltungsmöglichkeiten in Aufhebungs- und Abwicklungsvereinbarungen, konsolidiert den Arbeitnehmerschutz und unterstreicht die fundamentale Bedeutung der Rechtsprechung zum Arbeitszeugnis Verzicht im nationalen Arbeitsrecht. Gesetzlicher Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis Der Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ist in § 109 der Gewerbeordnung (GewO) normiert. Diese Bestimmung hat die Aufgabe, neben der Beschreibung der Art und Dauer der Tätigkeit, eine umfassende Beurteilung der Leistung und...

weiter lesen weiter lesen
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht gestärkt: Wer darf Konfession als Einstellungsvoraussetzung fordern?
07.11.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht gestärkt: Wer darf Konfession als Einstellungsvoraussetzung fordern?

Mit seiner Entscheidung vom 29. September 2025 ( Az. 2 BvR 934/19 ) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben. Das Gericht hob ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) auf, das einen kirchlichen Arbeitgeber zur Entschädigung einer konfessionslosen Bewerberin verurteilt hatte. Die Richter urteilten, dass das BAG das Kirchliches Selbstbestimmungsrecht des Arbeitgebers nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Die zentrale Rechtsfrage: AGG versus kirchliche Autonomie Der Fall betrifft die Kollision zwischen dem Diskriminierungsschutz nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und dem verfassungsrechtlich geschützten religiösen Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. § 9 Abs. 1 AGG erlaubt Kirchen und Religionsgemeinschaften, bei der Einstellung von...

weiter lesen weiter lesen

BAG stellt klar: Telefonkonferenz bei Nachberatungen zulässig
SternSternSternSternStern
(2 Bewertungen)22.10.2025Redaktion fachanwalt.deArbeitsrecht
BAG stellt klar: Telefonkonferenz bei Nachberatungen zulässig

Mit Beschluss vom 9. September 2025 ( Az. 5 AZN 142/25 ) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) die seit Langem umstrittene Frage der richterlichen Nachberatung präzisiert und dabei die Telefonkonferenz als zulässige Form der Beratung bestätigt. Das Gericht stellte klar, dass die Einführung der Videokonferenztechnik durch das Gesetz vom 19. Juli 2024 (BGBl. I Nr. 222) die bisherige Praxis nicht verdrängt. Betont wird die unbedingte Notwendigkeit der vollständigen Besetzung des Spruchkörpers. Kernaussage der Entscheidung Auch nach der Neufassung von § 193 Abs. 1 GVG und dem neuen § 9 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 ArbGG (seit 19. Juli 2024) dürfen Gericht und Richter – sofern alle zustimmen – nachträgliche Beratungen und Abstimmungen über die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auch telefonisch...

weiter lesen weiter lesen

Icon Über den Autor

Dr. Artur Kühnel Premium
5,0 SternSternSternSternStern (50) Info Icon
Dr. Artur Kühnel
Rechtsanwalt Fachanwalt für Arbeitsrecht
Adresse Icon
Jungfernstieg 40
20354 Hamburg



Zum ProfilPfeil Icon Nachricht
Veröffentlicht von:
SternSternSternSternStern (50 Bewertungen)