Bei Trennungen und Scheidungen mit Immobilien im Vermögen der Ehegatten stellen sich zahlreiche rechtliche Fragen. Streit gibt es nicht selten um die Bewertung eines Hauses oder einer Eigentumswohnung, wenn für die Scheidungsfolgen der Zugewinn berechnet werden soll.
Auskunft und Wertermittlung
Der Zugewinnausgleich dient am Ende einer Ehe der gerechten Verteilung des während der Ehe erworbenen Vermögens. Die richtige Berechnung des Zugewinns und der Ausgleichsforderung ist regelmäßig eine Herausforderung für die Beteiligten. Auskunft und Wertermittlung sollen hier helfen und die Sache erleichtern.
Gesetzliche Ansprüche
Es ist gesetzlich vorgesehen, dass die PartnerInnen einander Auskunft über ihr jeweiliges Vermögen schulden. Neben diesem Recht gibt es einen weiteren wichtigen Anspruch: den auf Wertermittlung der Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten zum jeweiligen Stichtag. Der Stichtag des Anfangsvermögens ist der Tag der Eheschließung. Der für das Endvermögen maßgebliche Tag ist der, an dem der Scheidungsantrag zugestellt wird.
Inhalt des Anspruchs auf Wertermittlung
Ist die Ehefrau Eigentümerin einer Immobilie muss sie deren Wert zuverlässig ermitteln und angeben. Dazu gehört auch, die erforderlichen Unterlagen vorzulegen, damit der Ehemann die Immobilie und die Verbindlichkeiten selbst bewerten kann.
Wie wird der Wert ermittelt?
Der Wert der Immobilie, der zum Stichtag zu ermitteln ist, ist der reale Verkehrswert. Auf diesen können sich die Beteiligten mit Hilfe von Schätzwerten und anwaltlicher Unterstützung einigen. Gelingt dies nicht, so kann ein Privatgutachten eingeholt werden, was nur dann sinnvoll ist, wenn beide Seiten vorab erklären, das Ergebnis ohne wenn und aber zu akzeptieren. In beiden Fällen kann auf die regionalen Gutachterausschüsse zurückgegriffen werden, die als unabhängige behördliche Expert*innen tätig werden.
Was passiert, wenn eine Einigung über den Wert nicht möglich ist?
Können sich die Beteiligten nicht einigen, wird der Wert durch das Gericht zum Stichtag des Endvermögens (Zustellung des Scheidungsantrags) ermittelt und der Wert durch einen gerichtlich bestellten Gutachter ermittelt. Nötig sind dafür genügend Informationen über den Zustand der Immobilie.
Auf welchen Wert kommt es an?
Maßgebend ist der fiktiv erzielbare Netto-Wert zum Stichtag. Der BGH hat im Jahr 2011 entschieden, dass auch bei Immobilien eine latente Steuerlast bei der Bewertung zu berücksichtigen ist. Die bei unterstellter Veräußerung zum Stichtag entstehende Steuerlast ist dabei selbst dann bei der Berechnung zu berücksichtigen, wenn eine Veräußerung nicht stattfindet. In anderen Worten: Auf die Veräußerungsabsicht kommt es nicht an. Die Veräußerung wird nur unterstellt.
Was ist sonst zu beachten?
In einer älteren Entscheidung aus dem Jahr 1992 hat der BGH entschieden, dass der Wert für die Berechnung des Zugewinns nicht unter allen Umständen mit dem hypothetischen, realen Verkaufswert am Stichtag übereinstimmen muss, sondern dass der „wirkliche Wert“ höher sein kann als der aktuelle Veräußerungswert. Im zugrundeliegenden Fall hatten sich die Preise sich zeitweilig eher nach unten entwickelt, weshalb das Gericht eine korrigierende Betrachtungsweise für angemessen hielt. Aktuell dürfte diese Entscheidung nur bedingt relevant sein, was sich aber wieder ändern kann.
Fazit:
Es lohnt sich, eine Einigung zu versuchen, und zwar sowohl aus zeitlichen als auch aus ökonomischen Gründen. Wichtig sind zudem auch hier – wie immer – strategische Überlegungen. So sollte darüber nachgedacht werden, ob ein Antrag auf Scheidung der Ehe vor oder nach Ablauf von steuerrechtlichen Fristen, in denen eine Immobilienveräußerung der Besteuerung erfolgt. Zu berücksichtigen ist hier besonders die Spekulationsfrist von zehn Jahren für den Verkauf von selbst genutzten Immobilien.