Versicherungsrecht

Zum Bezugsrecht in der Lebensversicherung

07.08.2020
 (1)

Das Bedürfnis, nahestehende Menschen wie z.B. den Ehepartner oder Kinder für die Zeit nach dem Tod finanziell abzusichern, besteht bei vielen Menschen. Warum die Bezugsberechtigung während der Vertragslaufzeit regelmäßig überprüft werden sollte, was beachtet werden muss, wenn der Versicherungsfall eingetreten und warum unverzügliches Handeln erforderlich ist, ist vielfach jedoch nicht bekannt. 

Fragestellungen

1.    Worin besteht der Unterschied zwischen dem Versicherungsnehmer (VN), der versicherten Person         (VP)  und der Bezugsberechtigten Person?

2.    Muss der Versicherungsnehmer die Beiträge immer selbst bezahlen?

3.    Wer bestimmt über die Bezugsberechtigung?

4.    Was ist während der Vertragslaufzeit zu bedenken?

5.    Ist es ausreichend, wenn als Bezugsberechtigter „der Ehepartner“ angegeben wird?

6.    Worin unterscheidet sich das widerrufliche von einem unwiderruflichen Bezugsrecht?

7.    Kann die Bezugsberechtigung nach dem Tod der VP noch geändert werden? 

8.    Kann ein Betreuer die Bezugsänderung zu seinen Gunsten ändern? 

9.    Was versteht man unter dem  Deckungs- bzw. dem Valutaverhältnis?

10.   Kann der Erbe die Auszahlung an die Bezugsberechtigte Person verhindern?

11.   Gehört die Versicherungsleistung zum Nachlass?

12.   Wie ist die Rechtslage, wenn es eine Erbengemeinschaft gibt und nicht alle Erben dem Widerruf                      zustimmen?

13.   Was muss der Bezugsberechtigte unternehmen, wenn zu befürchten ist, dass der Erbe die       Auszahlung verhindern will?

14.   Ist auf die Versicherungsleitung Erbschaftsteuer zu zahlen?

15.   Kann die Erbschaftssteuer vermieden werden und was ist eine sog. Versicherung „über Kreuz“? 

16.   Kann bei einer Lebensversicherung ein Versicherungsnehmerwechsel und muss die versicherte Person einwilligen?

17.   Fällt bei der Versicherungsleistung im Erlebensfall Schenkungssteuer an?

18.   Kann das Schenkungsangebot einer Versicherungsleistung auf den Todesfall bereits zu Lebzeiten     angenommen werden?

19.   Was ist, wenn der Versicherer die Versicherungssumme trotz Widerrufs des Schenkungsangebotes       an den Bezugsberechtigten auszahlt?

20.   Was passiert, wenn der Widerruf durch die Erben wirksam und rechtzeitig erfolgt ist?

21.    Wie ist die Rechtslage, wenn das Schenkungsangebot wirksam widerrufen worden ist, die Bezugsberechtigte Person aber die Auszahlung an sich fordert? 

22.    Wie ist die Rechtslage, wenn unklar ist, ob der Bezugsberechtigte das Schenkungsangebot angenommen hat?

23.    Kann das Bezugsrecht auch durch ein Testament widerrufen werden?

24.    Wie erfahre ich als Erbe, ob ein Bezugsberechtigung eingetragen worden ist? 

25.    Zusammenfassung und wichtiger Hinweis

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

1.    Worin besteht der Unterschied zwischen dem Versicherungsnehmer (VN), der Versicherten Person (VP) und der Bezugsberechtigten Person?

Vertragspartner des Versicherers ist immer der Versicherungsnehmer. Oftmals ist der Versicherungsnehmer zugleich auch die Versicherte Person. Dies ist jedoch nicht zwingend der Fall. Die Versicherte Person ist jene, auf deren Leben der Vertrag geschlossen worden ist. Verstirbt diese, ist die Versicherungsleistung fällig. Bezugsberechtigte Person ist derjenige, der vom Versicherungsnehmer im Vertrag bestimmt worden ist. 

2.    Muss der Versicherungsnehmer die Beiträge immer selbst bezahlen?

Der Versicherungsnehmer ist als Vertragspartner des Versicherers auch der Beitragsschuldner und muss dafür Sorge tragen, dass die Prämien gezahlt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Beiträge auch zwingend von dessen Konto abgebucht werden. 

3.    Wer bestimmt über die Bezugsberechtigung? 

Als Vertragspartner bestimmt allein der Versicherungsnehmer, wer im Versicherungsfall die Leistung erhalten soll. Die Versicherte Person hat insofern kein Mitspracherecht.

4.    Was ist während der Vertragslaufzeit zu bedenken?

Sollten sich die Lebensumstände ändern (z.B. Scheidung, Hochzeit, neue(r) Lebenspartner(in), Geburt eines oder weiterer Kinder) ist unbedingt auch an die Vertragsanpassung zu denken. Andernfalls kann es bei Eintritt des Versicherungsfalls, welche insbesondere bei Absicherungen von Familienangehörigen oder Partnern ohnehin eine sehr belastende Situation darstellt, schnell zu Streitigkeiten führen, welche gerichtlich zu entscheiden sind. Zudem sollte eine ungenaue Bezeichnung unbedingt vermieden werden. Im Idealfall wird die Bezugsberechtigte Person mit vollständigem Namen und Geburtsdatum benannt. 

5.    Ist es ausreichend, wenn als Bezugsberechtigter „der Ehepartner“ angegeben wird?

Das sollte unbedingt vermieden werden, da Streitigkeiten insbesondere dann vorprogrammiert sind, wenn es später zu einer Trennung oder Scheidung kommt und der Versicherungsnehmer wieder geheiratet hat. Verbreitet aber leider unzutreffend ist die Annahme, dass unter „Ehegatte“ stets der Ehegatte gemeint ist, mit welcher der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls verheiratet gewesen ist. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung nicht der Fall. Der BGH hat entschieden, dass es für die Auslegung der Bezugsrechtsbestimmung auf den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung ankommt (BGH, Urteil vom 08.05.2019, Az. IV ZR 190/18). Danach ist unter dem Ehegatten jener zu verstehen, mit welchem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Vertragsschluss verheiratet gewesen ist. Dies hätte aber oftmals nicht dem Willen des Versicherungsnehmers entsprochen. Will der Versicherungsnehmer dies vermeiden, sollte die Bezeichnung „der Ehegatte, mit welchem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls in gültiger Ehe verheiratet gewesen ist“ gewählt werden.

6.    Worin besteht der Unterschied zwischen einem widerruflichem und einem unwiderruflichem Bezugsrecht?

Wie sich bereits aus dem Begriff ergibt, kann der Versicherungsnehmer den Bezugsberechtigten bis zum Eintritt des Versicherungsfalls jederzeit ändern. Wichtig ist, dass die Änderung schriftlich erfolgt und das Schreiben persönlich unterzeichnet worden ist. Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht hingegen kann eine Änderung nur noch mit Einwilligung des unwiderruflich Bezugsberechtigten erfolgen.

7.    Kann die Bezugsberechtigung nach dem Tod noch geändert werden? 

Nach Eintritt des Versicherungsfalls kann die Bezugsberechtigung nicht mehr geändert werden. Das bedeutet aber nicht zwingend, dass die Bezugsberechtigte Person die Versicherungsleitung auch erhält. Hierzu näheres unter 10.

8.    Kann ein Betreuer die Bezugsänderung zu seinen Gunsten ändern?

Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.09.2019, AZ. IV ZR 99/18ist der Betreuer nicht berechtigt, dass Bezugsrecht zu seinen Gunsten zu ändern.

9.    Was versteht man unter dem Deckungs- bzw. dem Valutaverhältnis?

Zu unterscheiden ist zwischen dem Vertragsvertrag (Deckungsverhältnis) und der Rechtsbeziehung zwischen dem Zuwendenden (Versicherungsnehmer) und dem Zuwendungsempfänger (Bezugsberechtigte Person). Letztes ist das sog. Valutaverhältnis. Mit Eintritt des Versicherungsfalls entfällt die Widerruflichkeit des Bezugsrechts im Deckungsverhältnis. Das bedeutet, dass die Erben des Versicherungsnehmers keine Änderung der Bezugsberechtigung im Vertrag vornehmen können. Diese kann auch nicht widerrufen werden. Damit ist jedoch nicht geklärt, ob die Bezugsberechtigte Person im sog. Valutaverhältnis diese Summe auch behalten darf.

10.    Wie kann der Erbe die Auszahlung an die Bezugsberechtigte Person verhindern?

Es ist denkbar, dass der Erbe bei Eintritt des Versicherungsfalls feststellt, dass der Versicherungsnehmer den Bezugsberechtigten nicht geändert hat, z.B. also ein früherer Ehegatte benannt worden ist, zu dem der Verstorbene seit Jahren keinerlei Kontakt mehr hatte. In diesem Fall ist schnelles Handelt erforderlich. Dies liegt an der Konzeption der Lebensversicherung. Rechtlich handelt es sich hierbei nämlich um ein Schenkungsangebot. Dieses wird bei Eintritt des Versicherungsfalls der Bezugsberechtigten Person dadurch erfüllt, dass der Versicherer die Versicherungssumme an die Bezugsberechtigte Person auszahlt. Erfolgt der Widerruf des Schenkungsangebotes noch vor Annahme, hat der Bezugsberechtigte den Zahlungsanspruch an den Versicherer an den Erben abzutreten. 

11.    Fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass?

Das kommt auf die Konstellation an. Wurde kein Bezugsberechtigter benannt, fällt die Versicherungssumme in den Nachlass. Nimmt die Bezugsberechtigte Person die Schenkung auf den Todesfall an, fällt die Versicherungsleistung ebenfalls nicht in den Nachlass. Wird jedoch der Auftrag an den Versicherer, dem Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot zu unterbreiten, wirksam widerrufen, fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass. 

12.    Wie ist die Rechtslage, wenn es eine Erbengemeinschaft gibt und nicht alle Erben dem Widerruf zustimmen?

Diese Konstellation kann beispielsweise eintreten, wenn der Versicherungsnehmer erneut geheiratet hatte, als Bezugsberechtigter jedoch noch der frühere Ehegatte benannt war und aus beider Ehe Kinder hervorgegangen sind. Naturgemäß würden die Kinder aus erster Ehe einem Widerruf des Auftrags zur Unterbreitung des Schenkungsangebotes nicht zustimmen. Im Falle einer Erbengemeinschaft entscheidet grundsätzlich die Mehrheit der Erben, berechnet nach den Erbanteilen, § 2040 Abs. 1 und 2 i. V. M. § 745 BGB zum Widerruf berechtigt ist. Ungeborene Kind sind nach § 1923 Abs. 2 BGB erbfähig. Liegt eine Stimmenmehrheit vor, kann der Auftrag zur Überbringung des Schenkungsangebotes widerrufen werden mit der Folge, dass die Versicherungssumme in den Nachlass fällt.

13.    Was muss der Bezugsberechtigte unternehmen, wenn zu befürchten ist, dass der Erbe die Auszahlung verhindern wollen?

Hat der Bezugsberechtigte Kenntnis davon, dass er in einem Vertrag als Bezugsberechtigte Person benannt worden ist oder nimmt er dies zumindest an, ist ebenfalls unverzügliches Handeln erforderlich. In diesem Fall muss er umgehend den Versicherer kontaktieren, die Annahme des Schenkungsangebotes erklären und die Auszahlung der Versicherungssumme auf das von ihm benannte Konto fordern. Dies sollte schriftlich und per Einschreiben/Rückschein erfordern. 

14.    Ist auf die Versicherungsleitung Erbschaftsteuer zu zahlen?

Die Versicherungsleistung unterliegt der Erbschaftssteuer, § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dies gilt sowohl für die Erben als auch für die Bezugsberechtigte Person. Die Steuerfreibeträge sind in § 16 ErbStG geregelt. Der Steuerfreibetrag bei Ehe- und Lebenspartnern beträgt 500.000 EUR, bei Kindern 400.000 EUR und bei Enkelkindern 200.000 EUR. Bei anderen Personen in der Steuerklasse I liegt er bei 100.000 EUR. Wer der Steuerklasse II oder III unterliegt, hat lediglich einen Freibetrag von nur 20.000 EUR. Damit müssen gerade Bezugsberechtigte mit geringem Einkommen, die mit einer hohen Versicherungsleistung besonders abgesichert werden sollen, mit einer hohen Steuerlast rechnen.

15.    Kann die Erbschaftssteuer vermieden werden und was ist eine sog. Versicherung „über Kreuz“?

Die Erbschafts-/Schenkungssteuer kann durch eine Absicherung „über Kreuz“ vermieden werden. Dabei ist der derjenige, der abgesichert werden soll, der Vertragspartner und der Partner die Versicherte Person und in einem weiteren Vertrag erfolgt die umgekehrte Konstellation. Auf diese Weise wird erreicht, dass beide im Falle des Ablebens des jeweils anderen finanziell abgesichert sind. Da bei dieser Konstellation kein Bezugsberechtigter genannt wird, führt der Tod der Versicherten Person zum Eintritt des Versicherungsfalls und somit zur Auszahlung der Versicherungsleistung an den Versicherungsnehmer. Erbschaftsteuer fällt in diesem Fall nicht an. Zudem besteht nicht das Risiko, dass der Versicherungsnehmer den Vertrag kündigt, die Bezugsberechtigung zugunsten eines Dritten ändert oder die Auszahlung der Versicherungsleistung durch die Erben verhindert wird.

16.      Kann bei einer Lebensversicherung ein Versicherungsnehmerwechsel erfolgen und muss die versicherte Person einwilligen? Wann ist dies sinnvoll?

Ein Wechsel des Versicherungsnehmers ist möglich. Bei einer Lebensversicherung auf auf den Todesfall eines anderen erfordert die Übertragung der Versicherungsnehmerstellung oder der Bezugsberechtigung im Erlebensfall keine Einwilligung der versicherten Person (BGH, Urteil vom 27.06.2018, Az. IV ZR 222/16). Etwas anderes gilt aber, wenn bei einer Lebensversicherung auf den Todesfall eines anderen der Begünstigte geändert werden soll. Dies ist nur mit Einwilligung der versicherten Person möglich, da hierdurch das Risiko der versicherten Person beeinflusst wird. Die Spekulation mit dem Leben anderer soll hierdurch unterbunden werden (BGH s.o.).

Ein Versicherungsnehmerwechsel ist z.B. sinnvoll bei einer Versicherung über Kreuz, wenn sich die Partner trennen und beide Versicherungsnehmer der Verträge werden, bei denen sie zugleich die versicherte Person sind. So können in den Verträgen neue Bezugsberechtigte benannt werden. 

17.     Fällt bei der Versicherungsleistung im Erlebensfall Schenkungssteuer an?

Wird die Versicherung auf den Erlebensfall abgeschlossen und ein Dritter als Bezugsberechtigter benannt, fällt bei Auszahlung der Versicherungssumme Schenkungssteuer an (§ 7 ErbStG). Es handelt sich in diesem Fall um einer sog. Schenkung unter Lebenden. Die Steuerfreibeträge sind identisch (s. Ziffer 14).

18.    Kann das Schenkungsangebot einer Versicherungsleistung auf den Todesfall bereits zu Lebzeiten angenommen werden?

Bei einem unwiderruflichen Bezugsrecht ist das der Fall. Bei einer nur widerruflichen Bezugsberechtigung ist das zwar möglich, kommt aber selten vor. Da es sich um eine Schenkung handelt, bedarf das zugrunde liegende Schenkungsversprechen zu dessen Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Da dies regelmäßig nicht erfolgt, liegt ein Formmangel vor, welcher erst dadurch geheilt wird, dass dieses nicht widerrufen und nach dem Tod der Versicherten Person die Summe ausgezahlt wird. Oftmals erfährt der Bezugsberechtigte erst im Versicherungsfall durch den Versicherer von seiner Benennung.

19.    Was ist, wenn der Versicherer die Versicherungssumme trotz Widerrufs des Schenkungsangebotes an den Bezugsberechtigten auszahlt?

Wurde das Schenkungsangebot wirksam widerrufen, muss der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung an den Erben bzw. die Erbengemeinschaft herausgeben.

20.    Was passiert, wenn der Widerruf durch die Erben wirksam und rechtzeitig erfolgt ist?

In diesem Fall darf der Versicherer die Versicherungsleistung nicht mehr an den Bezugsberechtigten auszahlen. Dem Erben steht ein Anspruch auf Abtretung der Forderung gegen den Versicherer zu. Dieser Anspruch muss in dem Fall, dass sie nicht erbracht wird, gerichtlich durchgesetzt werden. Würde der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme erhalten, müsste er diese nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben. 

21.    Wie ist die Rechtslage, wenn das Schenkungsangebot wirksam widerrufen worden ist, die Bezugsberechtigte Person aber die Auszahlung an sich fordert?

Wurde das Schenkungsangebot wirksam widerrufen, müsste der Bezugsberechtigte die Versicherungssumme nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben. In der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass der Versicherer der Aufforderung zur Auszahlung u. U. den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten und die Auszahlung verweigern kann, wenn der Mangel offenkundig ist (OLG Hamm, Urteil vom 24.04.2019, Az. 20 U 135/18).

Ist die Rechtslage vollkommen unübersichtlich, kann der Versicherer berechtigt sein, den Betrag mit befreiender Wirkung hinterlegen. Dann muss gerichtlich geklärt werden, wem die Summe letztlich zusteht.

22.    Wie ist die Rechtslage, wenn unklar ist, ob der Bezugsberechtigte das Schenkungsangebot angenommen hat?

Es gibt viele Konstellationen, in denen Gerichte entscheiden müssen, wer den „Wettlauf“ um die Bezugsberechtigung gewonnen hat. Oftmals ist nämlich gar nicht sicher, ob das Schenkungsangebot angenommen worden ist. So liegt z.B. allein in einem Telefonat des Versicherers mit dem Bezugsberechtigten noch nicht konkludent dessen Annahme. Die Auszahlung sollte daher unverzüglich und ausdrücklich gefordert werden. 

23. Kann das Bezugsrecht auch durch ein Testament widerrufen werden?

Nach einer Entscheidung des Bundesgerichts (Urteil vom 30.01.2018, Az. X ZR 119/15) kann ein früher eingeräumtes widerrufliches Bezugsrecht konkludent durch Testament widerrufen werden. Allerdings sollte man sich als Erbe hierauf keinesfalls verlassen und auf einen Widerruf des Schenkungsgebotes verzichten. In dem Fall, den der BGH entschieden hat, war das Testament in amtliche Verwahrung genommen (was häufig nicht der Fall ist). Nach dem BGH ist es damit "gegenüber jedem als gegeben anzusehen, den es angeht, auch wenn er in dem Testament nicht bedacht ist". Kurz zusammengefasst: Es ging um Wertpapiere. Der Bezugsberechtigte war 1976 ohne sein Wissen eingetragen worden. 2007 erstellte die Erblasserin ein sehr detailliertes Testament, in dem ihre Wertpapiere auf namentlich benannte Personen aufgeteilt wurden. Der Bezugsberechtigte wurde dabei nicht bedacht. 2009 verstarb die Erblasserin und es erfolgte die Testamentseröffnung. Der ursprünglich Bezugsberechtigte hatte Kenntnis von dem Testament und davon, dass er nicht bedacht worden war. Erst im Jahr 2011erhielt er die Mitteilung, dass er als Bezugsberechtigter eingetragen worden war. Er konnte somit das unterbreitete Schenkungsangebot somit nicht mehr wirksam annehmen, da es durch das Testament bereits wirksam widerrufen worden war. 

24.  Wie erfahre ich als Erbe, ob es eine Bezugsberechtigung eingetragen worden ist?

Der Erbe kann (auch auch der Nachlasspfleger) nach dem Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung grundsätzlich Auskunft über die Person des Bezugsberechtigten verlangen (OLG Hamm, Urteil vom 23.11.2018, Az. 20 U 72/18).

25.    Zusammenfassung und wichtiger Hinweis

War der Verstorbene zugleich Versicherungsnehmer und Versicherte Person einer Lebensversicherung auf den Todesfall und hat er einen Dritten, der nicht (Allein-)Erbe ist, als Bezugsberechtigte Person benannt, ist regelmäßig sowohl für die Bezugsberechtigte Person als auch für den oder die Erben äußerste Eile geboten. Während die Bezugsberechtigte Person gegenüber dem Versicherer unverzüglich die Annahme des Schenkungsangebotes sowie die Auszahlung der Versicherungssumme an sich fordern sollte, müssen die Erben, die dies verhindern wollen, unverzüglich den Auftrag an den Versicherer zur Überbringung des Schenkungsangebots widerrufen. Die Erklärungen sind schriftlich und möglichst per Einschreiben/Rückschein abzugeben. Wie dem Beitrag zu entnehmen ist, sind im Zusammenhang mit der Bezugsberechtigung von Versicherungsleistungen im Todesfall viele Besonderheiten zu beachten. Es ist daher dringend anzuraten, sich unverzüglich durch einen auf Versicherungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt vertreten zu lassen.


Kompetenz im Versicherungsrecht

Aufgrund meiner Erfahrung und langjährigen Tätigkeit als Fachanwältin für Versicherungsrecht auf Seiten der Versicherungsnehmer stehe ich Ihnen bundesweit für eine fachkundige Überprüfung und Durchsetzung Ihrer Leistungsansprüche gern zur Seite.

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor

Gesamt:

Birte Raguse
Rechtsanwalt • Fachanwältin für Versicherungsrecht
Am Kaiserkai 69
20457 Hamburg

Telefon: 040/609 436 70


Honorar/Leistung: (5)
Erreichbarkeit: (5)
Verständlichkeit: (5)
Freundlichkeit: (5)
Diesen Rechtsanwalt bewerten
Vereinbaren Sie hier eine Rechtsberatung zum Artikel-Thema:
Kontaktieren Sie hier Fachanwalt Birte Raguse:
* Pflichtfeld
Ja, ich willige ein, dass meine im „Kontaktformular“ eingetragenen personenbezogenen Daten zum Zwecke der Angebotsvermittlung per Fax und E-Mail an den zu kontaktierenden Anwalt übermittelt und gespeichert werden. Diese jederzeit widerrufliche Einwilligung sowie die Verarbeitung und Datenübermittlung durch Dritte erfolgen gem. unserer Datenschutzerklärung.
Kontaktieren
Weitere Artikel des Autors
Versicherungsrecht BGH entscheidet über Verjährungsfrist bei Rückforderungsansprüchen wegen PKV-Beitragserhöhungen
17.11.2021

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 17.11.2021 zum Az. IV ZR 113/20 entschieden, dass Rückforderungsansprüche nach einer Beitragserhöhung in der privaten Krankenversicherung in vielen Fällen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen. Für viele Versicherungsnehmer bedeutet dies, dass Rückforderungsansprüche wegen unzureichender Begründung einer Beitragserhöhung regelmäßig nur für die vergangenen drei Jahre geltend machen können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Versicherungsnehmer bereits vor einer höchstrichterlichen Entscheidung seinen Anspruch gegenüber dem ... weiter lesen

Versicherungsrecht Bundesgerichtshof entscheidet über Beitragserhöhungen in der PKV
16.12.2020

Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 16.12.2020 zum Aktenzeichen IV ZR 294/19 und IV ZR 314/19 über die dort anhängigen Revisionen zu den Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung entschieden. Überwiegend bestätigt hat der IV. Zivilsenat, dass die Begründung einer Beitragsanpassung in der privaten Versicherung nach § 203  Abs. 5 VVG einen konkreten Bezug zum Tarif aufweisen muss und die Angabe der Rechnungsgrundlage (Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeit) erfordert, deren Veränderung die Prämienanpassung veranlasst hat.  Der Bundesgerichtshof hat weiter festgestellt, dass der ... weiter lesen

Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Versicherungsrecht Private Unfallversicherung braucht immer Attest über Dauerfolgen

Braunschweig (jur). Um Leistungen einer privaten Unfallversicherung zu erhalten, müssen Versicherte in jedem Fall rechtzeitig eine ärztliche Bescheinigung über die Dauerfolgen des Unfalls einreichen. Auch wenn die Versicherung Zahlungen aus ganz anderen Gründen abgelehnt hat, führt ein Fristversäumnis zum Leistungsausschluss, wie das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem am Mittwoch, 27. Dezember 2023, bekanntgegebenen Beschluss entschied (Az.: 11 U 646/20). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies inzwischen bestätigt.  Die Klägerin war nachts mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille eine Treppe hinuntergestürzt und hatte sich ernsthaft verletzt. Ihren ... weiter lesen

Versicherungsrecht Private Unfallversicherung braucht immer Attest über Dauerfolgen

Braunschweig (jur). Um Leistungen einer privaten Unfallversicherung zu erhalten, müssen Versicherte in jedem Fall rechtzeitig eine ärztliche Bescheinigung über die Dauerfolgen des Unfalls einreichen. Auch wenn die Versicherung Zahlungen aus ganz anderen Gründen abgelehnt hat, führt ein Fristversäumnis zum Leistungsausschluss, wie das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig in einem am Mittwoch, 27. Dezember 2023, bekanntgegebenen Beschluss entschied (Az.: 11 U 646/20). Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dies inzwischen bestätigt.  Die Klägerin war nachts mit einem Blutalkoholgehalt von 0,8 Promille eine Treppe hinuntergestürzt und hatte sich ernsthaft verletzt. Ihren ... weiter lesen

Versicherungsrecht Aktentasche sichtbar im Auto ist fahrlässig

Karlsruhe (jur). Wer eine Aktentasche mit Wohnungsschlüssel sichtbar in seinem Auto liegenlässt, handelt fahrlässig. Für einen Einbruch mit diesem Schlüssel muss daher auch eine Haftpflichtversicherung mit „erweiterter Schlüsselklausel“ nicht aufkommen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Mittwoch, 26. Juli 2023, veröffentlichten Urteil (Az.: IV ZR 118/22). Der bei dieser Klausel übliche Haftungsausschluss bei Fahrlässigkeit ist danach transparent und wirksam.  Der Kläger behauptet, ihm sei aus seinem Dienstwagen eine Aktentasche entwendet worden, in der sich unter anderem Rechnungen mit seiner Wohnanschrift und ein Schlüsselbund ... weiter lesen

Versicherungsrecht Keine Versicherungsleistungen wegen vorgehaltener Klinikbetten

Frankfurt/Main (jur). Ein Krankenhaus kann für das angeordnete Vorhalten freier Klinikbetten während der Covid-19-Pandemie keine Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung erhalten. Denn die von der hessischen Landesregierung angeordnete Einschränkung des Klinikbetriebs diente nicht der Eindämmung des Sars-Cov-2-Virus, sondern der Schaffung von Behandlungskapazitäten für eine zu erwartende große Zahl von Covid-19-Erkrankten, entschied das Landgericht Frankfurt am Main in einem am Mittwoch, 19. Juli 2023, bekanntgegebenen, noch nicht rechtskräftigen Urteil (Az.: 2-08 O 210/22).   Damit kann das klagende Krankenhaus keine Leistungen aus der von ihm ... weiter lesen

Ihre Spezialisten