Arbeitsrecht

Arbeitsrecht für Handwerker, Teil 1

29.12.2022
Zuletzt bearbeitet am: 29.12.2022

Löst jede Kündigung einen Abfindungsanspruch aus?

In den meisten Fällen müssen Arbeitgeber in einem Handwerksbetrieb gar keine Abfindung bezahlen. Fast immer handelt es sich um Kleinbetriebe, in denen nicht mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt sind. Damit ist das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar.

Abgesehen von Sonderfällen, wie z.B. Schwangerschaft, Elternzeit und Schwerbehinderung bestehen keine Einschränkungen. Immer muss aber die Kündigungsfrist eingehalten werden.

Darf der Arbeitgeber kündigen, obwohl die Arbeitnehmerin krankgeschrieben ist?

Auf eine bestehende Krankheit muss der Arbeitnehmer keine Rücksicht nehmen. Kein Arbeitgeber brauvcht mit der Kündigung warten, bis der Arbeitnehmer wieder gesund ist.

Muss im Kündigungsschreiben ein Grund angegeben werden?

Im Kündigungsschreiben muss kein Grund angegeben werden. Eine ausführliche Begründung ist nur erforderlich, wenn die Kündigung ein Berufsausbildungsverhältnis betrifft und die Probezeit bereits zu Ende ist.

Eine Kündigung ist eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung und sie ist auf die Beendigung des Abeitsverhältnisses gerichtet. Sentimentale Worte sind hier fehl am Platz.
Man sollte in ein Kündigungsschreiben nur das Notwendigste aufnehmen und dazu gehört auf jeden Fall nicht die Angabe eiens Grundes. Die unbedachte Angabe eines Grundes könnte die Kündigung sogar angreifbar machen!

Bei Kündigungen gilt also der Grundsatz "Weniger ist Mehr".

Beispiel:

Schreibt der Arbeitgeber, die Kündigung erfolge betriebsbedingt, dann bringt er damit zum Ausdruck, dass der Arbeitsplatz wegfallen wird. Wenn dann jedoch wieder eine neue Arbeitnehmerin eingestellt wird, dann setzt der Arbeitgeber sich damit in Widerspruch zum Kündigungsschreiben.

Trotz Kleinbetrieb könnte dies zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Ist die gekündigte Arbeitnehmerin älter und bereits seit vielen Jahren beschäftigt gewesen und die neueingestellte Arbeitnehmerin dagegen jung, dann könnte das sogar den Anspruch auf eine Entschädigung wegen Altersdiskriminierung auslösen.

Wer darf eine Kündigung unterschreiben?

Der Arbeitgeber muss die Kündigung eigenhändig unterzeichnen. Erforderlich ist die Unterschrift im Original, also keine kopierte Unterschrift und auch keine digital gespeicherte und dann in den Text eingefügte Unterschrift.

Der Arbeitgeber muss die Kündigung selbst unterschreiben und grundsätzlich niemand anderes. Falls der Arbeitgeber verhindert ist und jemand anderes unterschreiben muss, dann sind zwei Dinge wichtig.

1.       der Vertreter darf bei seiner Unterschrift nicht den Zusatz i.V. (= in Vertretung) vergessen.

2.       der Vertreter braucht eine Vollmacht (im Original, keine Kopie) des Arbeitgebers aus der sich die Vertretungsmacht ergibt.

Wie sollte eine Kündigung zugestellt werden?

Der Arbeitgeber muss im Ernstfall nachweisen können, dass die Kündigung beim Arbeitnehmer angekommen ist.

Eine persönliche Übergabe der Kündigung ist nicht immer möglich und manchmal auch gar nicht gewünscht. Am sichersten ist die Zustellung des Kündigungsschreibens durch einen Boten. Der Bote sollte das Kündigungsschreiben beim Arbeitnehmer in den Hausbriefkasten einlegen und den Tag und die Uhrzeit auf einer Kopie der Urkunde notieren. Bote kann jeder sein, außer dem Arbeitgeber.

Zustellungen per Post sind unsicher, egal, ob mit einfacher Post oder als einfaches Einschreiben oder Einschreiben mit Rückschein. Wenn es unbedingt die Post sein muss, dann sollte es ein Einwurfeinschreiben sein.

Ist ein schriftlicher Arbeitsvertrag wichtig?

Ein Arbeitsverhältnis entsteht bereits mit Aufnahme der Tätigkeit. Ein schriftlicher Vertrag ist dazu nicht notwendig. 

Trotzdem ist es wichtig, die Regeln der Zusammenarbeit in einem Vertrag schriftlich niederzulegen, denn beide Parteien unterschreiben. Dann steht schwarz auf weiß, was vereinbart wurde und Missverständnisse sind so gut wie ausgeschlossen. 

Vertragsvordrucke aus dem Internet sollte man keinesfalls unbesehen übernehmen. Oft gelten Tarifverträge für die Branche und deren Besonderheiten werden in allgemeinen Vorlagen nicht berücksichtigt.

Teilweise gibt es auch allgemeinverbindliche Tarifverträge, wie zum Beispiel im Friseurhandwerk in Baden-Württemberg. Allgemeinverbindliche Tarifverträge gelten für alle Betriebe in der Branche und im jeweiligen Gebiet. Arbeitsverträge dürfen hier nur nach oben abweichen zugunsten der Arbeitnehmer. Verschlechterungen sind unwirksam. Deswegen sollte man nach Möglichkeit Arbeitsverträge verwenden, welche die Innungen herausgeben. Die Innungen sind an der Branche auch viel näher dran, als die Handwerkskammer. Vertragsmuster der Handwerkskammer sind zwar auf Handwerksbetriebe ausgelegt, aber sie sind oft nicht branchenspezifisch. Sie müssen daher angepasst werden und erfahrungsgemäß ist dafür oft keine Zeit.  

Neue Arbeitsverträge bei Geschäftsübernahme?

Wer einen Betrieb übernimmt, der übernimmt nach § 613a BGB in der Regel auch die bestehenden Arbeitsverhältnisse.

Die Arbeitsverhältnisse gehen automatisch und 1:1 auf den Erwerber über. Das beinhaltet auch die volle beim Veräußerer zurückgelegte Dauer der Betriebszugehörigkeit. Der Tag der Übernahme bedeutet für die Belegschaft also keine Stunde Null.

Der Veräußerer muss keinem der Arbeitnehmer kündigen. Der Vertragswechsel vollzieht sich per Gesetz nach § 613a BGB. Kündigungen und auch Aufhebungsverträge aus Anlass der Geschäftsübergabe wären unwirksam nach § 613a Abs. 4 BGB.

Änderungen der Arbeitsbedingungen aus Anlass des Inhaberwechsels sind nur unter gewissen Voraussetzungen möglich. 

Erwerber und Veräußerer müssen die Arbeitnehmer schriftlich über den Inhaberwechsel informieren. Nach Zugang der Information haben die Arbeitnehmer einen Monat Zeit, um dem Übergang des Arbeitsverhältnisses auf den Erwerber zu widersprechen. Das ist gesetzlich geregelt in § 613a Abs. 5, 6 BGB. Der Zugang dieser schriftlichen Information bei jedem einzelnen Arbeitnehmer muss nachweisbar erfolgen, denn ansonsten läuft die Monatsfrst für den Widerspruch nicht an und der Arbeitnehmer könnte theoretisch noch nach Jahr und Tag widersprechen. Das wäre kein guter Zustand für den Veräußerer. Dem Erwerber kann es egal sein.

Das Informationsschreiben muss ausführlich sein. Mit einem "Dreizeiler" ist es nicht getan. Auch ene unvollständige Information würde die Monatsfrist für den Widerspruch nicht anlaufen lassen.

Man muss beachten, dass für den Übergang der Arbeitsverhältnisse allein die tatsächliche Übernahme des Geschäftsbetriebs ausreicht. Das erwähnte Informationsschreiben ist dafür nicht erforderlich. Dieses löst nur den Anlauf der Widerspruchsfrist aus. 

 

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