Arbeitsrecht

Betriebliche Datenschutzbeauftragte haben Sonderkündigungsschutz

Zuletzt bearbeitet am: 08.03.2024

Erfurt. Deutschland darf betrieblichen Datenschutzbeauftragten Betriebsratsmitgliedern einen Sonderkündigungsschutz gewähren, ähnlich wie bei Betriebsratsmitgliedern. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil vom 25. August 2022 (Az.: 2 AZR 225/20) entschieden, dass es weder gegen EU-Recht noch gegen die im Grundgesetz genannte Berufsfreiheit verstößt, wenn Arbeitgeber einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten nicht ordentlich kündigen können.

Der vorliegende Rechtsstreit betrifft eine Beschäftigte, die seit dem 15. Januar 2018 als „Teamleiter Recht“ in einem Unternehmen tätig war. Die Klägerin war auch zur betrieblichen Datenschutzbeauftragten bestellt worden. Laut Bundesdatenschutzgesetz müssen Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten haben, wenn regelmäßig mindestens 20 Personen an der automatisierten Verarbeitung von personenbezogenen Daten beteiligt sind. Dazu können Arbeitgeber einen internen oder externen Datenschutzbeauftragten beauftragen.

Nachdem der Klägerin im Juli 2018 aufgrund von „Umstrukturierungsmaßnahmen“ ordentlich gekündigt wurde, setzte sie sich zur Wehr und verwies auf das Bundesdatenschutzgesetz. Hiernach ist nur eine fristlose Kündigung eines betrieblichen Datenschutzbeauftragten zulässig, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.

Vom BAG wurde das Verfahren dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Das BAG wollte wissen, ob die deutschen Regelungen mit der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar sind. Die EU-Vorschriften sehen nur ein Abberufungs- und Benachteiligungsverbot eines Datenschutzbeauftragten vor, „wegen Erfüllung seiner Aufgaben“, jedoch keinen Sonderkündigungsschutz.

Der Europäische Gerichtshof hat am 22. Juni 2022 entschieden, dass der für Datenschutzbeauftragte in Deutschland geltende strengere Sonderkündigungsschutz nicht gegen EU-Recht verstoße (Az.: C-534/20). Insbesondere ziele die DSGVO darauf ab, die Unabhängigkeit von Datenschutzbeauftragten zu stärken. Jedem Mitgliedsstaat stehe es frei, strengere Regeln für Arbeitgeber zur Kündigung von Datenschutzbeauftragten zu erlassen.

Daraufhin hatte sich das BAG erneut mit dem Fall befasst und entschieden, dass die vom Arbeitgeber ausgesprochene ordentliche Kündigung unrechtmäßig vorgenommen wurde. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz steht betrieblichen Datenschutzbeauftragten ein Sonderkündigungsschutz zu, der dem von Betriebsratsmitgliedern vergleichbar ist. „Die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber genommen, selbst wenn der Kündigungssachverhalt nichts mit der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragter zu tun hat“, heißt es dazu im Urteil.

Zwar stelle dies einen Eingriff in die Berufsfreiheit des Arbeitgebers dar, aber dem stünden „als besonders wichtig angesehene Ziele des Datenschutzes gegenüber“. Der Datenschutzbeauftragte wird durch den Sonderkündigungsschutz vor dem Verlust des Arbeitsplatzes bewahrt, der ihm aufgrund der Ausübung seiner Tätigkeit drohen kann. Im Interesse eines effektiven Datenschutzes solle so die Unabhängigkeit gestärkt werden.

Eine außerordentliche Kündigung sei jedoch möglich, beispielsweise wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für weitere Jahre bezahlen müsste. Der Arbeitgeber sei schließlich auch nicht gezwungen, einen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zu bestellen, da er auch eine externe Person damit beauftragen könne, führte das BAG weiter aus.

Quelle: © Fachanwalt.de

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