Sozialrecht

Bund muss Millionen für Bildungspaket zurückzahlen

Zuletzt bearbeitet am: 05.08.2024

Kassel (jur). Der Bund hat zu Unrecht für die Länder bestimmte Finanzmittel in Höhe von 284 Millionen Euro für das Hartz-IV-Bildungs- und Teilhabepaket einbehalten. Bei den vom Bund für das Jahr 2012 gewährten Mitteln handelt es sich um unabänderliche Pauschalzahlungen, die nicht nachträglich gemindert werden durften, urteilte am Dienstag, 10. März 2015, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 1 AS 1/14 KL).

Damit hatten die Musterklagen der Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen vor dem obersten Sozialgericht Erfolg. Die Bundesländer hatten sich dagegen gewehrt, dass der Bund ihnen zuvor gewährte Finanzmittel für das Bildungs- und Teilhabepaket um insgesamt rund 105 Millionen Euro minderte.

Das seit 2011 geltende Bildungs- und Teilhabepaket geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 zurück (Az.: 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Die Karlsruher Richter hatten darin gerügt, dass der Bedarf von Kindern aus Hartz-IV-Familien für Bildung und Teilhabe in der Gesellschaft nicht ausreichend bei der Hartz-IV-Regelleistung berücksichtigt wird.

Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket sollten Hartz-IV-Bezieher, Wohngeld- und Sozialhilfeempfänger sowie Bezieher des sogenannten Kinderzuschlags zum Kindergeld diese Bedarfe nun abdecken können. So werden hilfebedürftigen Kindern nicht nur die Kosten für Klassenfahrten und Schulausflüge erstattet, für Schulmaterialien können jährlich bis zu 100 Euro pro Jahr beantragt werden. Für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie die Mitgliedschaft im Sportverein zahlen die kommunalen Träger maximal weitere 100 Euro jährlich.

Der Bund hatte sich verpflichtet, den Ländern die Kosten voll zu erstatten. Nach dem Grundgesetz darf er aber kommunale Leistungen nicht direkt finanzieren. Der Bund erklärte sich bereit, den zu zahlenden Bundesanteil für die Unterkunftskosten Hilfebedürftiger um jeweils 5,4 Prozent für die Jahre 2011 und 2012 zu erhöhen. Dies sollte die Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket abdecken.

Im Jahr 2012 kamen so 717 Millionen Euro zusammen. 238 Millionen zu viel, wie der Bund im Nachhinein feststellte. Bis auf Hamburg und Bremen hatten alle anderen Bundesländer weniger für Bildung und Teilhabe ausgegeben, als sie vom Bund erhalten haben. Die zu viel gezahlten Mittel forderte der Bund zurück und verrechnete das Geld mit späteren Zahlungen.

Die Länder, allen voran die Kläger Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen, hielten dies für rechtswidrig. Die vom Bund für das Jahr 2012 gewährte Pauschalzahlung sei nach dem Gesetz als unabänderlich und nicht als vorläufig anzusehen.

Dies bestätigte nun auch das BSG. Der Bund habe 2012 den Ländern eine „unabänderliche Pauschalzahlung“ gewährt, die nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht nachträglich gekürzt werden durfte. Erst ab 2013 sehe das Gesetz nachträgliche Korrekturen vor. Seitdem orientieren sich die Bundesmittel nur an den tatsächlichen Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepaket. Das strittige Gesetz ist nach Auffassung des 1. BSG-Senats auch nicht verfassungswidrig.

„Ich freue mich für Nordrhein-Westfalen sehr“, sagte NRW-Sozialminister Guntram Schneider (SPD) nach der Verhandlung. Die NRW-Kommunen hätten sonst auf 70 Millionen Euro verzichten müssen. „Ich bin nicht Margaret Thatcher, ich will aber mein Geld zurück“, so Schneider. Die Mittel seien außerdem auch für soziale Belange und nicht für Straßenbau oder Ähnliches verwendet worden. „Mit dem Geld ist vielmehr überwiegend die Schulsozialarbeit finanziert worden“, betonte der Sozialminister.

Auch Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Die Linke) freute sich über die Entscheidung und erklärte, dass die Kommunen „nun ohne Sorge vor ungerechtfertigten Regressforderungen des Bundes“ weiter Leistungen gewähren könnten. Das BSG habe letztlich die Auffassung Brandenburgs bestätigt, dass der Bund die Mittel des Bildungs- und Teilhabepaketes für 2012 ohne Rechtsgrundlage einbehalten habe.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik: © bilderbox - Fotolia.com

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Sozialrecht LSG-Urteil: Keine Kostenübernahme für Laserbehandlung im Intimbereich

Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (LSG) entschied (Az.: L 16 KR 426/23 ), dass die GKV nicht für eine gynäkologische Lasertherapie aufkommen muss. Frau kämpft vergeblich um Kostenübernahme für Lasertherapie Eine Frau aus Hannover, geboren 1952, litt nach den Wechseljahren unter Intimtrockenheit und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Ihr Gynäkologe empfahl eine Lasertherapie, um die Kollagen- und Elastinproduktion zu verbessern und damit eine langfristige Besserung der Beschwerden zu erreichen. Durch diese Behandlung könnte auch eine dauerhafte Hormontherapie vermieden werden. Sie beantragte die Kostenübernahme bei ihrer Krankenkasse, die jedoch ... weiter lesen

Sozialrecht VG Trier: Keine Anerkennung von Dienstunfall für Feuerwehrmann

Das Verwaltungsgericht Trier hat die Klage eines Berufsfeuerwehrmanns auf Anerkennung eines Einsatzes bei der Amokfahrt in Trier als Dienstunfall abgewiesen (Az. 7 K 185/24.TR ). Widerspruch auf Anerkennung von Dienstunfall nach Amokfahrt erfolglos Der Kläger war bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand im Jahr 2024 bei der Berufsfeuerwehr der Stadt Trier tätig. Am 1. Dezember 2020 wurde er nach der Amokfahrt in der Trierer Innenstadt zum Einsatzort gerufen. Er verblieb zunächst in einem Bereitstellungsraum und wurde später mit einem Kollegen in den Innenstadtbereich geschickt, um angrenzende Geschäfte auf möglicherweise geschockte Personen zu überprüfen. ... weiter lesen

Sozialrecht LSG: Kein Wechsel in GKV durch kurzfristigen Teilrentenbezug

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschied am 23. Juli 2024, dass ein vorübergehender Bezug einer Teilrente Rentnern nicht den Wechsel von der privaten in die gesetzliche Krankenversicherung ermöglicht (Az. L 14 KR 129/24 ). Teilrente-Trick scheitert: Rentner darf nicht in GKV wechseln Ein 69-jähriger Rentner, der seit 2008 privat krankenversichert ist, beantragte im September 2021 eine Teilrente, um die Aufnahme in die beitragsfreie gesetzliche Familienversicherung seiner Ehefrau zu erreichen. Der Rentner, der seit 2019 verheiratet ist und seine selbstständige Tätigkeit aufgegeben hatte, plante, nach wenigen Monaten wieder die volle Rente zu beziehen und ... weiter lesen

Sozialrecht Reform des BAföG: Mehr Unterstützung für bedürftige Schüler und Studierende

Der Bundestag hat eine Reform des BAföG beschlossen, die ab dem neuen Schuljahr und dem kommenden Wintersemester in Kraft tritt und mehr finanzielle Unterstützung für bedürftige Schüler und Studierende vorsieht. Die Anpassungen umfassen höhere Bedarfssätze, erhöhte Wohnkostenzuschüsse und eine neue Studienstarthilfe. Ziel ist es, den Zugang zu Bildung zu erleichtern und die finanzielle Belastung zu mindern. Inkrafttreten der Reform des BAföG Die Änderungen am Bundesausbildungsförderungsgesetz wurden am 24. Juli 2024 im  Bundesgesetzblatt veröffentlicht und traten am 25. Juli 2024 in Kraft. Die Modifikationen des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch wurden ... weiter lesen

Ihre Spezialisten