Kassel (jur). Der Bund hat zu Unrecht für die Länder bestimmte Finanzmittel in Höhe von 284 Millionen Euro für das Hartz-IV-Bildungs- und Teilhabepaket einbehalten. Bei den vom Bund für das Jahr 2012 gewährten Mitteln handelt es sich um unabänderliche Pauschalzahlungen, die nicht nachträglich gemindert werden durften, urteilte am Dienstag, 10. März 2015, das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel (Az.: B 1 AS 1/14 KL).
Damit hatten die Musterklagen der Länder Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen vor dem obersten Sozialgericht Erfolg. Die Bundesländer hatten sich dagegen gewehrt, dass der Bund ihnen zuvor gewährte Finanzmittel für das Bildungs- und Teilhabepaket um insgesamt rund 105 Millionen Euro minderte.
Das seit 2011 geltende Bildungs- und Teilhabepaket geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2010 zurück (Az.: 1 BvL 1/09; 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09). Die Karlsruher Richter hatten darin gerügt, dass der Bedarf von Kindern aus Hartz-IV-Familien für Bildung und Teilhabe in der Gesellschaft nicht ausreichend bei der Hartz-IV-Regelleistung berücksichtigt wird.
Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket sollten Hartz-IV-Bezieher, Wohngeld- und Sozialhilfeempfänger sowie Bezieher des sogenannten Kinderzuschlags zum Kindergeld diese Bedarfe nun abdecken können. So werden hilfebedürftigen Kindern nicht nur die Kosten für Klassenfahrten und Schulausflüge erstattet, für Schulmaterialien können jährlich bis zu 100 Euro pro Jahr beantragt werden. Für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben wie die Mitgliedschaft im Sportverein zahlen die kommunalen Träger maximal weitere 100 Euro jährlich.
Der Bund hatte sich verpflichtet, den Ländern die Kosten voll zu erstatten. Nach dem Grundgesetz darf er aber kommunale Leistungen nicht direkt finanzieren. Der Bund erklärte sich bereit, den zu zahlenden Bundesanteil für die Unterkunftskosten Hilfebedürftiger um jeweils 5,4 Prozent für die Jahre 2011 und 2012 zu erhöhen. Dies sollte die Kosten für das Bildungs- und Teilhabepaket abdecken.
Im Jahr 2012 kamen so 717 Millionen Euro zusammen. 238 Millionen zu viel, wie der Bund im Nachhinein feststellte. Bis auf Hamburg und Bremen hatten alle anderen Bundesländer weniger für Bildung und Teilhabe ausgegeben, als sie vom Bund erhalten haben. Die zu viel gezahlten Mittel forderte der Bund zurück und verrechnete das Geld mit späteren Zahlungen.
Die Länder, allen voran die Kläger Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Niedersachsen, hielten dies für rechtswidrig. Die vom Bund für das Jahr 2012 gewährte Pauschalzahlung sei nach dem Gesetz als unabänderlich und nicht als vorläufig anzusehen.
Dies bestätigte nun auch das BSG. Der Bund habe 2012 den Ländern eine „unabänderliche Pauschalzahlung“ gewährt, die nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht nachträglich gekürzt werden durfte. Erst ab 2013 sehe das Gesetz nachträgliche Korrekturen vor. Seitdem orientieren sich die Bundesmittel nur an den tatsächlichen Ausgaben für das Bildungs- und Teilhabepaket. Das strittige Gesetz ist nach Auffassung des 1. BSG-Senats auch nicht verfassungswidrig.
„Ich freue mich für Nordrhein-Westfalen sehr“, sagte NRW-Sozialminister Guntram Schneider (SPD) nach der Verhandlung. Die NRW-Kommunen hätten sonst auf 70 Millionen Euro verzichten müssen. „Ich bin nicht Margaret Thatcher, ich will aber mein Geld zurück“, so Schneider. Die Mittel seien außerdem auch für soziale Belange und nicht für Straßenbau oder Ähnliches verwendet worden. „Mit dem Geld ist vielmehr überwiegend die Schulsozialarbeit finanziert worden“, betonte der Sozialminister.
Auch Brandenburgs Sozialministerin Diana Golze (Die Linke) freute sich über die Entscheidung und erklärte, dass die Kommunen „nun ohne Sorge vor ungerechtfertigten Regressforderungen des Bundes“ weiter Leistungen gewähren könnten. Das BSG habe letztlich die Auffassung Brandenburgs bestätigt, dass der Bund die Mittel des Bildungs- und Teilhabepaketes für 2012 ohne Rechtsgrundlage einbehalten habe.
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