Migrationsrecht

Bundesverwaltungsgericht schränkt Abschiebungsschutz ein

Zuletzt bearbeitet am: 04.03.2024

Leipzig (jur). Können ausreisepflichtige Ausländer über einen absehbaren Zeitraum ihre elementarsten Bedürfnisse in ihrem Heimatland decken, steht ihnen regelmäßig kein Abschiebungsschutz wegen widriger Lebensumstände zu. Für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist es nicht erforderlich, dass das Existenzminimum des Ausländers in seinem Herkunftsland „nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist“, urteilte am Donnerstag, 21. April 2022, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 1 C 10.21).

Konkret ging es um einen afghanischen Flüchtling, der im Frühjahr 2016 in Deutschland eineiste. Sein Asylantrag blieb ohne Erfolg.

Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg urteilte am 17. Dezember 2020, dass der Mann dennoch nicht abgeschoben werden dürfe (Az.: A 11 S 2042/20; JurAgentur-Meldung vom 3. Februar 2021). Die Mannheimer Richter begründeten dies insbesondere mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie in der afghanischen Hauptstadt Kabul.

Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan habe sich „infolge der COVID-19-Pandemie derart verschlechtert, dass ein Rückkehrer aus dem westlichen Ausland keine realistische Aussicht hat, auf dem Tagelöhnermarkt eine Arbeit zu finden“. Eine Sicherung der eigenen Existenz sei in Afghanistan ohne eigenes Vermögen oder ein bestehendes familiäres Netzwerk nicht möglich. Hier sei davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr seine elementarsten Bedürfnisse nicht decken könne, so in der Vorinstanz der VGH.

Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung nun auf und verwies das Verfahren an den VGH zurück. Sei die Existenzsicherung für absehbare Zeit gewährleistet, könne ein ausreisepflichtiger Ausländer regelmäßig keinen Abschiebungsschutz beanspruchen. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung werde dann mit der Abschiebung nicht verletzt.

Es reiche vielmehr aus, dass der Rückkehrer „auf absehbare Zeit“ seine elementarsten Grundbedürfnisse decken kann. Dabei könnten auch Rückkehrhilfen eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen.

Nur ausnahmsweise könne dann Abschiebungsschutz bestehen, wenn bereits vorab klar ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Dies muss nun der VGH noch einmal prüfen.

Quelle: © www.juragentur.de - Rechtsnews für Ihre Anwaltshomepage

Symbolgrafik:© magele-picture - stock.adobe.com

Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock

Diesen Artikel bewerten
Über den Autor





Weitere Artikel der Redaktion zum Thema
Migrationsrecht Kopftuchverweigerung noch kein Asylgrund für Iranerinnen

Schleswig (jur). Allein die Weigerung, ein Kopftuch zu tragen, führt für Frauen aus dem Iran noch nicht zu einem Anspruch auf Asyl. Dieser besteht nur, wenn „westliche“ Werte und Lebensstil als „identitätsprägendes Bekenntnis“ der Frau angesehen werden können, entschied das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Schleswig in zwei am Montag bekanntgegebenen Urteilen (Az.: 2 LB 8/22 und 2 LB 9/22). Angehörige der Ahwazi sind nach einem weiteren Urteil im Iran keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt, Menschenrechtler dieser Gruppe können aber Anspruch auf Asyl haben (Az.: 2 LB 7/22).  Die zwei klagenden Frauen hatten beide argumentiert, dass sie ... weiter lesen

Migrationsrecht Terrorunterstützer können sich nicht auf Schutz der Familie berufen

Kassel (jur). Das Interesse an Sicherheit und dem Kampf gegen Terrorismus wiegt schwerer als der Schutz der Familie. Auch ein Familienvater kann daher abgeschoben werden, wenn er einer Organisation angehört, die den Terrorismus unterstützt, entschied der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel in einem am Montag, 18. Dezember 2023, bekanntgegebenen Eilbeschluss (Az.: 7 B 968/23).  Der VGH billigte damit die Abschiebung eines in Nordhessen lebenden Kurden. Er ist Familienvater und nach den Feststellungen von Behörden und Gerichten Mitglied einer PKK-nahen Organisation, die den Terrorismus unterstützt. Das Regierungspräsidium Kassel hatte ihm deshalb die ... weiter lesen

Migrationsrecht Bei Tod von anerkanntem Flüchtling erlischt Familienasyl

Leipzig (jur). Stirbt ein anerkannter Flüchtling, erlischt das Familienasyl von Angehörigen. Können Familienangehörige nicht aus anderen Gründen Schutz erlangen, kann eine Abschiebung drohen, entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am Donnerstag, 9. November 2023, zugestellten Urteil (Az.: 1 C 35.22). Familienmitglieder des Verstorbenen könnten nicht die Rechtsposition von dessen Flüchtlingsanerkennung „erben“. Damit ende aber nicht automatisch auch die Aufenthaltserlaubnis, betonten die obersten Verwaltungsrichter.  Die aus Eritrea stammende, mittlerweile 73-jährige Klägerin hatte vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ... weiter lesen

Migrationsrecht Schulabgangszeugnis kein Grund für Aufenthaltserlaubnis

Saarbrücken (jur). Geduldete Jugendliche oder junge, volljährige Ausländer können nur während eines mindestens dreijährigen erfolgreichen Schulbesuchs oder nach Erhalt eines anerkannten Schulabschlusses eine Aufenthaltserlaubnis erteilt bekommen. Allein ein Abgangszeugnis, welches nur die Erfüllung der Schulpflicht belegt, reicht nicht aus, entschied das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes in Saarbrücken in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss vom 30. Juni 2023 (Az.: 2 B 55/23).   Im konkreten Fall ging es um einen aus Nordmazedonien stammenden Antragsteller, der im Juli 2018 im Alter von 15 Jahren zusammen mit seiner schwangeren Mutter und seiner ... weiter lesen

Ihre Spezialisten