Leipzig (jur). Können ausreisepflichtige Ausländer über einen absehbaren Zeitraum ihre elementarsten Bedürfnisse in ihrem Heimatland decken, steht ihnen regelmäßig kein Abschiebungsschutz wegen widriger Lebensumstände zu. Für die Zulässigkeit einer Abschiebung ist es nicht erforderlich, dass das Existenzminimum des Ausländers in seinem Herkunftsland „nachhaltig oder gar auf Dauer sichergestellt ist“, urteilte am Donnerstag, 21. April 2022, das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (Az.: 1 C 10.21).
Konkret ging es um einen afghanischen Flüchtling, der im Frühjahr 2016 in Deutschland eineiste. Sein Asylantrag blieb ohne Erfolg.
Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg urteilte am 17. Dezember 2020, dass der Mann dennoch nicht abgeschoben werden dürfe (Az.: A 11 S 2042/20; JurAgentur-Meldung vom 3. Februar 2021). Die Mannheimer Richter begründeten dies insbesondere mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie in der afghanischen Hauptstadt Kabul.
Die wirtschaftliche Lage in Afghanistan habe sich „infolge der COVID-19-Pandemie derart verschlechtert, dass ein Rückkehrer aus dem westlichen Ausland keine realistische Aussicht hat, auf dem Tagelöhnermarkt eine Arbeit zu finden“. Eine Sicherung der eigenen Existenz sei in Afghanistan ohne eigenes Vermögen oder ein bestehendes familiäres Netzwerk nicht möglich. Hier sei davon auszugehen, dass der Kläger bei seiner Rückkehr seine elementarsten Bedürfnisse nicht decken könne, so in der Vorinstanz der VGH.
Das Bundesverwaltungsgericht hob diese Entscheidung nun auf und verwies das Verfahren an den VGH zurück. Sei die Existenzsicherung für absehbare Zeit gewährleistet, könne ein ausreisepflichtiger Ausländer regelmäßig keinen Abschiebungsschutz beanspruchen. Das in der Europäischen Menschenrechtskonvention enthaltene Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung werde dann mit der Abschiebung nicht verletzt.
Es reiche vielmehr aus, dass der Rückkehrer „auf absehbare Zeit“ seine elementarsten Grundbedürfnisse decken kann. Dabei könnten auch Rückkehrhilfen eine Verelendung innerhalb eines absehbaren Zeitraums ausschließen.
Nur ausnahmsweise könne dann Abschiebungsschutz bestehen, wenn bereits vorab klar ist, dass dem Ausländer nach dem Verbrauch der Rückkehrhilfen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Verelendung droht. Dies muss nun der VGH noch einmal prüfen.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock